Sonntagsfragen

Renan Demirkan: 'Zeitverträge sind ein menschenverachtendes System'

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Quotenmeter.de spricht mit «Dr. Klein»-Neuzugang Renan Demirkan über ihre „poetische Sendung“, den Sinn oder Unsinn von Presseinterviews und ihren Anreiz, Serien zu drehen.

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Wenn Sie sagen, dass Theater-Engagements und Seriendrehs für Sie bedeuten, eine „Familie auf Zeit“ zu erlangen, was sind dann Kino- und Fernsehfilme für Sie?
Einzelfilme sind für mich ein Ausnahmezustand. Für eine bestimmte Zeit betritt man da eine Enklave, und die Zeit dort ist besonders intensiv. Gerade für jemanden wie mich, der sonst viel Multitasking betreibt, ist es dann was ganz Besonderes, weil da in wenigen Wochen extrem konzentriert gearbeitet wird. Einzelfilme sind auch daher ein Ausnahmezustand, gerade in psychosozialer Hinsicht, weil der Abschied genauso kalt ist, wie die Arbeitsphase einnehmend. Da weiß man: Wenn die letzte Klappe fällt, war es das. Da entsteht ein riesiges Loch im Herzen.

Zeitverträge sind ein menschenverachtendes System, aber leider Gottes sind sie unser Schicksal. Besonders in der Kunst, wo die einzige Kontinuität in deiner eigenen Person gegeben ist.
Renan Demirkan
Sind demnach Einzelfilme für Sie die härteste Aufgabe in Ihrem Beruf?
Sie sind auf jeden Fall eine Variation dessen, was hart in meinem Beruf ist. Zeitverträge sind ein menschenverachtendes System, aber leider Gottes sind sie unser Schicksal. Besonders in der Kunst, wo die einzige Kontinuität in deiner eigenen Person gegeben ist. Man muss für sich brennen, oder ein Ziel haben, oder etwas so intensiv mit diesem Beruf verbinden, um das auszuhalten. Für mich ist das nie eine Berufung gewesen, sondern die einzige Möglichkeit, um mich in der Welt zu bewegen. In Texten zu leben, ob ich sie schreibe oder spiele, ist für mich ein Bekenntnis. Und daher ist es für mich immer ein Verlust, wenn die Arbeit endet – erst recht, weil ich vom Wesen her so ein treuer Mensch bin und daher Abschiede schwernehme. Doch das, worauf Sie hinauswollen, stimmt durchaus: Für mich, ganz persönlich, ist die intensive Zusammenarbeit beim Film das, was zu den härtesten Abschieden in meinem Beruf führt.

Es ist eine poetische Sendung, wie ein inspirierendes Kalenderblatt. Sie wirft moralische Fragen auf, denen wir uns in unserem Alltag andauernd stellen müssen, aber sie macht es so unterhaltsam, dass es Antrieb gibt, statt niederschmetternd zu sein.
Renan Demirkan über «Dr. Klein»
Um wieder auf «Dr. Klein» zurückzukommen: Sie sagten ja, dass Sie wieder eine Serie drehen wollten, um das besagte „Familie auf Zeit“-Gefühl zu erlangen. Wieso haben Sie sich speziell für diese Serie entschieden? Als sehr leichtfüßige, unterhaltsam-herzliche Sendung sticht sie aus Ihrer üblichen Vita ja durchaus heraus …
Da haben Sie absolut Recht. Es ist so, dass ich «Dr. Klein» nicht gekannt habe, bevor ich für die neuen Folgen angefragt wurde. Generell schaue ich wenig Fernsehen, und besonders mit 45-minütigen Formaten, die am Nachmittag oder Vorabend weggesendet werden, tu ich mich schwer. Aber ich schwöre Ihnen: Als ich nach der Anfrage die komplette erste Staffel an einem Nachmittag durchgeguckt habe, habe ich mich gefragt: „Was habe ich da nur verpasst, und warum?“ Es ist eine poetische Sendung, wie ein inspirierendes Kalenderblatt. Sie wirft moralische Fragen auf, denen wir uns in unserem Alltag andauernd stellen müssen, aber sie macht es so unterhaltsam, dass es Antrieb gibt, statt niederschmetternd zu sein. Und was mir sehr gefällt: Die gesamte Belegschaft besteht aus Minderheiten, und niemand nimmt daran Anstoß. Ich kenne kein anderes Format in Deutschland, dass meiner Idealvorstellung der Zukunft so nahe kommt. Wir haben in «Dr. Klein» eine unglaublich schöne Lebenssymbiose, und daher wollte ich unbedingt Teil der neuen Staffel sein.

Spielten auch die gesundheitlich schweren Monate, die Sie durchstehen mussten, eine Rolle, dass Sie nun an einer so positiven Sendung mitwirken wollten?
Das war sicherlich unterbewusst auch ein Teil meiner Entscheidung. Aber viel wichtiger war mir, an einer Serie mitzuwirken, die so viele moralischen Aspekte anspricht, ohne den Anspruch zu erheben, im Alleingang die Welt zu verändern. Die Serie begnügt sich damit, einem für 45 Minuten das Gefühl zu geben, die Welt sei bereits dabei, sich zum Besseren zu wenden – und das ist so ein schönes, inspirierendes Vorhaben!

Sie meinten vorhin, dass jeder der drei Regisseure ganz anders gearbeitet hat. Wie hat sich dies denn geäußert?
Der erste Regisseur, Gero Weinreuter, ist ein Beobachter. Er hat mich dazu gebracht, dass ich dann ebenfalls ein strenges Auge auf mich geworfen habe. Wir haben zudem versucht, meine Figur langsam in die Serie hinein zu synchronisieren, sie zu einer Beobachterin des ihr noch fremden Umfelds zu machen, Die zweite Regisseurin, mit der wir gearbeitet haben, Käthe Niemeyer, hat mich zur Seite genommen und vor dem ersten Dreh mit mir beim Essen die Figur der Prof. Dr. Nevin Gül haarklein auseinandergenommen. Weil meine Rolle in der zweiten Staffel neu dazustößt, befand Käthe, dass wir sie von innen heraus aufbauen müssen, um ihr ein individuelles Standing zu geben. So hat sie in den mittleren vier Folgen ein eigenes Gesicht erhalten, nachdem sie sich in ihr Umfeld integriert hatte und somit nicht mehr fremd war. Die vier letzten Folgen, die Rainer Matsutani inszeniert hat, sahen dann so aus, dass wir an dem Bestehenden weiter gefeilt haben.

Ich bin kein Regie-Mensch. Daran habe ich nie Interesse gezeigt. Ich ziehe Arbeit vor, der ich mich nicht fragmentarisch nähern muss. Daher bin ich als Schauspielerin nicht die Einfachste. Ich will immer die Zusammenhänge begreifen.
Renan Demirkan
Haben Sie selber Ambitionen, zusätzlich zum Schauspielern und Schreiben auch die Tätigkeit des Regieführens hinzuzufügen?
Nein, keinesfalls! Ich bin kein Regie-Mensch. Daran habe ich nie Interesse gezeigt. Ich ziehe Arbeit vor, der ich mich nicht fragmentarisch nähern muss. Daher bin ich als Schauspielerin nicht die Einfachste. Ich will immer die Zusammenhänge begreifen. Und als Regisseurin muss man ja dagegen jedes noch so kleine Fragment einer Produktion beachten. Zudem reizt mich die Machtposition der Regie überhaupt nicht. Meinethalben könnte sich mein ganzer Beruf allein auf der Probebühne abspielen, die für mich einen unvergleichlichen Ort darstellt. Frei Dinge ausprobieren zu dürfen, finde ich wunderbar. Menschen zu sagen, was sie tun sollen, finde ich dagegen schrecklich.

Was ich viel lieber mache, ist es, eine Idee zu entwickeln, ein Programm zu schreiben, daraufhin die Leute mit an Bord zu holen, mit denen ich gerne zusammenarbeiten würde, und die auch mit mir arbeiten wollen, und dann im Team dieses Programm genauer zu erarbeiten. So wie es bei «Respekt» der Fall war, das im Kölner E-Werk in Kooperation mit 50 Leuten entstanden ist. Das war eine Form, bei der ich mit transdisziplinären Mitteln, wie Ballett, Musik, Sprache und Videoinstallationen, versucht habe, das Verbindende im Transkulturellen aufzuzeigen. Ich habe da als Erfinderin des Gedanken zwar sagen müssen: „So soll das sein!“, aber jeder hat in seinem Genre das getan, von dem er denkt, dass es den Ursprungsgedanken am besten widerspiegelt. Ich war keine Regisseurin, und habe nicht zu den Ballettkünstlerinnen gesagt: „Tanz so!“ Ich war die Ideengeberin und habe sie gefragt: „Wie tanzt du, um dieses und jenes auszudrücken?“ Das mache ich gerne. Regie führen, das werde ich tunlichst vermeiden!

Vielen herzlichen Dank für das interessante Gespräch!
«Dr. Klein» ist ab dem 2. Oktober immer freitags ab 19.25 Uhr im ZDF zu sehen.

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