Die Kritiker

«The Fall - Tod in Belfast»

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Die europäische Antwort auf «Hannibal»: In «The Fall - Tod in Belfast» nimmt es «Akte X»-Star Gillian Anderson mit einem Familienvater auf, der bei Nacht Frauen ermordet und tagsüber als Therapeut arbeitet.

Cast & Crew

  • Serienschöpfer: Allan Cubitt
  • Genre: Thriller/Drama
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 60 Min.
  • Staffeln: 2+
  • Episoden: 11+
  • Kamera: Ruairí O'Brien
  • Musik: Keefus Ciancia, David Holmes
  • Buch: Allan Cubitt
  • Regie: Allan Cubitt, Jakob Verbruggen
  • Schauspieler: Gillian Anderson, Jamie Dornan, Bronagh Waugh, Ben Peel, Niamh McGrady, John Lynch, Archie Panjabi, Laura Donnelly, Michael McElhatton
  • OT: The Fall (UK 2013)
Stand: November 2015
Stella (Gillian Anderson), die zur Klärung eines Mordfalls eigens vom Metropolitan Police Service in London nach Belfast berufen wurde, soll in Zusammenarbeit mit den lokalen Detecives einen Serienkiller fassen. Dies entpuppt sich jedoch als knifflige Angelegenheit. Bei dem Gesuchten handelt es sich um Paul Spector (Jamie Dornan), der als Familientherapeut ein ganz normales Leben führt und sogar selbst eine Familie hat. Zusammen mit seiner Frau Sally Ann (Bronagh Waugh) und seinen zwei Kindern führt er ein scheinbar glückliches Leben. Trotzdem wird er von einer düsteren Obsession geplagt, die ihn dazu treibt, Frauen umzubringen, die einander ähnlich sehen. Als Stella sich in den Fall einarbeitet, muss sie darüber hinaus feststellen, dass auch die Anwältin Sarah Kay (Laura Donelly) eine erschreckende Faszination für das serielle Töten hinter ihrer bürgerlichen Fassade verbirgt. Außerdem entdeckt sie Parallelen zu einem früheren Mord. Ihr Jagdinstinkt ist geweckt.

Bereits von der ersten Folge an ist der Zuschauer in einer besonderen Lage: Noch bevor er überhaupt mit den Belangen der Kommissare, insbesondere jenen von Ermittlerin Stella konfrontiert wird, macht er Bekanntschaft mit Paul Spector. «The Fall» beginnt mit einer minutenlangen Szenenmontage, die vollständig ohne Dialog auskommt. Man beobachtet Stella, die sich für ihre Reise nach Belfast bereit macht und verfolgt im steten Wechsel die Schritte des Psychopathen, der sich, so lässt sich alsbald vermuten, an einem Tatort befindet. Die Szenerie ist also klar vorgegeben: Bei «The Fall» handelt es sich nicht um eine klassische „Whodoneit“-Serie, denn wer es getan hat, das wissen wir von Anfang an. Es geht vielmehr um ein Katz-und-Maus-Spiel, das sich in brutalen Einzelszenen entlädt und sich zum Großteil auf die akribische Ermittlungsarbeit konzentriert, mit welcher sich die von «Akte X»-Star Gillian Anderson fesselnd-kühl verkörperte Protagonistin an die Fersen von Jamie ‘Christian Grey‘ Dornan begibt. Das Besondere an dieser Konstellation ist die Zeichnung des Bösewichts. Die Lebensweise des nihilistischen Paul Spector steht in einem krassen Kontrast zu den finsteren Gelüsten, denen der Therapeut und Familienvater bei Dunkelheit nachgeht. So wohnt auch den Momenten von ihm und seiner vierköpfigen Familie stets etwas Bedrohliches inne, da sich zunächst schwer abschätzen lässt, wie weit Spector für seine Triebbefriedigung gehen wird. Nicht umsonst befasst sich einer der ersten gesprochenen Dialoge in «The Fall» mit der Frage, was der Unterschied zwischen Gelüsten und Bedürfnissen.

Inszenatorisch kommt «The Fall» in jeder Hinsicht aus einer Hand. Allan Cubitt («Anna Karenina», «Murphy’s Law») schrieb nicht nur die Drehbücher, sondern nahm auch auf dem Regiestuhl Platz und übernahm die Rolle des ausführenden Produzenten. Das merkt man. Die pro Staffel (bislang insgesamt zwei an der Zahl, eine dritte wurde bereits bestätigt) acht Episoden umfassende Serie besitzt einen solch komplexen Spannungsaufbau, dass die Verteilung auf mehrere Regisseure entgegen der Dramaturgie arbeiten würde. «The Fall» macht einen durch und durch runden Eindruck und arbeitet zur Spannungssteigerung mit fiesen Cliffhangern, die das Format entgegen jedweder Effekthascherei zu einem echten Adrenalinpeitscher machen.

Dabei steht jedoch weder die Auflösung des Falles im Mittelpunkt, noch die zur Schau Stellung blutrünstiger Morde. Das Skript, einhergehend mit der Charakterzeichnung von Pro- und Antagonist, arbeitet die Abgründe der menschlichen Seele heraus, indem es schon bei der visuellen Gestaltung nicht auf die typischen Crime-Versatzstücke zurückgreift. Der smarte Jamie Dornan, der «The Fall» zeitlich vor seinem Kino-Durchbruch mit der Erotik-Schmonzette «Fifty Shades of Grey» abdrehte und hier auch beweist, weshalb er trotz seines Faux Pas in jener Buchverfilmung als guter Schauspieler angesehen werden kann, ist kein typischer Vertreter eines TV-Mörders. Niemand käme auf die Idee, bei seinem Anblick die Straßenseite zu wechseln – im Gegenteil. Auch seine Interaktion mit Frau und Kindern ist liebevoll. Trotzdem wohnt ihm etwas Bedrohliches inne, was sich jedoch erst offenbart, wenn man seine Hintergrundgeschichte kennt.

Als besonders gewitzt erweisen sich jene Momente, die ihn bei seiner Arbeit als Psychotherapeut zeigen. Während er vordergründig auf die Bedürfnisse seiner Patienten eingeht, zeichnet er still und heimlich Nacktbilder seines Gegenübers in die Ecke seiner Notizzettel. Die Drehbücher schaffen es hervorragend, mit dem schönen Schein seiner selbst zu spielen. Dadurch ergibt sich nicht bloß eine unberechenbare Ausgangslage, sondern auch ein breites Spektrum emotionaler Involvierung von Seiten des Zuschauers. Trotz des Wissens um die brutalen Taten des Antagonisten ertappt man sich bei dem Gedanken, dem charmanten Träger eines Dreitagebartes jene Brutalität nicht zutrauen zu wollen. Manches Mal begibt man sich gar gedanklich an seine Seite, fiebert mehr mit ihm mit anstatt mit den Polizisten. Das ergibt jedoch zugleich auch einen kleinen und vielleicht sogar den einzigen Makel an «The Fall», denn trotz einer mitreißenden Leistung von Gillian Anderson (wir freuen uns schon jetzt auf das Wiedersehen in dem in Kürze startenden Serienspecials von «Akte X»!) lässt es sich aufgrund ihrer unnahbaren Art nur schwer mit ihr sympathisieren. Das nimmt den Fokus zwar auf innovative Weise von ihr weg, doch es raubt dem Katz-und-Maus-Spiel selbst in entscheidenden Momenten an Dynamik. Es lässt sich allerdings gespannt sein, wie sich dieser Schwachpunkt erst entwickelt, wenn der Storyverlauf die beiden Kontrahenten nach und nach näher zusammenführt.

Obwohl die BBC in diesem Jahr bereits die dritte Staffel der Serie bestellte (die Einschaltquoten in Großbritannien waren weit überdurchschnittlich), blieb dem deutschen Publikum die Sichtung des Formats bislang verwehrt. Und das, obwohl das ZDF zu den Mitproduzenten gehört. Der Grund hierfür ist die Ausstrahlungspolitik des Senders. Schon früh stand die Fortsetzung von «The Fall» fest, sodass man sich dazu entschloss, beide Staffeln in einem Rutsch ausstrahlen zu wollen. Auch die hochwertige Synchronisation soll laut Angaben des verantwortlichen Producers Grund für die hierzulande stattfindende Verzögerung sein. Ob das wirklich sein musste, möchten wir an dieser Stelle nicht hinterfragen – immerhin ist auch die zweite Season mittlerweile über ein Jahr alt. Hauptsache, das deutsche Publikum kommt nun endlich auch in den Genuss dieser europäischen Serienperle.

Fazit: «The Fall» ist clever wie «Hannibal», spröde wie sein irischer Drehort und spielt sich von Schauspielerseite auf Leinwandniveau ab. Wir hoffen auf eine Anerkennung von Seiten des Publikums in Form von hohen Einschaltquoten und freuen uns jetzt schon auf die Fortsetzung dieses innovativen, bitterbösen Crime-Formats.

«The Fall» ist ab Sonntag, den 15. November wöchentlich ab 22:00 Uhr zu sehen.

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