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Es scheint eine belanglose Szene, die aber aufzeigt, worum es oft in «Master of None» geht: um die Angst, etwas zu verpassen. Es ist ein psychologisches, gesellschaftliches Phänomen, das die jungen Generationen nur allzu gut nachvollziehen können. Die sogenannte „fear of missing out“ (FOMO) beschreibt unsere diffuse Angst, ein Ereignis, eine Kommunikation oder eine Situation zu verpassen. Die Entscheidung, wie wir unsere Zeit verbringen, will also wohlüberlegt gewählt sein – vor dem Hintergrund der (oft unbewussten) Angst, vielleicht die falsche Entscheidung getroffen zu haben.
In «Master of None» wird dies nicht nur anhand von Belanglosigkeiten thematisiert: Es geht auch um die großen Themen, um die Frage, ob wir Familie oder Karriere wollen, ob unsere Beziehung erfüllend genug ist oder ob wir gerade die große Liebe da draußen verpassen, ob wir heiraten wollen oder nicht. Aber auch, ob wir an diesem Abend «Sherlock» gucken oder eine andere Serie. Denn auch das ist eine Grundsatzfrage: Angesichts des immer steigendes Unterhaltungsangebots stehen uns mehr Optionen als je zuvor zur Verfügung – die Freizeit aber, um zu konsumieren, steigt nicht, tendenziell wird sie im Laufe des Berufslebens kleiner. Insofern muss immer bewusster, immer genauer überlegt werden, womit wir unsere Zeit verbringen.
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Es ist wahrscheinlich, dass das FOMO-Phänomen auch unsere Zeiteinteilung im Entertainment zumindest beeinflusst. Das heißt zunächst, dass wir uns immer intensiver darüber informieren, was gut ist und erfolgreich – vor allem im Serienbereich. In sozialen Netzwerken laufen solche Filterprozesse gewöhnlich über die Macher und Nutzer selbst: Channels werden von anderen empfohlen, ob über eine Videoempfehlung, eine inhaltliche Anbindung in anderen Videos oder über das Teilen. Wir wollen also, bei unserer kostbaren Zeit, möglichst das Beste konsumieren und uns nicht mit Durchschnittsware abgeben.
Dies tun wir auch in der Hoffnung, dass unser Unterhaltungskonsum soziale Anschlussfähigkeit mit sich bringt. Anders gesagt: Wir wollen darüber reden, was wir konsumieren – sowohl im Internet, beispielsweise Twitter oder Facebook, aber auch im Büro, an der Uni, in der Schule. Auch hier greift FOMO: Wir wollen nicht die Diskussionen unserer peers verpassen, wenn sie über «Game of Thrones» reden. Daher schauen wir die Serie, obwohl uns Thema und Inhalt auf den ersten Blick vielleicht gar nicht interessiert haben. Aber nicht mitreden zu können, ist uns noch unbehaglicher.
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Die persönlichen Interessen spielen dadurch eine nicht mehr so große Rolle wie vielleicht früher. In dieser kommunikationsintensiven Zeit interessiert uns das, was andere interessiert. Damit sind nicht nur persönliche Bezugsgruppen gemeint, die wir tagtäglich sehen. Sondern auch Trends auf Twitter oder in Online-Magazinen: Den Film, der gerade von allen gefeiert wird, dürfen wir nicht verpassen.
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Bei allem Konsum prägt zweifelsohne schließlich die Bequemlichkeit eine wichtige Rolle. YouTube hat damit kein Problem, da das Medium auf allen Endgeräten überall verfügbar ist, damit auch seine Inhalte. Komplizierter wird es bei Serien oder Filmen und TV-Sendungen: Bei Netflix funktionieren Serien als Massenphänomene auch deshalb so gut, weil sie zeitgleich in der ganzen Welt online gehen. Ist dies nicht der Fall, wie bei «House of Cards» beim deutschen Netflix, droht heftige Kritik. Manch kleine Serie profitiert von ihrer Verfügbarkeit und wird deshalb – vielleicht auch nachträglich – erfolgreich, weil sie einfach zugänglich ist (z.B. «Black Mirror»).
Ganz gleich, was wir konsumieren. Es ist immer komplizierter geworden, das Richtige herauszusuchen. Aber manchmal ist es vielleicht besser, gar nicht so viel nachzudenken über unsere Konsumwahl: Es könnte ja sein, dass wir etwas verpassen, von dem wir nie geglaubt hätten, dass es uns interessiert.