Die Kino-Kritiker

«Man lernt nie aus»

von

Rentner Robert De Niro wird zu Anne Hathaways neuem Praktikanten. Doch kann das für alle Beteiligten und die Kinozuschauer wirklich gut gehen?

Filmfacts «Man lernt nie aus»

  • Kinostart: 24. September 2015
  • Genre: Komödie
  • FSK: 0
  • Laufzeit: 121 Min.
  • Regie: Nancy Meyers
  • Drehbuch: Nancy Meyers
  • Darsteller: Robert De Niro, Anne Hathaway, Rene Russo, Anders Holm, Andrew Rannells
  • OT: The Intern (USA 2015)
Es gibt Regisseure, die sich scheinbar nur ungern auf eine bestimmte Art von Filmen festlegen wollen und sich daher im Laufe ihrer Karriere fleißig und mit großem Erfolg an unterschiedlichsten Genres versuchen. Jemand wie US-Filmemacher James Mangold beispielsweise springt scheinbar spielend von Copdrama («Cop Land») und Fantasyromanze («Kate & Leopold») über Psychothriller («Identität») und Musiker-Biopic («Walk The Line) bis hin zu Western («Todeszug nach Yuma») und Comic-Blockbuster («Wolverine: Weg des Kriegers»). Und auch ein Danny Boyle fühlt sich mit Ausflügen ins Dramafach (u.a. «Slumdog Millionär»), das Zombiehorror- («28 Days Later») oder auch das Sci-Fi-Thriller-Genre («Sunshine») in grundverschiedenen filmischen Spielarten gleichermaßen zu Hause, um an dieser Stelle nur zwei besonders prägnante Beispiele des Mainstream-Kinos zu nennen.

Auf der anderen Seite des vielfältigen Regiespektrums verlassen sich die Kreativen den Großteil ihrer Filmografie hindurch auf ihre altbewährten Stärken und liefern stets ähnlich geartete Bewegtbild-Kost ab. Zu dieser Kategorie gehört definitiv auch «Vater der Braut»-Autorin Nancy Meyers, die nach ihrem Regiedebüt «Ein Zwilling kommt selten allein» mit «Was Frauen wollen», «Was das Herz begehrt», «Liebe braucht keine Ferien» und «Wenn Liebe so einfach wäre» im Grunde durchweg hochkarätig besetzte locker-leichte (Romantik-)Komödien, in denen nicht selten auch die Liebe im Alter und das Älterwerden an sich im Mittelpunkt stehen, vorgelegt hat. Auch ihr neuestes Werk „Man lernt nie aus“ bildet da kaum eine Ausnahme. Obwohl Meyers diesmal keine Romanze in den Fokus rückt (gänzlich drauf verzichten kann sie allerdings auch nicht), dürften vor allem Fans der bisherigen Werke der mittlerweile 65-jährigen US-Amerikanerin auf ihre Kosten kommen.

Der 70-jährige Witwer Ben Whittaker (Robert De Niro) ist seit seinem Ausscheiden aus dem Berufsleben krampfhaft darum bemüht, seine Freizeit sinnvoll zu gestalten. Dabei hat er vom Sprachenlernen über Sport bis hin zum Kochen schon so ziemlich alles probiert, doch nichts davon hat ihn wirklich dauerhaft erfüllt. Als er dann eines Tages allerdings auf eine Anzeige stößt, in der eine aufstrebende Internet-Modefirma nach Praktikanten fortgeschrittenen Alters sucht, packt er die Gelegenheit beim Schopfe und angelt sich die ausgeschriebene Stelle. Doch seine neue gestresste Chefin Jules Ostin (Anne Hathaway), der er als persönlicher Assistent zugeteilt wird, hat kaum einen Nerv für das recht spezielle Praktikantenprogramm. Das hält den tüchtigen Ben jedoch keineswegs davon ab, sich im Büro nützlich zu machen. Dank seiner herzlichen Art erfreut sich der Rentner bei seinen Kollegen und der Hausmasseurin Fiona (Rene Russo) rasch größter Beliebtheit. Und auch Jules weiß Bens Hilfe schließlich doch immer stärker zu schätzen, je mehr ihr die aufreibende Arbeit und ihr Privatleben über den Kopf zu wachsen drohen.

Man kann es drehen und wenden wie man will, doch die grundlegende Prämisse von «Man lernt nie aus» ist auch mit gutem Willen überaus hanebüchen. Dennoch entspringen aus ihr ein paar reizvolle Entwicklungen und treffende Beobachtungen. Wenn Robert De Niros Ben darüber sinniert, dass er seit dem Tod seiner Frau und mit seinem fortgeschrittenen Alter keine wirklich befriedigende Beschäftigung mehr findet, ist dies nicht zuletzt aufgrund der realen thematischen Relevanz überaus rührend. Diese Wirkung büßt das Ganze, wenn es hin und wieder direkt adressiert wird, auch im Laufe des Films nicht ein. Genauso wird gerade zu Beginn auch ein durchaus adäquater Blick auf das Arbeitsklima in einem hippen Online-Start-Up-Unternehmen geworfen, auch wenn all dies natürlich weder Biss noch wirkliche Tiefe hat. Definitiv ist es lobenswert, dass Nancy Meyers darauf verzichtet, etwaige Schwierigkeiten Bens, sich im modernen und von wesentlich jüngeren Kollegen dominierten Alltag einer Internetfirma zurechtzufinden, allzu sehr auszuwalzen. Es ist sogar recht erfrischend zu sehen, dass sich der Senior schnell und geschickt mit seinem neuen Umfeld arrangieren kann.

Im Mittelpunkt steht dann ohnehin auch vielmehr die Beziehung zwischen Ben und Jules, die beide nicht nur hinsichtlich ihres Alters an völlig unterschiedlichen Punkten ihres Lebens stehen. Während der rüstige Ben endlich wieder einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen will, die ihn länger bei der Stange hält, kann sich die nach wie vor noch unerfahrene Geschäftsführerin Jules bei ihrem anspruchsvollen Rund-um-die-Uhr-Job kaum mehr eine Auszeit gönnen. Der in sich ruhende Ben wird daher auch immer mehr zu einer unverzichtbaren Stütze für die junge Chefin, auf die sie bald nicht mehr verzichten will.

Folglich zeichnet Meyers Ben auch als absolut perfekten und stets freundlichen Gentleman der alten Schule, der – wie es im Film selbst auch explizit ausgesprochen wird – immer das Richtige zu tun und zu sagen weiß. Das raubt der Figur einerseits leider jegliche potentiell spannenden Ecken und Kanten, macht auf der anderen Seite die Entwicklung ihres zunehmend vertrauteren Verhältnisses zu Jules aber auf simple Weise nachvollziehbar. Dazu trägt aber auch die Chemie zwischen den beiden spielfreudigen Oscar-Preisträgern Robert De Niro und Anne Hathaway entscheidend bei, die sich zwar keinesfalls allzu sehr ins Zeug legen müssen, ihren Charakteren und deren Umgang miteinander aber die nötige Menschlichkeit verleihen.

In der Tat hätte es auch genügt, sich voll und ganz auf diesen Handlungsbogen zu verlassen. Doch damit Ben ja auch in Sachen Liebe nicht mehr mit leeren Händen dastehen muss, ließ es sich Meyers nicht nehmen, eine Romanze zwischen ihm und der von Rene Russo routiniert verkörperten Büromasseurin Fiona hinzuzukonstruieren, die jedoch vielmehr obligatorisch aufgepfropft als organisch entwickelt wirkt. Bleibende tragische Noten haben jedoch spätestens beim an allen Fronten unvermeidlichen Happy End keinen Platz in einem Nancy-Meyers-Film. Das Weglassen oder eine zumindest subtilere Einbindung der Liebschaft hätte (ebenso wie die Einsparung einer etwas fehl am Platz wirkenden Einbruchssequenz) der fertigen Komödie aber auch in Bezug auf ihre Laufzeit durchaus ganz gut getan, ist sie, wie schon frühere Arbeiten der Regisseurin, doch einen Tick zu lang geraten, um durchweg ihren grundsoliden Unterhaltungswert aufrechtzuerhalten.

Fazit: «Man lernt nie aus» fühlt sich trotz dezenter inhaltlicher Varianz durch und durch wie ein typischer Nancy-Meyers-Film an. Ein wenig Heile-Welt-Musik-Gedudel und harmlos-charmanter Witz hier, gut aufgelegte Darsteller in liebenswerten Rollen und etwas wohldosierter Kitsch in einer ebenso vorhersehbaren wie seichten Handlung dort und fertig ist das Meyer’sche Feel-Good-Movie. Das tut niemandem weh und ist selbst zum wiederholten Male ganz nett anzuschauen, von Kino-Pflichtprogramm aber meilenweit entfernt. Ein lauschiger DVD-Sonntagnachmittag wäre da wohl der angemessenere Rahmen.

«Man lernt nie aus» ist ab dem 24. September in den deutschen Kinos zu sehen.

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