Die Kritiker

«Die Tote aus der Schlucht»

von

Ein nichtssagender Titel und ein Plot mit vielen Zufällen. Doch obwohl dieser Film in vielen Punkten unter seinen Möglichkeiten bleibt, ist ihm doch vieles gelungen. Auf der Alm, da gibt's bloß Sünd'.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Rosalie Thomass als Susanne Landauer
August Schmölzer als Josef Landauer
Friedrich von Thun als Dr. Jakob Mangold
Lavinia Wilson als Dr. Isabell Fertinger
Fred Stillkrauth als Korbinian Schutt
Frederic Linkemann als Gerhard Freimut
Michael Lerchenberg als Xaver Freimut

Hinter den Kulissen:
Produktion: Neue Biskop Television
Drehbuch: Andreas Dirr und Christoph Busche
Regie: Christian Theede
Kamera: Philipp Timme
Produzenten: Dietmar Güntsche und Christian Balz
Kommissarin Susanne (Rosalie Thomass) ist eigentlich gerade damit beschäftigt, mit ihrer Partnerin, der Gerichtsmedizinerin Isabell (Lavinia Wilson), ihre gemeinsame Wohnung einzurichten. Dann kommt der Anruf: Eine schizophrene Patientin ist aus der nahegelegenen psychiatrischen Klinik ausgebrochen. Susanne soll mit den örtlichen Behörden die Suche nach ihr koordinieren.

Für die Psychiatriepatientin kommt jede Hilfe zu spät. Susanne findet sie tot in einem Fluss auf. Doch der richtige Schock kommt erst, als Isabell ihr die Ergebnisse eines standardmäßig vorgenommenen DNA-Tests präsentiert: Die Tote ist Susannes Mutter.

Das kann eigentlich nicht sein: Susannes Mutter ist schließlich vor 25 Jahren verstorben und in ihrem Heimatort in der bayerischen Provinz bestattet worden. Aber „die DNA lügt nicht“. Und weiß der Teufel, was ihr archaischer Vater (August Schmölzer), zu dem Susanne seit vielen Jahren ein schwieriges Verhältnis und nur den absolut nötigsten Kontakt hat, so alles wissen könnte.

Also macht sich Susanne auf in ihren alten Heimatort, um auf eigene Faust zu ermitteln. Dessen Einwohner und Rädelsführer werden dem Zuschauer als ein Haufen mal kauziger, mal merkwürdiger, mal schlicht bösartiger Gestalten präsentiert. Susannes archaischer Vater zeigt sich von einer Annäherung seiner Tochter zwar zunächst erfreut, verfällt aber wieder in seinen grenzenlosen Jähzorn, als die unangenehme Fragen über die Vergangenheit stellt. Ein alter Unternehmer, der ihrem Vater vor vielen Jahren eine Alm abgeschwatzt hat, an der er nun Millionen verdient, reagiert mit offenen Drohungen auf Susannes Besuch. Und der dubiose Anstaltsleiter der psychiatrischen Klinik, in der die Schizophrene jahrzehntelang ans Bett gefesselt gehaust hatte, Dr. Jakob Mangold (Friedrich von Thun), mag zwar zunächst wie ein charmanter, älterer Herr wirken, hat aber auch ein Interesse daran, mit Informationen hinter dem Berg zu halten.

Ganz klar: Durch diesen Plot kommt das Drehbuch nur mithilfe von vielen (und nicht gerade den realistischsten) Zufällen. Sei es drum. Schließlich ist man bemüht, eine in sich stimmige Geschichte zu erzählen, die sich noch dazu in nicht uninteressante Nebenaspekte ergießt, beziehungsweise sich gar, so könnte man zumindest argumentieren, in eine Dekonstruktion der süddeutschen Provinzgesellschaft wendet: Am Stammtisch sitzen degenerierte Männer, die bierseligen Stuss poltern („So lang sich die Irren selber umbringen…“). Die dörfliche, kleinbürgerliche Elite ist zu jeder Schande bereit, solange sie sich gut kaschieren lässt („Keiner hat was g’sagt, keiner hat was g’fragt, und so war’s richtig“). Die Psychiatrie platzt aus allen Nähten vor Patienten mit einer Psychose, die in dieser Gegend mit einer gesalzenen statistischen Häufung grassiert (vermutlich aus inzestuösen Gründen). Und die allgegenwärtige (und nicht ganz schlüssig aufgelöste) düstere christliche Ikonographie lässt einen diesen Ort immer mit einem sehr mulmigen Gefühl erleben.

Über weite Teile durchzieht «Die Tote aus der Schlucht» eine ziemlich gruselige Stimmung. Geglückt ist, dass das nicht im Widerspruch zu den anderen Themen des Films steht: der zerrütteten Familiengeschichte und der (sehr sensibel erzählten) Paarbeziehung zwischen Susanne und Isabell.

Obwohl der sonderbar nichtssagende Titel eine eher durchschnittliche Produktion erwarten lässt, überzeugt dieser Film mit einer konsequent erzählten spannenden Geschichte, auch wenn er freilich eine tiefgreifende Begegnung mit den archaischen ländlichen Strukturen und den überkommenen Werten nur am Rande ermöglichen kann. Dass er aus seinen okkulten Leitmotiven wenig sinnige Symbolkraft holt und sie eher als Gimmick einwirft, denn ihnen eine transzendente Bedeutung zukommen zu lassen, lässt ebenso erahnen, dass man hier an einigen Stellen unter seinen Möglichkeiten geblieben ist.

Trotzdem kann vieles gefallen – und ein positiver Gesamteindruck stellt sich nicht zuletzt auch wegen der starken Besetzung ein. Rosalie Thomass führt charmant und kompetent durch den Film, während Lavinia Wilson in der Rolle ihrer liebevoll-besorgten Partnerin und August Schmölzer als grantelnd-jähzorniger verhinderter Patriarch überzeugen, und Friedrich von Thun den säftelnden dubiosen Anstaltsleiter gibt.

Auf der Alm, da gibt’s bloß Sünd‘.

Das ZDF zeigt «Die Tote aus der Schlucht» am Montag, den 7. Dezember um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/82440
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