Keine Frage: Das hier war eine Sternstunde in der Karriere von Joko und Klaas und ihrer Sendung «Circus Halligalli». Ich will ihren tollen Kommentar an dieser Stelle gar nicht einordnen, analysieren oder ergänzen. Denn da gibt es nichts zu ergänzen; er war inhaltlich und rhetorisch ganz hervorragend.
Ich will auch gar nichts kritisieren, sondern vielmehr auf etwas hinweisen, was mir dort aufgefallen ist. Denn, gewissermaßen als Beleg für die von den beiden angeführten Hetzereien, wurden einige von Hass und Menschenverachtung durchsetzte Facebook-Einträge eingeblendet, deren Verfasser durch Verpixelung ihres Profilbildes und ihres Namens unkenntlich gemacht worden sind.
Wie gesagt: Das soll keine Kritik sein und ist in erster Linie wohl auch als eine presse- und persönlichkeitsrechtliche Vorsichtsmaßnahme aufzufassen. Ferner entspricht es durchaus der gängigen Herangehensweise deutscher Medien, wenn sie über solche abstoßenden öffentlichen Meinungsäußerungen von Privatpersonen in sozialen Netzwerken berichten.
Die Gründe für diese Praxis sind durchaus einleuchtend: Jenseits möglicher juristischer Streitpunkte wird meist angeführt, man wolle kein Pranger sein oder Gefahr laufen, die berufliche und private Existenz des Verfassers durch seine öffentliche Bloßstellung zu zerstören.
Doch man darf auch eine gegenteilige Auffassung vertreten. Vor allem, weil es anderswo ganz anders gehandhabt wird. In angelsächsischen Medien wird zu solchen Anlässen meist mit völliger Selbstverständlichkeit der volle Name genannt und das unbearbeitete Foto eingeblendet. Das hat nicht nur mit kulturellen und den anderen rechtsphilosophischen Hintergründen zu tun (In den USA ist es allgemein üblich, dass die Justizbehörden Namen, Fotos und oft auch die Anschrift von Sexualstraftätern öffentlich zugänglich machen), sondern auch mit einer anderen Vorstellung von Öffentlichkeit.
Und zumindest die ist wahrscheinlich gar nicht so falsch und wäre es wert, auch in Deutschland diskutiert zu werden. Sie ist denkbar einfach: Wer sich mit dezidierten politischen oder gesellschaftlichen Standpunkten, etwa in Form von Social Media, am öffentlichen (!) Diskurs beteiligt, wird selbst Teil dieses Diskurses. Das schließt extremistische Standpunkte explizit mit ein. Mit allen Konsequenzen.
Narrenfreiheit genießen die Hass-Poster auch im Ist-Zustand nicht. Man denke an den Lehrling eines österreichischen Porsche-Händlers, dem sofort gekündigt wurde, nachdem er durch einen so ekelhaften wie menschenverachtenden Facebook-Kommentar aufgefallen war.
«Spiegel TV» zeigte kürzlich einen bemerkenswerten Beitrag, in dem die Reporter einschlägige Facebook-Hetzer und in einem Fall auch ihren Arbeitgeber mit ihren entsprechenden Postings konfrontierten. Die Reaktionen waren erstaunlich – und offenbarten in einem Fall auch so etwas Ähnliches wie Einsicht. Das lässt hoffen, dass eine vermehrte öffentliche Beachtung nicht nur der Inhalte der Hass-Postings, sondern auch ihrer individuellen Verfasser entsprechende Wirkungen zeigen könnte, die dann wiederum der Lösung des eigentlichen Problems zuträglich wären, das die entsetzlichen Social-Media-Kommentare ja nur sichtbar machen: die eigentlichen Ressentiments, die vielfach kaum noch kaschierte Gewaltbereitschaft und der Vernichtungswille des braunen Mobs und seiner Helfershelfer aus der (oberflächlich?) bürgerlichen Ecke oder dem Subproletariat.
Notiz am Rande: In der anderen Vorstellung von Öffentlichkeit lässt sich auch ein Grund – oder zumindest ein Erklärungsansatz – dafür erkennen, warum Facebook als amerikanisches Unternehmen (mit einer sehr amerikanischen Weltsicht) bei Löschungen von auch offensichtlich menschenverachtenden, rassistischen und xenophoben Inhalten so zurückhaltend agiert. Denn im angloamerikanischen Raum ist die probate Reaktion auf Hate Speech nicht Verbot oder Löschung, sondern das Herstellen einer Gegenöffentlichkeit, die den rechten Pulk im Zweifelsfall knallhart an den Rand marginalisiert, wo er hingehört. Publizistisch und gesellschaftlich.
Nichts anderes machen ja auch Joko und Klaas in ihrem wundervollen Kurzbeitrag. Und verdienen dafür zu Recht jeden Applaus.