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Die Rede ist von Kriminal-Dokus, die echte Verbrechen und Ermittlungen aufarbeiten. Natürlich ist das Genre selbst alles andere als neu, in den vergangenen Jahren befasste sich etwa Das Erste mit dieser Thematik in «Die großen Kriminalfälle», während sich Sat.1 beispielsweise 2013 an «ErmittlungsAKTE» versuchte. Beide Formate waren beim Publikum jedoch nicht gerade gefragt.
Dass reale Fälle aber sehr wohl das Potenzial haben, den Zuschauer für sich einzunehmen, zeigt besonders eine Sendung, die nun schon seit 1967 ihre Zuschauer in Atem hält: «Aktenzeichen XY…ungelöst» generiert beim Gesamtpublikum auch heute noch Werte nahe der 20 Prozent und schneidet obendrein beim jungen Publikum stets ausgezeichnet ab. Der besondere Reiz der ZDF-Reihe: Anders als viele andere Crime-Dokus beschäftigt sich «Aktenzeichen XY… ungelöst», wie der Titel schon verrät, ausschließlich mit ungelösten Fällen und ruft explizit zur Mithilfe der Zuschauer auf. Mit diesem Konzept schafft es die Sendung auch noch nach knapp 50 Jahren die Marktführerschaft an Mittwochabenden zu ergattern.
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«Die spektakulärsten Kriminalfälle» startete nämlich zu einer Zeit, als der kabel eins-Sonntag quotentechnisch am Boden lag. Das «K1 Magazin» und Spielfilmausstrahlungen hatten in den Monaten zuvor stets schwache Werte eingefahren. Zwar riss in der Gesamtbetrachtung auch die Crime-Doku verglichen mit dem kabel eins-Senderschnitt keine Bäume aus, dennoch sanierte sie den kriselnden Sonntagabend beim Münchner Sender mit Episoden, die drei Mal sogar mit über sieben Prozent beim jungen Publikum abschnitten.
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Bei «Medical Detectives» liegt der Fokus vor allem auf wissenschaftlichen Methoden zur Verbrechensaufklärung, darunter Ballistik, forensische Psychologie, Toxikologie, Odontologie oder Serologie. Experten klären die Zuschauer dann über die teilweise sehr komplexen Vorgänge auf. Die Fälle, die in «Autopsie – Mysteriöse Todesfälle» behandelt werden, fanden meist vor größeren Entwicklungen im Bereich der Forensik statt, können nun aber dank neuer wissenschaftlicher Errungenschaften gelöst werden. Die in Deutschland produzierte Serie, welche sich vor allem Verbrechen aus den USA und Kanada widmet, konzentriert sich mitunter darauf, Originalmaterial von früher mit nachgestellten und im Nachhinein kommentierten Szenen zu verknüpfen, um so einen nahtloseren Spannungsbogen zu schaffen.
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Die jüngeren Erfolge der Crime-Dokus haben das Interesse deutscher Sender wieder etwas geweckt. Noch übt man sich allerdings in Vorsicht. Zuletzt kündigte kabel eins «Das Böse im Blick – Augenzeuge Kamera» an - eine kanadische Krimi-Doku-Reihe, die mit Originalaufnahmen von Überwachungskameras sowie mit nachgestellten Szenen arbeitet. Der ursprüngliche Premierentermin am 23. Oktober wurde zwar vom Sender mittlerweile wieder abgesagt, was jedoch nicht bedeutet, dass das Format nicht an anderer Stelle zur Ausstrahlung kommt.
RTL wurde schnell aufmerksam auf die Erfolge von Crime-Dokus innerhalb der Sendergruppe und bestellte im Juli 2015 acht neue Folgen von «Anwälte der Toten». Die Sendung, deren Fälle anhand der damaligen Fallakten, der daran ermittelnden Polizeibeamten, Gerichtsmedizinern und Angehörigen der Opfer vorgestellt werden, liefen bereits seit 1999 auf RTL, VOX, RTL Nitro und RTL Crime. Aktuell wiederholt RTL alte Episoden am Donnerstagabend in Doppelfolgen. Nur eine der bislang im Jahr 2015 gezeigten 16 Ausgaben erreichte den RTL-Senderschnitt.
Unsere Meinung zu «stern Crime»
"Wodurch sich das Format von den ebenfalls bei der RTL-Gruppe ausgestrahlten etablierten Kriminal-Dokus unterscheidet, ist wohl am ehesten mit dem Wort "Themenvielfalt" zu benennen. Statt des recht statischen Aufbaus, mehrere spektakuläre Kriminalfälle aneinanderzureihen, versucht man sich daran, übergeordnete Themenschwerpunkte zu finden - und überdies nicht starr an der Aufklärung eines bestimmten Falles zu kleben."Zur gesamten TV-Kritik geht es hier.
Manuel Nunez Sanchez , Quotenmeter.de
Nach diesen zaghaften neuen Vorstößen sieht das Fazit neuer Genre-Ableger also nicht gerade rosig aus. Insbesondere «stern crime» zeigt aber, wie man Crime-Dokus auf ansprechende Art und Weise in die Gegenwart übersetzen kann, während Sendungen wie «Medical Detectives» und «Autopsie» mittlerweile schon deutlich Staub angesetzt haben. Diese sehr informative Herangehensweise verzichtet auf reißerische Bilder, kam allerdings zuletzt auch beim Publikum schlechter an als die alteingesessenen Formate. Ist der Crime-Doku-Hype also schon wieder vorbei, bevor er richtig angefangen hat?