Cast & Crew
- Idee: Noah Hawley
- Darsteller: Kirsten Dunst, Patrick Wilson, Jesse Plemons, Jean Smart, Ted Danson u.a.
- Regie (erste Folge): Michael Uppendahl, Randall Einhorn
- Ausf. Produzenten: Noah Hawley, Warren Littlefield, Joel und Ethan Coen, Adam Bernstein, Geyer Kosinski
- Musik: Jeff Russo
- Drehort: Calgary, Kanada
- Produktion: FX Prod., MGM Televison u.a.
Genau das tut «Fargo», zumindest in den ersten Minuten. Wir kennen die altbekannten Anfänge der schwarzhumorigen Krimireihe, sowohl aus dem Coen-Film als auch aus der ersten Staffel von 2014: schneebedeckte Landschaften, einsame Straßen, Autolichter, die die Dunkelheit durchschneiden. Ruhige Musik und ruhige Atmosphäre. Die zweite Staffel von «Fargo» beginnt ganz anders – man glaubt wortwörtlich, man sei im falschen Film: Gezeigt wird der Beginn des (fiktiven) Streifens «Das Massaker von Sioux Falls», schwarzweiß und mit brüllendem MGM-Löwen. Ein Dialog von Schauspieler und Requisiteur spielt sich ab, im Hintergrund das Schlachtfeld, dutzende Komparsen liegen auf dem Boden. „Muss ganz schön komisch für dich sein, hier auf dem echten Schlachtfeld von Sioux Fall zu stehen“, sagt der Requisiteur zum indianischen Schauspieler. Der antwortet trocken: „Keine Ahnung, ich komme aus New Jersey“. Und steckt sich ein paar Sekunden später eine Zigarette an. Eine großartige Szene.
- © FX Networks
Kirsten Dunst und Jesse Plemons in der zweiten Staffel «Fargo».
Es ist eine weitere dieser „wahren Geschichten“, auf die uns «Fargo» mitnimmt, diesmal im Jahr 1979. Das verrückte Schwarzweiß-Vorgeplänkel soll vorbereiten auf das, was kommt. Der Ort des Geschehens ist nämlich Sioux Falls, und will man das Film-Intro interpretieren, so könnte man glauben: Ein neues Massaker bahnt sich an. Tatsächlich steigt der body count in Folge eins ganz schön hoch, höher als von «Fargo» gewohnt. Langweilig wird es nicht, ganz im Gegenteil konterkariert die Premierenfolge hier das, was die Marke sonst auszeichnet: Wieder führt ein Ereignis zum Anderen, aber in den ersten 20 Minuten in einer fast atemlosen Schnelligkeit, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Dreifacher Mord, ein Schlaganfall mit Folgen, eine Ufo-Sichtung und eine tödliche Fahrerflucht gehören zum Angebot.
Abgesehen vom schnelleren pacing und den zahlreichen frühen Morden bleibt sich die Serie treu: Es gibt viel, viel Schnee und viel, viel Blut, das im Schnee versickert. Es gibt Rivalitäten und es gibt Menschen, die unbeabsichtigt in diese Rivalitäten hineingeraten. Anders ausgedrückt: „Diesen Mord wollte ich nicht“ ist auch diesmal das Motto. «Fargo» steht wieder einmal für die Verkettung unglücklicher Zufälle.
Der erste Mord ist noch geplant, noch rational erklärbar: Rye Gerhardt, der dümmste Bruder der kriminellen Gerhardt-Familie, will eine Richterin erpressen. Es geht um einen Deal mit elektrischen Schreibmaschinen, die Richterin soll das eingefrorene Konto des Mittelsmanns wieder zugänglich machen. Rye folgt ihr zu einem abgelegenen Diner. Doch die Frau lässt sich nicht einschüchtern: „Junge, du hast drei Sekunden, deinen Arsch hier rauszubewegen oder ich zerschmettere dich wie einen Käfer.“ Dann folgt der erste Mord im Waffle Hut Diner, einige weitere kommen dazu, und ein paar Minuten später findet sich Rye halbtot in der Frontscheibe eines Autos wieder, das ihn auf offener Straße überfahren hat.
Die Fahrerin des Autos, Peggy Blomquist (gespielt von Kirsten Dunst), wird durch einen dummen Zufall zur Mittäterin. Eine Frau, die doch eigentlich nur Gutes tut. Ein Charakter voller Barmherzigkeit und Treue eben, so wie alle Frauen, die Peggy heißen. Später sieht man sie mit ihrem Mann zusammen beten, nachdem das Abendessen aufgetischt wurde. Peggy ist das weibliche Pendant zu Lester Nygaard aus Staffel eins, auch wenn ihr Ehemann – soviel sei vorweggenommen – am Leben bleibt. Dafür hat es den anderen erwischt, Rye. Die Blomquists können nur hoffen, dass niemand herausfindet, was in dieser Nacht von 1979 geschehen ist: Selbstredend sind Ryes Brüder vom Gerhardt-Verbrechersyndikat auf Rache aus. Und dann ist da noch die rivalisierende Gang aus dem Süden, von der man in Folge eins kaum etwas mitbekommt. Man erahnt nur: Die Gerhardts und die Südstaatler, das wird blutig enden. Ein Massaker bahnt sich eben an...
Es ist alles da, wofür wir «Fargo» lieben: Dumme Handlungen von dummen Verbrechern; die gewöhnlichen 9-to-5-Bürger, die unverhofft zu Mittätern werden; zwielichtige Gestalten im Hintergrund; viel Schnee. Es gibt diesen wunderbaren Soundtrack und tolle Kameraeinstellungen, auch experimentiert man mit Splitscreens, um Handlungen parallel zu erzählen – ein hervorragendes Stilmittel für diese Serie. Schauspielerisch erleben wir höchstes Niveau, nicht nur von Kirsten Dunst, die die schwarze Seele ihrer Figur toll porträtiert. Sondern auch von Patrick Wilson, dem Polizisten, der die Mordfälle untersucht. Aber vor allem von Cristin Milioti, die seine an Krebs erkrankte Ehefrau spielt und die man sofort ins Herz schließt.
«Fargo» vereinnahmt uns sofort, auch in dieser zweiten Staffel. Ein paar Sachen – genügende – macht man neu, vieles bleibt beim Bekannten, in der genau richtigen Mischung. Es ist das überraschende Element, das mehr als früher bei «Fargo» zum Tragen kommt und das uns gebannt hinschauen lässt, was als nächstes passiert. Die Story um zwei rivalisierende Verbrecherbanden, eine unschuldig-schuldige Familie und den Polizisten mit seiner krebskranken Ehefrau ist komplex, aber nicht überfrachtet. Und sie bietet immens viele Anknüpfungspunkte, um uns eine ganze Weile bei Laune zu halten. Auch 2015 ist «Fargo» ein Muss für Serienfans.