Cast & Crew
Vor der Kamera:Florian Lukas als Martin Kupfer
Jörg Hartmann als Falk Kupfer
Katrin Sass als Dunja Hausmann
Uwe Kockisch als Hans Kupfer
Lisa Wagner als Katja Wiese
Anna Loos als Vera Kupfer
Ruth Reinecke als Marlene Kupfer
Hinter der Kamera:
Produktion: Ziegler Film
Headautorin: Annette Hess
Drehbuch: Friedemann Fromm und Annette Hess
Regie: Friedemann Fromm
Kamera: Michael Wiesweg
Produzenten: Marc Müller-Kaldenberg und Regina Ziegler
Dieser Satz war lange Zeit Ehrenrettung, Bankrotterklärung und Feigenblatt zugleich. Ehrenrettung, weil man «Weissensee» auch dann als tolle deutsche Serienproduktion nennen konnte, wenn es um deutsche Serien gerade am schlimmsten stand. Wenn man sich durch das öffentlich-rechtliche und private Elend zwischen «In aller Freundschaft» und «Christine – Perfekt war gestern» zappte und schier darüber verzweifelte, dass man in Serien-Deutschland, verglichen mit der angelsächsischen Überproduktion an erstklassigen horizontalen Formaten, leben musste wie ein Maulesel. «Breaking Bad». «West Wing». «The Wire». Und wir? Wir haben immerhin «Weissensee».
Die erste Staffel glich einer Offenbarung. Wahnsinn, was auch in Deutschland möglich ist! Horizontal. Politisch. Nahbar. Fordernd (emotional wie intellektuell).
Natürlich gab es in Deutschland schon lange vor «Weissensee» tolle Serien. Aber sie neben ein «Homeland» oder ein «In Treatment» zu stellen, konnte man doch nur in Ausnahmefällen wagen, ohne den Vergleich allzu lächerlich aussehen zu lassen. Und dann kam «Weissensee» – und brauchte diesen Vergleich nicht unbedingt zu scheuen, sofern man sich der Serie vorurteilsfrei und ohne Zynismus nähern konnte. Sicher: «Weissensee» erzählt anders als im angelsächsischen Raum. Aber eben nicht schlechter. Nur deutscher.
So schnell, wie «Weissensee» zur Ehrenrettung für die deutsche Serie wurde, wurde es auch zu ihrem Feigenblatt. Wann immer man das Überangebot an leichter, seichter, anspruchs- und belangloser Serienunterhaltung und das Fehlen ähnlich großartiger Serien wie die von drüben beklagte, hieß es: Aber wir haben doch «Weissensee».
Hatten wir auch. Nur leider nicht viel mehr.
Inzwischen tut man sich etwas leichter, wenn man deutsche Serien aufzählen soll, die wirklich toll geschrieben, erzählt und gespielt sind, und nicht nur ganz nett, vielleicht sogar ganz gut. «Verbrechen» und «Schuld», nach Romanen von Ferdinand von Schirach. «Zeit der Helden» als leichtfüßigeres, aber ebenso vielsagendes Miniserienprojekt. «Eichwald MdB» als beißende Polit-Satire. «Deutschland 83», das kurioserweise in den USA schon lief und in Deutschland erst im November seine Premiere feiern wird. Und immer wieder: «Weissensee».
In der dritten Staffel ist die Serie in der Wendezeit angekommen. Falk Kupfer, seit eh und je unverbesserlicher Hardliner im Ministerium für Staatssicherheit, macht das freilich schwer zu schaffen. Denn spätestens als in der ersten Folge die Mauer geöffnet wird, dämmert ihm, was das zu bedeuten haben kann. Das Politbüro schweigt. Moskau schweigt. Und die „chinesische Lösung“ als Reaktion auf die Massenproteste ist schnell keine ernsthafte Option mehr.
Erinnern wir uns kurz, was dieser Mann schon alles für seine DDR geleistet hat. Er hat erpresst, eingeschüchtert, seine Schwägerin sechs Jahre in Haft zubringen lassen, was sie schwer traumatisierte, und jahrelang seinem Bruder verheimlicht, dass dessen Kind noch am Leben ist. Es dürfte nicht verwundern, dass die politischen Umstände das Blatt wenden werden, und dass uns eine sechsfolgige Tour de Force seines Darstellers Jörg Hartmann erwartet, der die Zwischentöne seiner Figur ebenso gekonnt und feinsinnig ausarbeitet wie ihre Grobheiten und Unmenschlichkeiten.
Der Blick, den die dritte Staffel von «Weissensee» auf die Wendezeit wirft, ist kein Blick der Verklärung, sondern ein Blick der Herausforderungen, der Was-was-wäre-wenn-Szenarien, der enttäuschten Erwartungen, aber auch der Befreiung. Man wähnt die Zeit der Falk Kupfers für abgelaufen. „Aber Leute wie Sie haben in jedem System Erfolg“, sagt ihm ein alter Weggefährte. Und auch wenn eine vierte Staffel aufgrund der Auflösung der Stasi und des Wegfalls des historischen Kerns nicht so leicht vorstellbar ist, könnte sie doch die spannende Frage beantworten, wie (und ob) Falk Kupfer in der Bundesrepublik ankommt.
Aber so weit ist es noch nicht. Denn während Falk nach dem Mauerfall versucht, die Stasi am Leben zu halten und sich gleichsam über klandestine Kanäle für den Fall der Fälle abzusichern, beginnt sein Bruder Martin eine Liaison mit der Westberliner Fotografin Katja Wiese – die zufälligerweise Bildmaterial in ihrem Besitz hat, das Falk in einem kompromittierenden Moment mit einem ostdeutschen Oppositionellen zeigt, der kurz darauf verschwunden ist. Sängerin Dunja Hausmann, die eine schwierige, aus Abscheu und erpresster Kooperation bestehende Geschichte mit der Stasi hat, schließt sich derweil einer kirchlich organisierten Widerstandsgruppe an, zu deren Rädelsführern auch Falks ehemalige Ehefrau Vera gehört.
Es ist eine Zeit, in der vieles denkbar und möglich ist, die keineswegs unausweichlich mit großen Schritten in Richtung Wiedervereinigung und Freiheit läuft, sondern in der viel hätte schief gehen können. «Weissensee» liefert in gewohnter Weise ein faszinierendes Panoptikum und beleuchtet in außerordentlich starken Drehbüchern, für die sich Headautorin Annette Hess und Regisseur Friedemann Fromm verantwortlich zeichnen, eine spannende Zeit, in der es allgemeingültige, aber doch sehr feinsinnig und individuell gezeichnete Figuren auftreten lässt. Falk Kupfer, sein Vater Hans Kupfer und Julia Hausmann sind nicht nur Allegorien auf den Fanatiker, den Erneuerer und das Opfer, sondern starke Charaktere, die eine dramaturgische Existenzberechtigung jenseits ihrer politischen Ideologien und Verhaltensweisen haben. Genau das macht die Serie zu so viel mehr als einem Historiendrama.
Das Erste zeigt die dritte Staffel von «Weissensee» in Doppelfolgen am Dienstag-, Mittwoch- und Donnerstagabend, jeweils um 20.15 Uhr.