Cast & Crew
Vor der Kamera:Marlene Morreis («Schwarzach 23») als Anette, Victoria Trauttmansdorff («Gegenüber») als Susann, Thomas Niehaus als Oliver, Anton Pampushnyy als Marc, Katja Danowski («Herr Lehmann») als Vera, Samuel Weiss als Michael, Ole Fischer als Jens
Hinter den Kulissen:
Regie: Esther Bialas (Folgen 1 und 4), Nathan Nill (Folgen 2 und 3), Buch: Lena Krumkamp, Musik: Nina Müller und Max Schneider, Kamera: Peter Drittenpreis, Schnitt: Ulf Albert und Jan Ruschke, Produktion: Tamtam Film
Bei den Charakteren darf der Zuschauer viel mehr selbst die sexuellen Probleme miterleben: Ob mangelnde Empathie aufgrund von Asperger-Syndrom oder schlichtem Alltagstrott, die Schwierigkeiten sind vielfältig, die Fantasien ebenfalls. In der ersten Episode geht es um Frotteur Jens, der am liebsten im öffentlichen Nahverkehr seiner Vorliebe nachgeht, fremde Damen zu berühren. Dass auch solcherlei spezielle Neigungen im Mittelpunkt der Produktion stehen ist ein schwieriges Unterfangen, zumal in einer Comedy die kritische Einordnung naturgemäß leiden muss. Die Serie allerdings geht damit optimal um: Einerseits nämlich wird die Figur Jens immer wieder in absurde Situationen gebracht, die zwar nicht immer brutal lustig aber doch meist amüsant sind. Auf der anderen Seite findet eben im Rahmen der Möglichkeiten doch auch eine Problematisierung statt, was auch der Therapiesituation zu verdanken ist.
Witze? Nein, aber Brüste.
Anders als es sich für eine Comedy-Reihe gehören würde, gibt es für den Zuschauer in den ersten zehn Minuten der Auftaktfolge zwar nicht wirklich etwas zu lachen, dafür muss er keine 90 Sekunden warten, bis es die ersten Brüste zu sehen gibt. Toll, eine nackte Hauptdarstellerin! Immerhin: Weil sie ständig nießen muss, klappt das mit dem Morgensex von Anette und ihrem Freund Oliver nicht wirklich. Das ist zwar nicht lustig, zeigt aber gleich die Marschrichtung: Sexualität soll in der Reihe nicht klinisch rein sein, nicht perfekt. Sie ist viel mehr menschlich, realitätsnah. Am mangelnden Tempo, vor allem zu Anfang, ändert das nichts. «Bis einer kommt» lautete der Arbeitstitel der Serie, den man glücklicherweise nicht beibehalten hat. Langsamer als die Protagonisten kommen aber sowieso die großen Pointen.
Doch es gibt andere Dinge, mit denen «Komm Schon!» punkten kann. Nicht nur mit dem starken Intro, in dem die Personen in Zeitlupe abgefahren und dabei gleich noch kurz charakterisiert werden. Auch mit sympathisch-ehrlichen Darstellern und verschrobenen Figuren. Und mit spitzen Dialogen, die vor allem in den späteren Folgen noch an Stärke gewinnen. Zum Beispiel wenn Anette ihrem Freund erklärt, warum ihre Mutter nicht da ist („Die kommt gleich nach, die bedrängt noch gerade einen jungen Mann bei der Körpertherapie“). Dem zu Gunsten hätten sich die Autoren jedoch so manchen Kalauer sparen dürfen: Das Schild vor Anettes Praxis so abzukleben, dass nur noch das Wort „Sex“ zu lesen ist, ist so nötig wie ein Biofleisch-Burger in einer Fast-Food-Kette. Doch manches Mal sitzen die Witze dann eben doch. So spricht Frotteur Jens über seine Flirttaktik und meint, dass es doch ungünstig wäre, wenn er einer Dame nach der unsittlichen Berührung erklärt, was gerade passiert ist: „So im Nachhinein: Jetzt rate mal was das ist – das ist ja auch irgendwie nicht das Richtige.“
Zunächst einmal vier Folgen hat die Serie bekommen. Insgesamt gibt es somit knapp 100 Minuten zu sehen. Dass das kaum reichen kann, um die Geschichten von insgesamt neun Personen auszubreiten ist logisch. Fast am intensivsten bekommt man noch die Story um Frotteur Jens zu sehen. Anettes Mutter hat zwar verhältnismäßig viel Screen Time, von ihrer eigentlichen Geschichte erfährt man aber noch wenig. Den Trott von Anette und Oliver (der in einem vorhersehbaren Fehltritt von Oliver endet) bekommt der Zuschauer zumindest in Ansätzen mit.
Und die anderen?
Die Stories der anderen beiden Pärchen sowie vom Körpertherapeuten werden jedoch tatsächlich nur angerissen. Wäre aber nun nach vier Folgen Schluss, dann ist das für den Zuschauer unweigerlich unbefriedigend. Insofern ist zumindest die Frage berechtigt, ob es nicht sinnstiftender gewesen wäre, auf einige Figuren zu verzichten, um andere tiefer gehend zu charakterisieren. Das wäre auch kein Problem gewesen, da neue Personen jederzeit glaubhaft als Patienten hinzukommen können. Dafür hätte es aber wohl eine Stringenz gebraucht, die auch in anderen Momenten häufig nicht vorhanden war: Einzelne Aspekte wie eine defekte Heizung werden beispielsweise nicht bis zum Ende verfolgt, irgendwann ist das Problem hier einfach gelöst.
Hochkultur ist «Komm Schon!» also nicht. Das ist freilich auch nicht die Intention der Produzenten. Tatsächlich aber schafft es die Produktion mit liebevollen Charakteren und starken Darstellern aufzutrumpfen. Handlungstechnisch gibt es zwar einige Schwächen, aber auch hier überwiegen letztlich die positiven Punkte: Als Dramedy im Stile eines in eine andere Branche versetzten «Scrubs» jedenfalls bieten sich tolle Ansätze. Wenn nun noch mehr Zeit zum Kennenlernen bleiben würde, dann bekommt der Zuschauer wahrlich eine sehr gute deutsche Serie zu sehen. Also bitte, liebes ZDF: Gebt der Serie mehr Folgen. Kommt schon!
Vier Folgen «Komm Schon!» gibt es ab 5. November jeweils donnerstags um 23 Uhr bei ZDFneo zu sehen. Das ZDF zeigt am Montag, 30. November ab 0.05 Uhr alle Episoden noch einmal am Stück.