Siehe auch ...
- Popcorn und Rollenwechsel: Die Stimme macht den Charakter
- Marcus Off: „Disney sagt, Synchronisieren sei keine künstlerische Arbeit“
- Disney widerspricht Offs Vorwürfen
- Synchronsprecher Constantin von Jascheroff: „Ich gucke mir manche Filme im Original an, manche im Original und in der Synchronfassung, wieder andere nur in der Synchro“
Umbesetzungen sind aber nur eines von vielen potentiellen Problemen bei Synchronfassungen. Doch egal, ob es sich um „die falsche Stimme“ handelt, um schwache Performances der Sprecher oder um ein unausgereiftes Synchronbuch: Oftmals ist die Wurzel des Übels im enormen Zeitdruck zu suchen, unter dem so manche Synchronversionen entstehen. Die Survivalserie «The Walking Dead» ist ein Paradebeispiel für Formate, deren deutsche Sprachfassung mit der heißen Nadel gestrickt wird. Und gelegentlich ist es gar das liebe Geld, an dem es scheitert: «Vikings» wurde ursprünglich zu einem Dumpingpreis bei einem vornehmlich für Werbespot-Vertonung bekannten Studio ins Deutsche übertragen. Der Zuschauer hat erkannt, das man an der falschen Stelle gespart hat: Als sich Serienfans lauthals über die mangelnde Qualität beklagten, wurde die erste Staffel im Auftrag ProSiebens von der alteingesessenen Arena Synchron GmbH neu synchronisiert und mit erfahrenen Sprechern besetzt.
Aber woher soll ein Serienzuschauer ohne größere Mühen erfahren, ob es sich bei der Synchronfassung einer neuen Serie um einen Fall der Marke „«Vikings»-Erstfassung“ oder der Marke „«Vikings»-Zweitfassung“ handelt? Innerhalb der Synchronbranche wird aktuell an einem Weg gearbeitet, diese Frage ohne Weiteres zu beantworten: Der Synchronverband – Die Gilde möchte ein Gütesiegel für gelungene Synchronisationen etablieren. Dieses soll dem Verbraucher auf dem DVD- respektive Blu-ray-Cover oder in den Synchrontafeln im Abspann signalisieren, dass bei der Produktion alle wichtigen Qualitätsstandards eingehalten wurden. Auch online wird man sich nach Einführung des Gütesiegels informieren können, welche Synchronfassungen unter guten Bedingungen entstanden sind.
Die Gilde zielt durch diesen Schritt darauf ab, sowohl innerhalb der Filmbranche als auch in der Öffentlichkeit der Film- und Serienfreunde ein neues Qualitätsbewusstsein für Synchronisationen durchzusetzen. Zugleich ist das Gütesiegel eine Bemühung um mehr Transparenz in einem viel konsumierten, aber wenig beachteten Geschäft. Vergeben wird das Gütesiegel durch eine Kommission des Synchronverbandes, die darauf achtet, ob die im Kodex des Verbands niedergeschriebenen Qualitätsstandards befolgt wurden. Dazu zählen unter anderem: Die Berücksichtigung von Stammstimmen (z.B.: Wird die nahezu 20 Jahre anhaltende Kombination Leonardo DiCaprio/Gerrit Schmidt-Foß plötzlich gebrochen?) und ein Skript, das sich um Originaltreue bemüht sowie für unübersetzbare Anspielungen ein angemessenes Äquivalent findet. Auch soll abgesichert werden, dass die Synchronautoren Fachberatung erhalten, wenn Franchiseprojekte oder Werke mit anderweitig besonderen Sujets anstehen. „Wikipedia reicht nicht“, wie der Kodex festlegt.