Filmfacts: «Self/less – Der Fremde in mir»
- Regie: Tarsem Singh
- Produktion: Ram Bergman, Peter Schlessel, James D. Stern
- Drehbuch: David Pastor, Àlex Pastor
- Darsteller: Ryan Reynolds, Natalie Martinez, Matthew Goode, Victor Garber, Derek Luke, Ben Kingsley
- Musik: Dudu Aram, Antônio Pinto
- Kamera: Brendan Galvin
- Schnitt: Robert Duffy
- Laufzeit: 117 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Der New Yorker Immobilien-Tycoon Damian Hale (Ben Kingsley) verfügt über nahezu unermesslichen Reichtum. Doch Genuss kann der Multimillionär kaum noch aus seinen Güter ziehen. Eine tödliche, unheilbare Krankheit zehrt an seinen Kräften, und das sprichwörtliche Damoklesschwert kreist von Tag zu Tag bedrohlicher über seinem Kopf. Ein geheimnisvoller britischer Wissenschaftler namens Albright (Matthew Goode) erklärt Damian jedoch, dass es einen Ausweg gäbe.
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Aus der richtigen Perspektive betrachtet ist «Self/less – Der Fremde in mir» ein sehr kurioser, und daher interessanter Fall. Denn was das Autoren-Brüdergespann David & Àlex Pastor sowie Regisseur Tarsem Singh hier erschaffen haben, hat einen beeindruckend schnörkellosen Qualitätsverlauf: Viele Filme weisen im Laufe ihrer Spielzeit hier und da eine Szene auf, die einen qualitativen Ausreißer nach oben oder unten darstellen. Dieser größtenteils in gedämpften Farben gehaltene Actionthriller hingegen folgt einer geschliffenen Kurve. Genauer gesagt einer geschliffenen Kurve, die zu einem arg enttäuschenden Ergebnis führt:
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Reynolds legt eine Altersweisheit in sein Spiel, die im scharfen, reizvollen Kontrast zur von ihm mit leidendem Blick ausgedrückten Verletzlichkeit steht. Während des Trainings in Albrights kühler Einrichtung macht Reynolds nachvollziehbar, wie schmerzlich seine Rolle die Umgewöhnung an einen fremden Körper empfindet, wodurch er die Fallhöhe des Films ausbaut.
Durch Reynolds Gespür für physische Komik bereitet er gleichzeitig den Höhepunkt von «Self/less – Der Fremde in mir» vor: Endlich komfortabel mit seinem neuen Ich, führt Damian das Leben eines modernen Bonvivants – und Singh lässt seine inszenatorischen Fähigkeiten endlich von der Leine. Nach dem unterdurchschnittlichen Anfang und den grundsoliden Sequenzen im geheimen Labor sind die frühen Sequenzen in New Orleans ein wahrer Genuss. Eine mit diegetischen Soundeffekten, Bild- und Klangwiederholungen und fideler Schnittarbeit erstellte Montagesequenz weckt unbändige Lebensfreude, gehört in ihrer entfesselten Energie sogar zu den besten Szenen des Kinojahres.
Und daraufhin geht alles den Bach runter. Nicht nur für Damian, sondern auch für das Publikum. Singh hatte seine Handvoll Minuten, in der er sich austobte, und stellt direkt nach besagter Lebensgenuss-Montage sein Licht unter den Scheffel. Ach, Quatsch. Er löscht sein Licht und begräbt die Feuerstätte unter meterdickem, grauen, öden Beton. Sämtliche inszenatorische Handschrift entschwindet und macht Platz für eine seelenlose, schematische Regieführung, wie man sie in einem Direct-to-DVD-Actionthriller der unteren Preisklasse vorfindet. Selbst einen spektakulären, mehrere Autos zerschrottenden Stunt berauben Singh, Kameramann Brendan Galvin und Cutter Robert Duffy seiner Wirkung: Das spektakuläre Material wird nicht ansatzweise so kraftvoll orchestriert wie die New-Orleans-Szenen, sondern nahezu wahllos runter gerattert.
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Eine inhaltlich flache, nur auf Adrenalinschübe ausgerichtete Produktion dieser Art kann sehr wohl hervorragend aufgehen – man blicke nur auf John Woos unvergesslichen Actionwahnsinn «Face/Off – Im Körper des Feindes». Der 90er-Kracher hat mit «Self/less – Der Fremde in mir» gemeinsam, dass beide Filme es nicht mit Frankenheimers Grimmigkeit aufnehmen können und keine Lust auf die komplizierten Fragen hinter ihrer Grundidee haben. «Face/Off» aber hat einen gewaltigen Pluspunkt, der für ihn spricht: John Woo pfeffert seinen gesamten Stil in die Waagschale, dirigiert einen geballten Action-Thrillride mit halsbrecherischen Kämpfen, explosiven Verfolgungsjagden und beinahe verboten selbstgenüsslichen Overacting-Passagen. «Self/less» hingegen möchte zwar ab einem gewissen Punkt auch Action und Suspense pur sein, verleugnet dabei aber jegliche Identität, so dass alles nur noch vor sich hin plätschert und selbst der anfangs so engagierte Ryan Reynolds nur wenig retten kann.
Wenn man aus «Self/less – Der Fremde in mir» also eine Lektion ziehen kann, dann wohl folgende: Wenn Singh zwischen „Ich muss mich beweisen!“ und „Ich muss der Masse gefallen!“ nicht bald einen guten Kompromiss findet, so müssen wir diesem gescheiterten Visionär eines Tages einen jüngeren Körper spendieren, damit er genügend Zeit hat, sich endlich zu finden. Und welch dumme Idee das ist, zeigt ja schon «Self/less – Der Fremde in mir». Also, Tarsem: Streng dich an, du kannst es auch so schaffen!
Fazit: Verschenktes Potential, lahme Action und ein lustlos abgespulter Plot: Von einer kurzen, brillanten Passage abgesehen ist «Self/less – Der Fremde in mir» ein regelrechter Rohrkrepierer.
«Self/less – Der Fremde in mir» ist ab sofort in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.