Cast und Crew
- Regie: Carlo Rola
- Darsteller: Natalia Wörner, Lucas Reiber, Axel Prahl, Ernst Stötzner, Sylvester Groth, Jeanne Goursaud, Rainer Strecker, Sebastian Anklam, Thomas Limpinsel
- Drehbuch: Christian Schnalke
- Kamera: Nicolay Gutscher
- Szenenbild: Marcus A. Berndt
- Schnitt: Friederike von Normann
- Musik: Enis Rotthoff
So beginnt – mit einiger Vorlaufzeit – eine Geschichte, die sich aus Elementen zusammensetzt, die üblicherweise ganz im Alleingang einen ZDF-Montagsfilm tragen. Der einsame Kampf einer Frau, der niemand Gehör schenken möchte. Die dunkle Wenden nehmende Erzählung einer liebenden Mutter, die einen behinderten Sohn großzieht. Und ein Kriminalfall. Dass sich diese Puzzleteile vereinen lassen, ist insbesondere der Verdienst des namhaften Casts. Zusätzlich zur gegen ihren üblichen Typus besetzten Natalia Wörner («Die Säulen der Erde») und einem besonders schmierigen Axel Prahl (Münsteraner «Tatort») ist etwa auch Sylvester Groth («Inglourious Basterds») zu sehen. Groth mimt auf den Punkt genau einen empathischen Psychiater und verleiht den zwei letzten Dritteln somit einen Silberstreif am Horizont, wodurch die von sonst niemanden verstandene Maria ihre Hoffnungen aufrecht erhalten kann. Ernst Stötzners Figur des grummeligen Kommissars wiederum tänzelt auf der Linie zwischen Stereo- und Archetyp, hält aber eine gute Balance. Prahl hingegen muss mit sehr schwachem Material arbeiten: Seine Figur des auf Behindertentransporte spezialisierten Busfahrers stellt von Skriptseite aus die reinste Karikatur eines sexistischen, schmuddeligen Manns aus den niederen sozialen Schichten dar. Nur wenn Prahl alias Bacher mit Maria darüber spricht, ob Matis die Tat begonnen hat, schimmern zusätzliche Dimensionen an, schafft der Darsteller es, der Rolle besondere Dreistigkeit, aber auch Anflüge von Schamgefühl mitzugeben.
Generell ist eine komplexe Charakterzeichnung nicht gerade die größte Stärke von «Die Mutter des Mörders». Der Stoff wird vorerst sehr geradlinig erzählt, sämtliche Figuren reagieren auf die Situation, wie man es von ihnen in einem öffentlich-rechtlichen Melodram erwarten würde. Bloß Maria stellt eine Ausnahme dar und wächst in den abschließenden Minuten über sich hinaus. Über die Plausibilität des Finales lässt sich streiten, dafür kommt der Schluss immerhin unerwartet und genehmigt sich eine emotionale wie moralische Ambiguität, die so nicht üblich ist im Montagskino der Mainzer.
Auch in einem weiteren Punkt geht der Neunzigminüter den oft unvermeidlichen Klischees solcher Produktionen aus dem Weg: Als mutmaßlicher Mörder Matis vermeidet Lucas Reiber es, zu überzeichnen und den psychisch benachteiligten Jungen so zur Witzfigur verkommen zu lassen. Matis ist ein simpler und hilfsbedürftiger Bube, aber keineswegs jemand, der alles mit sich machen lässt. Dafür beschreitet «Die Mutter des Mörders» hinsichtlich seines Settings ZDF-Klischeegebiete: Obwohl Maria als finanziell mies aufgestellte Kassiererin dargestellt wird, lebt sie in einem schönen, großen Haus in einem ansehnlichen Viertel, in dem sich auch die seichten, hoffnungsvollen Geschichten über rüstige Rentner abspielen könnten, die ebenfalls zum Senderportfolio gehören können. Dies mag auf den ersten Blick ein haarspalterischer Kritikpunkt sein, aber wenn man bedenkt, wie beklemmender und glaubwürdiger diese konstruierte Geschichte wirken würde, wäre sie in ein authentisches Setting gebettet, wird klar, dass die Traumhäuser dem Film Potential rauben.
«Die Mutter des Mörders» ist am 14. September 2015 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.