Die Kritiker

«Tatort - Die letzte Wiesn»

von

München macht Triebabfuhr - und der Münchener «Tatort» begibt sich in die finsteren Gassen des Oktoberfests. Ein launiger, nicht unintelligenter Krimi.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Udo Wachtveitl als Franz Leitmayr
Miroslav Nemec als Ivo Batic
Ferdinand Hofer als Kalli Hammermann
Lisa Wagner als Christine Lerch
Gerhard Liebmann als Radtk
Gisela Schneeberger als Frau Moosrieder
Mavie Hörbiger als Ina Sattler

Hinter der Kamera:
Produktion: Wiedemann & Berg Television
Drehbuch: Stefan Holtz und Florian Iwersen
Regie: Marvin Kren
Kamera: Moritz Schultheiss
Produzenten: Max Wiedemann und Quirin Berg
Nichts wie raus aus der Stadt, denkt sich Franz Leitmayr. Seine Wohnung hat er an zwei Schwedinnen zwischenvermietet, bis er aus dem Urlaub in Italien zurück ist. Ende September kann der Mann die bayerische Landeshauptstadt nie schnell genug verlassen. Dann ist Oktoberfest. Das heißt: Alkoholleichen an so ziemlich allen öffentlichen Plätzen, U-Bahn-Fahren zwischen so verschwitzten wie hackestrammen Touristen und durchgedrehten Einheimischen gerät zu einer Art Vorhölle, und wohin man auch geht, folgt einem das alkoholisierte Gegröle und der Geruch von Erbrochenem. München macht Triebabfuhr.

Am U-Bahn-Hof will er noch einem stockbesoffenen Mann helfen, der völlig desorientiert an der Wand kauert. Doch die U-Bahn kommt, Franz muss los, Italien ruft.

Dort angekommen, ruft Kollege Ivo Batic an. Der Mann, dem Leitmayr am U-Bahn-Hof helfen wollte, ist tot. Leitmayr muss den Urlaub abbrechen, zurück nach München kommen und eine Aussage machen. Jetzt, wo das Oktoberfest die Stadt für ihn unbewohnbar macht. Bald stellt sich heraus, dass der Mann an keinem normalen Rausch gestorben ist, sondern mit GHB vergiftet wurde. Vermutlich ist ihm das Teufelszeug auf der Wiesn in die Maß gekippt worden. Die Fälle häufen sich dieses Jahr – und haben alle ihren Ursprung im Festzelt von Amperbräu.

Dort herrscht, wie erwartet, Ausnahmezustand. Am Ausschank die pure Hektik, die Bedienungen werden in bedenklichem Ausmaß sexuell belästigt, und die herrische Chefin (treffend resolut und herablassend: Gisela Schneeberger) setzt alles daran, das Zelt geöffnet zu lassen, auch wenn ein gemeingefährlicher Täter einen Gast nach dem anderen vergiftet.

Eine der Wiesnwirtinnen sticht Leitmayr besonders ins Auge: Nicht als Täterin, sondern eher aus, ähem, persönlichem Interesse: Die junge alleinerziehende Mutter Ina Sattler (sehr reizend: Mavie Hörbiger), die die Wiesn mit ihren volltrunkenen bis aggressiven Besuchern genauso zum Kotzen findet wie er.

Ein «Tatort» zur Wiesn-Zeit könnte die radikalste Dekonstruktion der bayerischen Landeshauptstadt liefern. Von den Postkartenmotiven von Marienplatz bis Frauenkirche oder der Verklärung bierlauniger Volksfeste bleibt nicht viel. Oktoberfest heißt auch: der Mensch (und der Bayer) von seiner hässlichen Seite.

Leitmayr und Batic verlieren da als Figuren natürlich nichts von ihrer bayerischen Gelassenheit. Die bleibt – und sorgt neben der Abbildung der Schattenseiten der Wiesn für etwas Comic-Relief. Wie Leitmayr mit seinem Köfferchen durch München auf der Suche nach Schlafgelegenheiten tingelt, während die Schwedinnen ihm seine Wohnung zerlegen. Wie Ivo Batic mit seinen kroatischen Tanten säuft. Und so weiter und so fort.

Geglückt an der „Letzten Wiesn“ ist auch eine angenehm schnelle Erzählgeschwindigkeit, die sich nicht allzu sehr auf das Whodunnit-Motiv versteift – insbesondere weil einer der als Täter infrage kommenden Personen offen geführt wird. Dass in Nebenbaustellen die rührende Geschichte einer alleinerziehenden Wiesn-Wirtin mit schwieriger Vergangenheit erzählt wird, fächert das narrative Potential ebenfalls weiter auf. Das sieht man gerne – auch wenn sich der tiefenpsychologische Gehalt freilich in Grenzen hält. Es ist «Tatort». Und Wiesn-Zeit.

Das Erste zeigt «Tatort – Die letzte Wiesn» am Sonntag, den 20. September um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/80851
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