Cast und Crew
- Regie: Florian Froschmayer
- Darsteller: Stefan Gubser, Delia Mayer, Antoine Monot jr., Sarah Hostettler, Misel Maticevic, Jean-Pierre Cornu, Aaron Hitz, Suly Röthlisberger
- Drehbuch: Urs Bühler
- Kamera: Patrick-David Kaethner
- Szenenbild: Urs Beuter
- Schnitt: Claudia Klook
- Musik: Adrian Frutiger
Garniert wird die angespannte Mixtur aus Psychodrama und Kriminalthriller mit blutiger Gewalt, die die Grenzen der Primetimetauglichkeit auslotet, sowie mit beiläufig vermittelter Kritik an der öffentlichen Wahrnehmung des Schweizer (aber im Grunde genommen des deutschen) Rechtssystems. Die zentrale Säule dieses Neunzigminüters ist Antoine Monot jr., der kraftvoll gegen die öffentlich-rechtliche Klischeedarstellung eines Serientäters anspielt. Monot jr. legt den Scharfschützen Simon Amstad weder als einen eiskalten Berufskiller oder widerwilligen Auftragsmörder an, noch als empathielosen Psychopathen.
- ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Tappen lange im Dunkeln, ehe sie dem selbsternannten Rächer auf die Spur kommen: Liz Ritschard (Delia Mayer) und Reto Flückiger (Stefan Gubser).
Amstad ist endlich einmal ein Fernsehkiller, über den andere Figuren glaubhaft sagen können: „Er ist ein guter Mensch.“ Wenn Monot jr. wenige Filmminuten nach seiner brutalen Tat beim Bäcker steht und sich voller Coolness sowie Witz mit der Bedienung gegen einen lästigen Kunden verbrüdert, sind im Sympathiepunkte und Lacher gewiss. Und wenn er mit hilflosen Augen neben seiner kaum aus dem Bett zu bekommenden, deprimierten Frau steht, der aufgrund der Schandtaten ihres Chefs jeglicher Appetit vergangen ist, hat er auch das Mitleid des Zuschauers sicher. Plausibel und facettenreich zeichnet Monot jr. auf Basis des feingliedrig charakterisierenden Drehbuchs einen Mann im besten Alter, dessen Umfeld zwar wahrlich nicht das allerbeste Schicksal durchgemacht hat, der selbst aber stabil, freundlich und humorvoll geblieben ist. Ohne sichtbar angeknackste Seele … Bis er dann eben ganz alleine ist und mit mechanischer Präzision seine nächsten Mord vorbereitet – oder er aufgrund eines Fehlschlags sehr wohl flattrige Nerven beweist. Monots leichtgängigen Elektromarkt-Werbespots gucken sich nach diesem «Tatort» mit ganz anderen Augen!
Durch die komplexe Figur des Simon Amstads drängt Drehbuchautor Urs Bühler im neunten «Tatort» aus Luzern listig die Zuschauer dazu, ihre eigene Position gegenüber Selbstjustiz zu hinterfragen. Die „Lasst das Volk doch selber das Recht in die Hand nehmen!“-Mentalität im Volke zu demontieren, indem ein Monstrum mit der Waffe das Urteil fällt, ist eine im TV gern gewählte, aber all zu simple Lösung. In diesem Krimi jedoch ist es sehr einfach, dem bärtigen Sniper zu verfallen und mit ihm mitzufiebern – umso größer ist dann der „Ertappt! Du befürwortest gerade einen Mörder“-Effekt, wenn die Geschichte wieder die Sicht der Polizei einnimmt und die schrecklichen Aspekte des Vigilantismus einfängt.

Bloß musikalisch fällt dieser «Tatort» auch abseits des Inhalts aus dem Rahmen: Adrian Frutiger untermalt das Geschehen mit treibenden, kühlen Elektronikbässen. Diese nehmen eingangs Überhand, wenn die Ermittler alte Überwachungsvideos sichten, treffen dafür aber gerade im letzten Drittel genau den richtigen Nerv. Und daher knallt der erste «Tatort» der neuen Saison nicht nur zu Beginn, er bleibt auch bis zum Schluss ein echter Knaller. So viel also zu den „spröden Schweizern“ ..!
«Tatort: Ihr werdet gerichtet» ist am 6. September 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.