Die Kritiker

«Die Kanzlei»

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Am Dienstagabend startet im Ersten die Nachfolgeserie von «Der Dicke». Unsere Vorab-Kritik:

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Sabine Postel als Isabel von Brede
Herbert Knaup als Markus Gellert
Sophie Dal als Yasmin Meckel
Katrin Pollitt als Gudrun Wohlers

Hinter der Kamera:
Produktion: Studio Hamburg Letterbox
Drehbuch: Thorsten Näter
Regie: Thomas Jauch, Stephan Rick, Oliver Dommenget, Torsten Wacker und Claudia Garde
Kamera: Rodja Kükenthal, Georgij Pestov, Thomas Ch. Weber, André Lex und Carsten Thiele
Produzentin: Kerstin Ramcke
Anwälte tun, was Anwälte nie tun würden: So sahen schon viele deutsche Anwaltsserien aus, die sich (anders als die meisten ihrer angloamerikanischen Gegenstücke) nicht damit begnügen, die Eigenheiten ihres Berufsalltags und –standes zu überspitzen und die dargestellten Verfahren zum Zwecke der Dramatisierung in einem theatralischen Prozess kulminieren zu lassen, auch wenn sie in der Realität schon lange vorher eingestellt worden wären.

Nein, in Deutschland treten Anwälte gerne als Kämpfer mit ganz viel Herz auf und betreiben weniger Rechtsberatung als vielmehr allgemeine Lebenshilfe. Sie schlichten in ewigen Fehden, verteidigen den kleinen Mann gegen den gierigen Bonzen, führen Familien zusammen, trocknen Tränen. Sie arbeiten selten mit Gesetzestexten und Paragraphen, sondern mit etwas, das sie gemeinhin „Gerechtigkeitsempfinden“ oder „gesunden Menschenverstand“ nennen. Die vertrackten Abläufe und Statuten der Zivil- und Strafprozessordnung spielen, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. Alles läuft darauf hinaus, das Gerechtigkeitsempfinden eines Durchschnittsbürgers, wie sich ihn die Autoren und Fernsehredakteure vorstellen, zu bejahen, der mit Juristen selten bis gar keinen Kontakt hat und sich über in den Boulevardmedien breitgetretene vermeintliche Verfehlungen im Justizapparat echauffiert, von dem er nichts versteht.

«Die Kanzlei» steht also in einer gewissen Tradition. Nicht nur im allgemeinen Sinne, sondern auch sehr konkret: Es handelt sich hier um die Nachfolge-Serie von «Der Dicke» – einem Format, das eingestellt werden musste, nachdem Hauptdarsteller Dieter Pfaff verstorben war.

Die übrigen Rollen aus «Der Dicke» sind der «Kanzlei» erhalten geblieben. Ihre Darsteller ebenso. Pfaffs Gregor Ehrenberg gilt in der ersten neuen Folge als verschwunden – und Sabine Postels Isabel von Brede muss die Rechtsberatungen erst einmal allein führen. Dabei helfen ihr – auch das ist nichts Neues – ihre ambitionierte Sekretärin Yasmin Ülküm und Assistentin Gudrun Wohlers.

Ihre Fälle sind die üblichen: Ehrliche Obdachlose gegen schönselige Supermarktfilialleiter. Reicher Bruder gegen enterbte Schwester. Militante Tierschützerin gegen industriellen Mastbetrieb.

Man darf der «Kanzlei» zugutehalten, dass man ähnliche Konstellationen schon viel verblendeter, unrealistischer und hanebüchener gesehen hat. Man merkt der Serie an, wie sehr sie sich trotz ihres Anspruchs, möglichst vielen gefallen zu wollen und dabei stark zu vereinfachen, um differenzierte Betrachtungen der Friktionen zwischen Recht und Gerechtigkeit bemüht und darum, zumindest die gröbsten Holzhämmer und das allgemein übliche boulevardeske Nach-dem-Mund-des-Kleinen-Mannes-Reden zu umschiffen.

Eine sinnige und spannende Gerechtigkeitsdiskussion wie bei «Verbrechen» und «Schuld» findet in der ARD-Hauptabends-«Kanzlei» natürlich im Leben nicht statt. Und trotzdem sind nicht wenige Bemühungen erkennbar, nicht nur sinniger, sondern auch feinfühliger zu erzählen als bei der üblichen Anwaltsdramen-Dutzendware.

Negativ fallen natürlich all die Szenen auf, in denen auch «Die Kanzlei» hemmungslos den Überinszenierungen und der forcierten Theatralik erliegt, wenn im Zeugenstand geheult, gequengelt und gezetert wird. Kein ordentlicher Richter würde das dulden, aber in der «Kanzlei» geht es wie selbstverständlich so zu. Das ist nicht nur unrealistisch, sondern auch nicht sonderlich gut erzählt, zu platt, zu gewollt, zu simpel, zu anbiedernd.

Aber wie gesagt: Das gab es alles schon sehr viel schlimmer, unrealistischer, blöder. «Die Kanzlei» kann dagegen sogar noch mit einem sehr fähigen Cast punkten und das Trio aus Sabine Postel, Sophie Dal und Katrin Pollitt zeigt in seinen Rollen nicht nur Herz, sondern auch Verstand. Wenn man sich abschreckende Beispiele wie die unsägliche Reihe «Alles was recht ist» vor Augen führt, ist diese neue alte Serie ganz wunderbar geraten. Sie qualitativ mit "noch Luft nach oben" zu umschreiben, ist aber gleichsam eine Untertreibung.

Das Erste zeigt 13 Folgen von «Die Kanzlei» dienstags, ab dem 08. September um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/80600
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