Filmfacts «Arlo & Spot»
- Regie: Peter Sohn
- Produktion: Denise Ream
- Drehbuch: Meg LeFauve
- Story: Peter Sohn, Erik Benson, Meg LeFauve, Kelsey Mann, Bob Peterson
- Musik: Mychael Danna, Jeff Danna
- Schnitt: Stephen Schaffer
- Laufzeit: 94 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
Der Ursprung
So beginnt die eine Geschichte, um die es hier geht: Millionen Jahre, nachdem ein Meteor haarscharf die Erde verfehlt hat, haben sich die Dinosaurier eine frühe Zivilisation aufgebaut: Einige Fleischfresser sind als Cowboys tätig und treiben ihr Vieh durchs Land, unter Pflanzenfressern hingegen sind viele Farmer anzutreffen, die ihr Futter selber kultivieren. Zu diesen Landwirten zählt eine kleine Apatosaurus-Familie, deren jüngster Spross Arlo alles Erdenkliche tut, um sich als nützlich zu erweisen. Aufgrund seiner unbändigen Angst und seiner ungeschickten Art misslingt dies dem gutmütigen Heranwachsenden jedoch unentwegt. Als Arlo eines Tages während der Schädlingsbekämpfung in einen reißenden Fluss stürzt, wird er meilenweit von der einzigen Heimat weggespült, die er kennt. Verletzt und desorientiert muss er versuchen, den Weg zurück zu finden. Dabei kreuzt sich sein Weg mit dem des wilden Menschenjungen Spot, dessen Gegenwart er erst nur zähnefletschend duldet – da Spot aber mit den Gefahren der Wildnis besser vertraut ist, wird aus den Beiden nach und nach ein schwer zu trennendes Gespann …
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Solche Probleme kennt Pixar bereits – wenn diese vorkommen, und der ursprüngliche Regisseur dieser nicht Herr wird, wandert das Projekt ins Archiv. Oder der Regisseur wird möglichst fließend ausgetauscht. Nicht so dieses Mal: Der Dinosaurier-Film bliebt in Produktion. Laut Studioangaben haben «Cars 2»-Regisseur John Lasseter, «Toy Story 3»-Macher Lee Unkrich, der für «Merida» verantwortliche Mark Andrews sowie Pete Sohn ihn in Sequenzen gesplittet und diese unter sich aufgeteilt, um diese übergangsweise zu betreuen. Dieser Übergang dauerte wohlgemerkt länger, als wohl erhofft: Erst im Oktober 2014 wurde Sohn endgültig zum offiziellen Regisseur ernannt. Von da an wurde unter seiner Führung mit immensem Nachdruck an der Fertigstellung gearbeitet, damit «Arlo & Spot» wenigstens seinen nunmehr dritten Starttermin einhalten kann: November 2015.
Ein einzelner Nordamerika-Trip. Sooooo viele Richtungen.
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Dabei ist die Roadtrip-Narrative, der sich Pixars 16. abendfüllende Produktion annimmt, eigentlich eine sehr verzeihliche: Auch «Findet Nemo» hat als Reise durchs Meer eine episodenhafte Ader. Der Fisch-Trip hat allerdings einen starken, emotionalen roten Faden, der diese Augenblicke zusammenhält und sie in ihrem gefühlsmäßigen Auf und Ab zu Einzelteilen eines großen Ganzen macht – mit mal mehr, mal weniger eigenständigen Charakteristika. Bei «Arlo & Spot» dagegen stehen die einzelnen Sequenzen wesentlich stärker für sich – und dies teils so sehr, dass darunter Arlos charakterliche Entwicklung leidet: Die zwei Titelfiguren stehen einen ungewollten Drogentrip durch, treffen manische Saurier, bestaunen die Natur, kabbeln sich, trösten einander, kämpfen ums Überleben … All diese Szenen haben einen distinktiven, eigenen Tonfall und zwischen ihnen gibt es nur selten eine fließende Überleitung. Dies erschwert es dem Betrachter, sich in Arlos verängstigte, an sich selbst zweifelnde Lage zu versetzen, da sich das Drumherum zu sprunghaft ändert, um den inneren Wandel im Blick zu behalten.
Was dagegen konstant ist, ist die umwerfende, atemberaubende Pracht der Welt, durch die der junge, grüne Dinosaurier stapft: Basierend auf intensive Recherchen haben die Pixar-Künstler im Computer ein wildes, naturbelassenes Nordamerika erschaffen, bei dem es nicht verwundern würde, sollten viele Kinogänger es für echt halten. Doch wer genauer hinschaut, wird erkennen, dass «Arlo & Spot» nicht fotorealistisch ist, sondern auf täuschend echte Weise naturalistisch: Die für die virtuelle Kameraarbeit verantwortliche Pixar-Veteranin Sharon Calahan, die auch am Design des Films mitwirkte, entschied sich bewusst dagegen, einfach eine wirklichkeitsgetreue Wildnis auf die Leinwand zu bannen.
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Schweigen ist ein wertvolles Gut
Zusätzlich zu den herausragenden sowie Bände sprechenden Hintergründen hat dieser Trickfilm zudem sehr ausdrucksstarke Hauptfiguren zu bieten: Der ungelenke, oft sehr naiv aus der Wäsche blickende Arlo und der ungezähmte Spot haben ein vielseitiges mimisches Repertoire zu bieten, welches den Mittelteil fast im Alleingang erzählerisch vorantreibt. Bei einem Film mit solch einer Bildgewalt ist es umso bedauerlicher, dass sich die Filmemacher nicht auf deren Wirkung verlassen: Die Szenen, die von Arlo und seiner Familie handeln, sind von den banalsten Dialogzeilen geplagt, die es bei einem Pixar-Langfilm je zu hören gab. Im höchsten Maß deskriptiv geraten, kauen sie den Zuschauern alles vor, was die Figuren machen und was sie antreibt.
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- © 2015 Disney Pixar
Auch Dinosaurier erzählen sich Geschichten am Lagerfeuer.
Nur bleibt wohl unklar, ob Petersons Version des Films besser gewesen wäre. Denn die sehr stringente, wenngleich stimmungstechnisch unausgewogene Story von jetzt hätte einer fahrigen Handlung weichen müssen: Laut Pixar-Mitarbeitern verrannte sich Peterson nach seinem simplen Pitch in ein Konstrukt aus drei Storyfäden, die Arlos Innenleben, die Familiendynamik seiner Familie und die gesamte Dino-Gesellschaft umspannten. Mit mehreren zusätzlichen Menschenfiguren und mit laut Pete Sohn erzwungen-unsympathischen Saurier-Nebenrollen sei es Peterson nicht gelungen, ein zufriedenstellendes Ende zu konstruieren.
«Arlo & Spot» findet zwar in seiner endgültigen Form keinen Gänsehaut-Schluss, hat aber immerhin einige, kleine liebenswerte Augenblicke zu bieten, in denen die Helden gemeinsam Höhen und Tiefen durchlaufen. Als Gesamtwerk brennt sich diese Kinofreundschaft zwar nicht ins Gedächtnis ein, passagenweise geht der Funke aber sehr wohl über. Bis ungeschickte Tonwechsel oder radebrechende Dialoge ihn wieder löschen.
Fazit: «Arlo & Spot» ist eine visuelle Glanzleistung der Pixar Animation Studios, die an narrativen Schwächen und plakativen Dialogpassagen leidet. Doch die berührende und gewitzte Freundschaft zwischen den beiden Titelhelden schafft es, dieses Urzeitabenteuer trotzdem zu einem knuffigen Familienspaß zu machen. Wahrlich kein Muss, aber auch keine völlige Pleite.
«Arlo & Spot» ist ab dem 26. November 2015 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.