Unsere Interviewpartner
Steve Windolf begann beim Theater. Von 2007 bis 2011 ermittelte er als Kommissar Daniel Winter in der ZDF-Serie «SOKO Köln» und später auch bei «Polizeiruf 110 Magdeburg». Bei RTL spielte der heute 33-Jährige in «Doc meets Dorf» eine der Hauptrollen.Picco von Groote wurde 2009 als beste Nachwuchsschauspielerin des Staatstheaters Hannover ausgezeichnet, wo sie vier Jahre Ensemblemitglied war. Ihr Kinodebüt gab sie 2012 in Hans-Christian Schmids Drama «Was bleibt» an der Seite von Corinna Harfouch und Lars Eidinger. Zuletzt stand die gebürtige Kölnerin im ZDF-Fernsehfilm «Der Mann ohne Schatten» an der Seite von Jan Josef Liefers vor der Kamera.
Steve Windolf: Nein, wir sind uns erst beim Casting begegnet.
«Starfighter»-Produzent Michael Souvignier sagte: „Der Film fängt an wie der Actionfilm «Top Gun» und endet wie das Gerichtsdrama «Erin Brockovich»“…
Picco von Groote: Da ist etwas dran. Diesen Vergleich habe ich auch von Zuschauern schon gehört, die sich den Trailer angeschaut haben. Es geht in dem Film zunächst um eine große Liebesgeschichte – so startet es zumindest für mich als Figur der Betty. Es ist zudem ein Pilotenfilm mit großen Gefühlen – aber auch nicht so schönen Dingen rund um den «Starfighter»-Skandal. Darin entwickelt sich die junge Betty in eine kämpfende Frau mit einer wahnsinnigen Stärke und Kraft.
Wie waren die gemeinsamen Dreharbeiten?
Steve: Es war einfach nur schrecklich – vor allem mit Picco (lacht). Wenn Picco von Groote da war, wollte ich nicht ans Set…
Picco: …ich habe ihn fertig gemacht! (lacht)
Steve: Ja, ich hatte da keine Chance! Auch küssen mit ihr, das was so bäh! (lacht)
Picco: Ja, da nimmt man doch vorher immer schön einen Schluck Buttermilch! (lacht)
Steve: Quatsch! Die Dreharbeiten waren natürlich schön, wie man im Ergebnis auch sieht, finde ich.
Picco: Ja, es war super toll. Das Team war sowieso der absolute Hammer! Kostüm, Make-up, Ausstattung - wenn ich mir den Film anschaue, geht mir das Herz auf. So war das auch bei den Dreharbeiten. Ich bin jeden Tag ans Set gegangen und habe mich auf die Kollegen gefreut. Das sind wundervolle Menschen, mit denen ich gerne Zeit verbringe und so gerne gearbeitet habe. Wir haben insgesamt acht Wochen gedreht und die Arbeit mit denen war ein riesengroßes Geschenk.
Wo haben Sie gedreht?
Picco: Wir haben eine Reise quer durch die Republik gemacht. Wir waren in Tempelhof in Berlin, in Köln, in Hopsten, in Bayern oder auch in Rheindahlen – das war ein Britischer Militärstützpunkt in der Nähe von Mönchengladbach. Wir waren für die Dreharbeiten viel unterwegs.
Im Film geht es auch um Helden und Gerechtigkeit. Wer sind für Sie Helden und welche Rolle spielt Gerechtigkeit in Ihrem Alltag?
Picco: Was mich auf die Palme bringt? Tatsächlich Ungerechtigkeit! (lacht) Mit Ungerechtigkeit kann ich tatsächlich schwer umgehen. Wenn ich das Gefühl habe, irgendwas ist ungerechtfertigt, werde ich bissig. Die harten Jungs in dem Film sind natürlich Helden. Aber für mich sind auch die Witwen, die den Skandal aufdecken und für ihr Recht eintreten, Helden. Was die da auf die Beine stellen, macht sie für mich zu den wahren Helden.
Steve: Helden sind die, die für andere einstehen. Nicht die harten Jungs, die damals das modernste und teuerste Kampfgerät flogen. Sondern die Jungs, die vor allem alles dafür taten, sich gegenseitig zu schützen, um nicht damit abzustürzen. Nicht das Können selber, sondern wie Du Dein Können einsetzt, macht Dich zum Helden. Dass Harry seinen Beruf für Betty sogar aufgegeben will, ist in meinen Augen das absolut heldenhafteste. Zum Thema Gerechtigkeit finde ich es immer wieder erschreckend, welche unterschiedliche Auffassung die Menschen von Gerechtigkeit haben. Die, die wir für ungerecht halten, handeln in ihrem Verständnis gerecht. Ich denke, wenn wir es schaffen könnten, diese Missverständnisse zu überwinden und ein tatsächlich einheitliches Bild von Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit zu schaffen, dann würde uns das viele Kriege ersparen. Die Hoffnung stirbt zuletzt…
- © RTL/ Wolfgang Ennenbach
Oberleutnant Rampel (Jan Messutat, l.) und Harry (Steve Windolf) geraten immer wieder aneinander.
Event-Filme mit historischem Hintergrund scheinen im deutschen Fernsehen gerade Trend zu sein…
Picco: Das ist mir auch schon aufgefallen, aber es sind auch interessante Stoffe. Ich kann die Sehnsucht und das Verlangen der Zuschauer nachvollziehen. Es ist eine zeitgemäße Art, sich zu informieren, wenn man sich zwei Stunden einen Film anschaut und sich auf ein Thema einlässt. Man kann dann natürlich nicht sagen, das ist alles exakt so gewesen. Aber man bekommt schon ein Gefühl dafür, wie es zu dieser Zeit gewesen sein kann.
Also überspitzt formuliert fast ein Hauch von Bildungsfernsehen…?
Picco: Ja! (lacht) Unsere Generation weiß mit dem „Starfighter-Skandal“ nicht mehr viel anzufangen. Ähnlich wie die „Spiegel-Affäre“ ist das inzwischen deutsche Geschichte. Wenn man dann fragt: Was ist das? Dann hört man vielleicht noch: Das war ein Kampfflugzeug. Aber die, die ca. zehn, zwölf Jahre älter sind als wir, sagen alle: Natürlich weiß ich, was damals passierte. Ich finde es wichtig, dass man versucht, dieses historische Thema dem Publikum nahe zu bringen. Das ist Teil der Vergangenheit. Wenn sich die Leute das anschauen und sich so damit auseinandersetzen, umso besser! Aus der Geschichte lernen - Wenn man sich die aktuelle Diskussion um die Ausstattung der Bundeswehr anschaut, kann man da vielleicht etwas lernen.
Steve: Ja, ich habe auch das Gefühl, dass im Moment viel rauskommt, was mit historischen Hintergrund zu tun hat. Ich finde es aber super, weil das Themen sind, die bewegen und Relevanz haben und lange genug nicht beachtet wurden. Insofern kann man gar nicht genug aufarbeiten. Ich bin sicher, da gibt es noch viele spannende Geschichten zu erzählen.
Der Film spielt in den 60ern, in denen Sie beide noch nicht geboren waren. Inwieweit haben Sie sich auf den Dreh vorbereitet?
Steve: Das Drehbuch, das Set, die Kostüme und die Kollegen helfen einem sich in diese Zeit zu versetzen. Da die 60er Jahre ja nicht ganz so weit weg sind, mussten wir keinen bestimmten Habitus oder eine andere Art des Sprechens erlernen. Lediglich auf ein paar bestimmte Wörter mussten wir achten, wie zum Beispiel das kleine Wort „okay“, das tatsächlich noch nicht so verbreitet war, wie heute.
Picco: Wobei sich das Frauenbild im Vergleich zu heute schon verändert hat…
Steve: Ja, aber Du bist ja eine sehr moderne Frau…
Picco: Die Rolle der Betty meinst Du?
Steve: Ja, genau – Picco natürlich auch… (lacht) Die Betty in «Starfighter» ist nicht das typische Frauenbild von damals: Die Frau, die nur hinterm Kochtopf steht. Ich finde, Du verkörperst eine sehr moderne Version der Frau der 60er. Eine Frau, die für ihr Gerechtigkeitsgefühl kämpft und sich auflehnt gegen die von Männern dominierte „Weltordnung“. Insofern kündigt Betty das an, was sich in den 70ern gesellschaftlich durchsetzen wird.
Die Charaktere sind zwar erfunden, der Film beruht aber auf wahren Begebenheiten, sodass «Starfighter»-Betroffene wohl Ähnliches durchmachten. Welche Rolle spielt das?
Picco: Das Publikum soll bestenfalls etwas erfahren und begreifen, was diese Menschen durchgemacht haben. Ich finde es immer ganz wichtig, dass man darauf achtet, dass es Menschen gibt, die diese Geschichte wirklich erlebt haben. Daher muss man die Geschichte mit Würde behandeln und mit Achtung vor den Betroffenen. Diese Menschen sollen also nicht bloß gestellt werden. Andere Frauen haben das tatsächlich erlebt, mit zwei oder drei Kindern ihren Mann zu verlieren. Die sind jung, haben aber nicht studiert und sind dann angewiesen auf die sogenannte „Witwenrente“. Das ist tatsächlich so gewesen, dass die Witwen Angst hatten, dass denen Geld gestrichen wird, wenn die ihre kritische Meinung äußern und klagen. Es ist auch für mich als Schauspielerin viel bewegender und eine andere Verantwortung als wenn man etwas spielt, das komplett ausgedacht ist und nicht auf wahren Begebenheiten beruht.
Gab oder gibt es Kontakt zu den Hinterbliebenen dieser «Starfighter»-Opfer?
Steve: Leider nein. Wir hatten aber einen Berater an unserer Seite, der tatsächlich in den 60ern den Starfighter geflogen ist und glücklicherweise nicht abgestürzt ist. Herr Pöppelmann ist quasi der echte Harry Schäfer. Ein wahnsinnig rührender Mensch, der noch heute voller Leidenschaften von der F-104 und den ganzen Abenteuern erzählt. Das ganze Set hing an seinen Lippen. Einmal habe ich ihn beobachtet wie er ganz andächtig bei einem der Starfighter stand und Tränen in den Augen hatte. Ich glaube für ihn waren die Dreharbeiten nochmal ein Nachempfinden seiner Zeit mit dem Starfighter und ein zweiter Abschied von seiner großen Liebe.
In dem Film geben die Behörden der Öffentlichkeit oder Presse kaum Informationen preis. Zuletzt stand die Bundeswehr – zum Glück nicht in dieser tödlichen Dimension – wieder in den Schlagzeilen rund um die Eurofighter-Probleme…
Steve: Um mir da ein Urteil zu bilden, kenne mich zu wenig aus. Während unserer Dreharbeiten kam es aber tatsächlich zu einem Vorfall. Es gab wohl einen Unfall mit einer gecharterten Maschine, die heute tatsächlich für Übungszwecke angefragt werden. Zwei Piloten kamen ums Leben, was aber genau passiert ist, weiß man nicht. Das schweigt man sich gerne aus. Militärisches Geheimnis. Nach drei bis vier Tagen interessiert es dann außer den Angehörigen meist niemanden mehr und das Thema ist vom Tisch. Ganz genauso wie vor 50 Jahren. Jetzt bräuchte es wieder eine tapfere Witwe...
Von der RTL-Serie «Doc meets Dorf» wird es nach den durchwachsenen Quoten vorerst keine neue Staffel geben – oder gibt es da Neuigkeiten?
Steve: Leider nein, Das ist natürlich schade für die Fans. Wir hatten eine wahnsinnig große Fangemeinde, die voller Begeisterung bei jeder Folge dabei war und sich so sehr eine zweite Staffel gewünscht hätte. Es sollte sogar eine kleine Demo vor dem RTL-Haupthaus geben. Ich kann an dieser Stelle nur nochmal meinen Dank an alle ausdrücken, die mit so viel Leidenschaft bei «Doc meets Dorf» dabei waren.
Vielen Dank für das Gespräch, Picco von Groote und Steve Windolf.