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Synchronschauspieler Ricardo Richter: 'In unserer Branche landet man schnell auf der schwarzen Liste'

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«Die Tribute von Panem»-Fans, die ab Donnerstag das Finale der Saga im Kino sehen, werden mit einer neuen Synchronstimme für Josh Hutcherson konfrontiert. Wir reden mit seinem Stammsprecher Ricardo Richter über die Hintergründe.

Zur Person: Ricardo Richter

Ricardo Richter wurde am 24. August 1988 geboren und ist seit seinem elften Lebensjahr als Synchronschauspieler tätig. Unter anderem lieh er Matt Lanter in «Heroes» seine Stimme und war in mehreren Filmen auf «Kick-Ass»-Star Aaron Taylor-Johnson zu hören. Er ist auch Stammsprecher von «Tribute von Panem»-Co-Star Josh Hutcherson, den er u.a. in den ersten drei Teilen der Saga gesprochen hat. Im Finale der Reihe ist er jedoch nicht zu hören. Zuvor gab es zwischen ihm und der Produktionsgesellschaft Unstimmigkeiten im Hinblick auf die Vergütung, wegen derer Richter und das Studio nun auch vor Gericht stehen.
Ihr Video, in dem Sie erklären, nicht im vierten «Die Tribute von Panem»-Teil dabei zu sein, hat über 10.000 Aufrufe bei YouTube. Haben Sie damit gerechnet, dass das Video so hohe Wellen schlägt?
Ehrlich gesagt: Ich habe damit keineswegs gerechnet. Mir war zwar klar, dass «Die Tribute von Panem» eine riesige Fanbase hat, aber dass die Leute auch so sehr an der Synchronisation interessiert sind, habe ich nicht erwartet. Ich hatte damit gerechnet, dass das Video ein paar Klicks bekommt und dann untergeht.

Gab es bereits Reaktionen aus Ihrer eigenen Branche?
Bislang nicht, aber ich bin im Branchenverband IVS Mitglied, und der Verband gibt regelmäßig eine brancheninterne Zeitschrift heraus. Da wird es in der nächsten Ausgabe einen Bericht über meine Auseinandersetzung mit StudioCanal geben. Ich schätze, dass es dann zu Reaktionen von Kollegen kommen wird. Bislang werden wohl nicht allzu viele davon mitbekommen haben.

Haben Sie mit Ihren «Panem»-Sprecherkollegen über diese Situation gesprochen?
Ich habe mich damals, als das Ganze angefangen hat, mit ihnen zusammengesetzt und sie gefragt, ob sie mitziehen wollen. Leider hat niemand zugestimmt, dass wir gemeinsam eine Nachvergütung fordern sollten, was ich aber verstehen kann, weil man da immer mit Repressalien rechnen muss.

Haben Sie denn vorab damit gerechnet, dass es nach Ihrer neuen Forderung zu einer Umbesetzung kommen wird?
Ich kann natürlich nicht beweisen, dass die Umbesetzung im direkten Zusammenhang mit meiner Klage steht. Aber der Verdacht liegt nahe. Und ich habe, ehrlich gesagt, schon befürchtet, dass es in diese Richtung gehen könnte. Zur Erklärung: Ich hatte zunächst versucht, mich außergerichtlich mit StudioCanal zu einigen, und da haben sie sich zunächst sehr offen gezeigt. Als ich dann aber meinen Vorschlag eingereicht habe, war es vorbei mit der Offenheit. Einen Gegenvorschlag habe ich allerdings auch nicht erhalten, und ich wäre ja bereit gewesen, einen Kompromiss einzugehen. Ich hätte, den Fans der Reihe zuliebe, die sich Kontinuität wünschen, auch die Hälfte meines Vorschlags als endgültige Einigung akzeptiert. Selbst wenn das eine Zahlung unter Wert gewesen wäre. Da zunächst nichts mehr von StudioCanal kam, musste ich leider den Klageweg beschreiten und ab dem Moment habe ich die Umbesetzung kommen sehen – in unserer Branche landet man schnell auf der schwarzen Liste. Nachdem ich juristische Schritte eingeleitet habe, kam dann übrigens doch noch eine Reaktion von StudioCanal – deren Vorschlag war aber so niedrig, dass ich inklusive Gerichts- und Anwaltskosten im Minus gelandet wäre. Das konnte ich natürlich nicht annehmen!

Ricardo Richters YouTube-Video über den Fall «Die Tribute von Panem – Mockingjay: Teil II»


Haben Sie sich vorher mit ähnlichen Fällen auseinandergesetzt – wie etwa mit den Differenzen zwischen Marcus Off und Disney bezüglich «Pirates of the Caribbean – Fremde Gezeiten»?
Der Marcus-Off-Fall ist in unserer Branche sehr bekannt und wird seit Jahren heiß diskutiert. Mir war daher von Anfang an bestens bewusst, welche Parallelität da besteht. Off war der große Vorreiter, der ein Umdenken ins Rollen gebracht hat und dafür sind wir ihm alle sehr dankbar. Leider hat es aber nicht dazu geführt, dass es ihm seither viele Leute gleichtun. Mir ist nur im Fall der «Twilight»-Saga bekannt, dass ein Kollege aus diesem Sprecherensemble auf Nachvergütung geklagt hat. So etwas sollte sich wiederholen: Jeder so geartete Fall ist ein Schritt nach vorne für die gesamte Branche – und je mehr Leute diesen Schritt wagen, desto besser ist es für uns alle.

Der Beweggrund für Ihre höhere Gagenforderung war also nicht, dass speziell Sie mehr verdienen sollten?
Genau. Es ist als Zeichen für die gesamte Branche gedacht. Das muss ich ganz klar sagen. Es geht mir letzten Endes darum, dass wir alle mehr bekommen sollten, und das gilt nicht nur für die Sprecher, sondern für alle Beteiligten. Eine Synchronisation ist absolute Teamarbeit, das geht nicht ohne Cutter, Tonmeister, Regie und Texter! Wir Sprecher stehen ja nicht allein im Atelier, und ich finde, wir alle sollten mehr vom Kuchen abbekommen. Es ist ja ein riesig großer Kuchen, der allerdings bislang sehr ungerecht verteilt wird. Ich will keine genauen Zahlen nennen, aber man sagt als Faustregel, dass für eine Synchro vom erwarteten Gesamtgewinn vielleicht 0,1 Prozent ausgegeben werden. Wenn überhaupt. Diese Prozentzahl sollte man ein bisschen erhöhen – das würde der ganzen Branche gut tun.

Sind diese Klagen denn Ihrer Ansicht nach der einzige Weg, um den Studios vor Augen zu führen, dass die Synchronbranche wirtschaftlich mehr Beachtung erhalten sollte?
Natürlich ist das der einzige Weg – leider! Viele Leute fragen uns Synchronschauspieler ja: „Wieso nehmt ihr nicht von Anfang an angemessene Gagen?“ Das Problem ist: Wenn wir von Anfang an die richtigen Gagen fordern würden, würde man uns gar nicht mehr besetzen! Sprich: Wenn wir zu einem Casting geladen werden, und dann sagen „Oh, das ist aber ein großer Film, hört mal, ich würde dann schon gern ein bisschen mehr Geld haben wollen“, dann wird man aller Erfahrung nach nicht besetzt. Man muss das also von hinten herum machen – von vorne herum haben wir einfach gar keine Chance und würden gar nichts bekommen, statt zu wenig.

Welche Unterstützung erhalten Sie vom IVS in Ihrer Auseinandersetzung mit StudioCanal?
Der IVS leistet viel Öffentlichkeitsarbeit, und wir befinden uns zudem gerade in Gesprächen darüber, dass sie mich finanziell unterstützt, wenn der Fall in die nächste Instanz gehen sollte. Der IVS würde mir dann die Gerichtskosten und Anwaltskosten vorstrecken. Sollte ich gewinnen, würde ich sie natürlich zurückzahlen, sollte ich aber verlieren, was wir nicht hoffen, würde der IVS die Kosten für mich übernehmen.

Ich denke, die meisten Fans wünschen sich in der Besetzung Einheitlichkeit bei Sprecher/Schauspieler-Paarungen. Jedoch wird das leider wenig von den Studios beachtet.
Ricardo Richter
Haben Sie die Befürchtung, dass Sie nach diesem Vorfall gar nicht mehr auf Josh Hutcherson besetzt werden?
Ich kann das nicht abschätzen. In der Synchronbranche gibt es ja leider so gut wie gar keine sicheren Stammbesetzungen mehr. Es ist oft so, dass jemand zehn Jahre lang einen Schauspieler spricht, und dann kommt ein Redakteur an, der sagt „Nee, das gefällt uns hier nicht, wir nehmen nun wen ganz anderen!“, und dann hat es sich mit der Kontinuität. Sowas ist sehr bedauerlich – und das nicht nur für uns. Ich denke, die meisten Fans wünschen sich in der Besetzung Einheitlichkeit bei Sprecher/Schauspieler-Paarungen. Jedoch wird das leider wenig von den Studios beachtet. Womöglich liegt es auch daran, dass es uns mehr Macht geben würde, wenn wir sozusagen nicht mehr austauschbar wären. Das will man vielleicht verhindern, und das könnte einer der Gründe für gelegentliche Brüche mit Stammbesetzungen sein … Dessen ungeachtet mache ich mir aktuell wenig Sorgen um meine Besetzung als Hutcherson-Sprecher. Ich habe ihn erst kürzlich in zwei Filmen gesprochen, von daher bin ich, auf vorsichtige Weise, zuversichtlich.

Auf der nächsten Seite spricht Ricardo Richter über Promisynchros, den Preisdruck in der Synchronbranche und darüber, was er von Filmfassungen mit Untertiteln hält.

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