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Die Renaissance des Quiz-Genres - in der ARD-Todeszone

von   |  3 Kommentare

Ob interaktives App-Format, anspruchsvolles Experten-Quiz oder kurzweilige Unterhaltung mit Promis: Die ARD präsentiert sich dank dreier Quizshows um 18 Uhr so lebendig wie selten. Das macht Lust auf mehr - und ein möglicher Platz für dieses "Mehr" springt sofort ins Auge.

Was sich im Ersten Deutschen Fernsehen seit Februar dieses Jahres auf dem 18-Uhr-Sendeplatz tut, ist in zweierlei Hinsicht bemerkenswert. Zunächst einmal gelang es, sich sukzessive einige der Zuschauer zurückzuholen, die sich von der zuletzt äußerst zahnlosen Kult-Soap «Verbotene Liebe» zur Konkurrenz verabschiedeten - was schon einmal kein ganz so simples Unterfangen in der stark von festen Sehgewohnheiten dominierten Daytime darstellt. Doch was in Anbetracht der (vermeintlichen) Trends unserer Dekade fast noch bemerkenswerter ist: Dies gelang ausgerechnet mit dem Genre Quiz, das sich im Zuge diverser Flops längst den Ruf eines Quotenkillers eingehandelt hatte, mittlerweile aber auf dem besten Weg ist, zumindest in der ARD eine unverhoffte Renaissance zu feiern.

Blickt man auf die bislang noch recht kurze Geschichte dieses Überraschungserfolgs zurück, hat er eigentlich schon im Mai 2014 begonnen. Damals versuchte sich der Sender vorerst nur drei Wochen lang an der TV-Adaption der beliebten Quizduell-App und wollte einen interaktiven Live-Ratespaß auf die Beine stellen, bei dem der Zuschauer direkt ins Geschehen involviert wird. Bekanntlich ging dieses Vorhaben gehörig nach hinten los - zumindest aus Sicht eines professionellen Programmplaners, dessen höchstes Arbeitscredo die Perfektion ist, die gerade beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen nur allzu oft mit schematischer Langeweile gleichzusetzen ist. Doch mit der Stümperhaftigkeit im technischen Bereich wusste Moderator Jörg Pilawa exzellent umzugehen, indem er das App-Desaster selbstironisch aufbereitete und spontan darauf zu reagieren wusste. Vor allem beim jungen Publikum kam dies angesichts von immerhin 5,6 Prozent Marktanteil nicht schlecht an und schrie nach einer Fortsetzung für «Quizduell», die dann im Februar auch folgte.

Nun lief die App, was zunächst aber keinesfalls bessere Einschaltquoten garantierte - immerhin wurde damit dem Format auch ein Stück weit sein skurriles Alleinstellungsmerkmal genommen, das es neben der Interaktivität von anderen Quizshows abhob. Für einen Quoten-Aufschwung im Rahmen der fast viermonatigen Dauer-Präsentation sorgte dann erst eine zunehmende Fokussierung auf Promi-Ausgaben, die offenkundig für viele Zuschauer einen größeren Anreiz darstellten als Duelle zwischen Normalos und dem quizzenden TV-Publikum. Durchschnittlich sahen die 61 neuen Folgen 1,42 Millionen Menschen, was 8,3 Prozent aller und 5,0 Prozent der jüngeren Konsumenten entsprach. Von einem Quotenhit ließ sich also wahrlich noch nicht sprechen, doch immerhin lief es klar besser als für «Verbotene Liebe» - vor allem eben mit besagten Promi-Ausgaben.

Ab Mitte Mai sollte dann «Gefragt - Gejagt» seine Zugkraft auf größerer Bühne unter Beweis stellen, nachdem das Format zuvor schon drei Jahre lang im Norddeutschen Rundfunk gelaufen war. Mit dieser Programmierung unterstrich der Sender endgültig, dass er es mit dem Quiz-Genre ernst meint - auch in inhaltlicher Hinsicht, denn die im Original aus Großbritannien stammende Sendung stellte ungleich höhere Ansprüche an ihr Publikum als die launige App-Show. So ist zum einen das Tempo, in denen die Fragen gestellt werden, für deutsche (und öffentlich-rechtliche) Verhältnisse herausragend hoch und auch der Anspruch der gestellten Fragen überstieg das banale Allgemeinwissen zum Teil um Längen. Eine direkte Partizipationsmöglichkeit wurde dem Zuschauer überdies nicht eingeräumt, sodass der Erfolg der Sendung im gelinde gesagt doch eher von temporeduzierten Inhalten geprägten ARD-Vorabendprogramm alles andere als gewiss war.

Zunächst tat sich das extrem spannende und mitreißende Profi-Rateduell zwischen je einem Kandidaten-Team und einem Quiz-Experten auch ein wenig schwer, so recht Fuß zu fassen. In Woche eins sahen durchschnittlich weniger als 200.000 junge Menschen zu, was miesen 3,7 Prozent Marktanteil entsprach. Doch im Laufe der sieben Wochen, die der Sendung vergönnt waren, gewann man mehr und mehr Fans hinzu, sodass kurz vor Schluss mit 11,2 bzw. 6,0 Prozent sogar erstmals seit Ewigkeiten wieder der Senderschnitt auf diesem Slot in greifbarer Nähe war. Möchte man den Programmverantwortlichen etwas vorwerfen, könnte man kritisch anmerken, dass sieben Wochen wohl etwas zu wenig waren, um ein solches den Sehgewohnheiten konträr laufendes Format zur Topform auflaufen zu lassen. Mit 9,7 Prozent aller und 5,1 Prozent der 14- bis 49-jährigen Konsumenten wurde somit sicher nicht das ganze Potenzial ausgeschöpft, das in diesem Konzept schlummert.

Einen abermaligen Gegenpol platzierte man schließlich im Juli mit «Wer weiß denn sowas?», das trotz steigender Quoten auf diesem Slot bis auf die Genre-Bezeichnung "Quiz" so ungefähr gar nichts mit «Gefragt - Gejagt» gemein hat. Das Tempo wurde dramatisch zurückgefahren, der Promi-Anteil auf 100 Prozent erhöht und die wenigen Fragen, die in der Sendung gespielt wurden, waren eher dem Bereich "skurriles, nutzloses Wissen" zuzuordnen. Trotz der oftmals kaum vorhandenen Dynamik setzte sich der Aufwärtstrend fort, im Schnitt sahen in den vergangenen sieben Wochen knapp elf Prozent aller und rund sechs Prozent der jüngeren Zuschauer zu. Einen zusätzlichen Push erfuhr der von Kai Pflaume moderierte Promi-Ratespaß durch eine mit über fünf Millionen Zuschauern überaus erfolgreiche (bislang) einmalige Primetime-Programmierung.

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass die ARD-Quizschiene um 18 Uhr kontinuierlich erfolgreicher wurde. Nach gut acht Prozent für das «Quizduell» verbesserte sich «Gefragt - Gejagt» auf knapp zehn und «Wer weiß denn sowas?» zuletzt gar auf etwa elf Prozent des Gesamtpublikums, womit man dem Senderschnitt inzwischen ebenso nah ist wie bei den Jüngeren - seit Ende Juli überbietet man diesen sogar regelmäßig. Jörg Pilawa steht also etwas unerwartet nun unter dem Druck, mit seiner vergleichsweise aufwändigen Live-Show an die etwas größeren Erfolge seiner Kollegen Bommes und Pflaume anknüpfen zu müssen, sofern seine Show nicht bloß der Startschuss für die Rückkehr des televisionären Ratespaßes in der Daytime darstellen soll. Ob dies gelingt, wird ab Montag mit Spannung zu beobachten sein.

Vielleicht aber ist diese ebenfalls für das Tagesprogramm eines großen deutschen Fernsehsenders ungewöhnliche Co-Existenz auch eine Chance, eventuellen Abnutzungserscheinungen vorzubeugen - und müsste demnach gar nicht dazu führen, dass sich der Sender mittelfristig für eine oder zwei der Sendungen zu entscheiden hat. In jedem Fall erstaunt es den an die Trägheit des deutschen Publikums glaubenden Branchenkenner, dass zwei so diametral konträre Konzepte wie jene von «Gefragt - Gejagt» und «Wer weiß denn sowas?» auf demselben Programmplatz funktionieren können. Möglicherweise sind viele Zuschauer für etwas Gehirnjogging am ansonsten doch arg von Banalitäten verschiedener Form dominierten Vorabend so dankbar, dass sie dafür auch Abstriche in Niveau und Tempo hinnehmen, vielleicht sehnen sie sich aber auch zunehmend nach Show-Formaten, die gerne anspruchsvoll, gerne aber auch einfach kurzweilig und leicht unterhaltend sein dürfen. Hauptsache, man bekommt nicht noch eine Scripted Reality, nicht noch eine Dokusoap, nicht noch eine Seifenoper und nicht noch einen Schmunzelkrimi vorgesetzt.

In Anbetracht dessen lässt sich auch die Frage nach der Zukunft in den Raum werfen, denn eine große Baustelle bleibt dem ARD-Vorabend schließlich erhalten: Der anschließende Sendeplatz um 18:50 Uhr. Dieser weiß trotz etlicher Anläufe in aller Regel noch immer nicht zu überzeugen, die zumeist humoristisch geprägte fiktionale Kost ist ein verlässlicher Garant für Marktanteile weit unterhalb des Senderschnitts. Wohin die Reise gehen könnte, sofern die Programmplaner auch hier an einem breiteren Publikum interessiert sein sollten, deutete eine bislang einmalige Ausstrahlung von «Wer weiß denn sowas?» Ende Juli an, die auf sehr ordentliche 11,2 bzw. 6,7 Prozent Marktanteil gelangte. Mit anderen Worten: Wenn die Quizshows um 18 Uhr funktionieren, im Anschluss jedoch die Werte nach wie vor dramatisch einbrechen, wieso sollte das Show-Genre nicht auch eine Option für den 18:50-Uhr-Slot sein?

Quiz-Formate auch um 18:50 Uhr - eine gute Idee?
Ja, unbedingt. Wäre eine Bereicherung für das ARD-Programm.
57,5%
Ich bin noch skeptisch, ob es sich dann nicht schnell totläuft.
23,6%
Nein, bloß nicht noch mehr Quiz. Eine Stunde am Tag reicht völlig.
18,9%


Gewiss kein Gegenargument ist ein Mangel an möglichen Sendungen, mit denen knapp zwei Stunden Sendezeit gewinnbringend zu füllen wären. Die großen Erfolge von «Kaum zu glauben!» im NDR legen nahe, auch diese Show ins Hauptprogramm zu befördern. Mit «Null gewinnt» verstaubt ein höchst charmantes und leider im ersten Anlauf völlig ziellos und einsam am Freitag versendetes Konzept in den Programmarchiven, zudem bietet unter anderem das britische Fernsehen diverse Möglichkeiten für weitere Adaptionen. Und die eine oder andere eigene Idee könnte man ja auch noch einbringen. Wahrscheinlicher ist die Angst vor einer raschen Quiz-Übersättigung - oder die Angst vor dem Zorn der Produzenten der fiktionalen Stoffe, die allerdings seit Jahren meist weder inhaltlich noch aus Sicht der Quoten Argumente für ihre Existenzberechtigung liefern. Sollte auch die neueste «Quizduell»-Staffel den Aufwärtstrend um 18 Uhr fortsetzen und das Publikum weiter um 18:50 Uhr der Fluchtreflex packen, dürfte die Luft für die Serien immer dünner werden.

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Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
profizocker
22.08.2015 16:01 Uhr 1
Sofern die ARD nicht aud die Idee kommt seine Quizsendungen in XXL-Format auszustrahlen (Also von 18.00-19.45 Uhr) können Quizshows auch um 18.50 bessere Einschaltquoten einführen. Natürlich bräuchte man mehr als 3 Formate. Man könnte z.B. prima die Montagsmaler oder Jeopardy neu auflegen.
P-Joker
22.08.2015 16:54 Uhr 2
Man hat doch in den verschiedenen Dritten noch ein paar Quiz am Start. Davon könnte man auch das eine oder andere ins Erste befördern.
Rodon
22.08.2015 18:26 Uhr 3
Noch ein Quiz um 18:50 Uhr würde ich zu viel finden. Eine Art tagesaktuelle Late Night am Vorabend fänd' ich klasse, nur wird das "Gottschalk Live"-Desaster vermutlich noch ein paar Jahre nachwirken, bevor man auch nur wieder überhaupt in diese Richtung denkt.
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