Sonntagsfragen

Tim Oliver Schultz: ‚Ich weine auch noch beim dritten Anschauen‘

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Der VOX-Megaerfolg «Club der roten Bänder» ruft nicht nur beim Publikum unglaubliche Emotionen hervor. Auch Hauptdarsteller Tim Oliver Schultz ist tiefst berührt. Wir haben ihn zum Interview getroffen, gefragt, wie die Serie ihn verändert hat und mit ihm über kommende Projekte gesprochen.

Zur Person: Tim Oliver Schultz

Der 1988 in Berlin geborene Schauspieler stand mit 12 Jahren das erste Mal vor einer Kamera. In seiner Jugend trat er in etlichen Produktionen auf, etwa in «Scloss Einstein» oder «Hallo Robbie». 2013 spielte er im Kinofilm «Systemfehler - Wenn Inge tanzt» (als Max) mit. VOX und die Produktionsfirma Bantry Bay entdeckten ihn und besetzten eine zentrale Rolle des Hits «Club der roten Bänder» mit ihm. An Weihnachten ist er in einem ZDF-Märchen zu sehen.
Herr Schultz, ich habe in dieses Interview einen Sack voll Fragen mitgebracht, die unter anderem Quotenmeter-Leser via Twitter gestellt haben. Und wen wundert’s – es gibt viele, die sich für den VOX-Megaerfolg «Club der roten Bänder» interessieren. Sie spielen darin den jungen Leo. Andrea zum Beispiel wollte wissen, ob sich Ihr Leben durch die Serie verändert hat?
Privat hat sich bei mir praktisch nichts verändert. Ich kann immer noch auf die Straße gehen, ohne erkannt zu werden. Ich habe mittlerweile auch wieder Haare – zumindest ein paar Zentimeter. Was sich bei mir geändert hat, ist die Einstellung zu vielen Dingen. Die Serie hat mir noch mehr Dankbarkeit gelehrt. Ich feiere nun noch viel mehr, dass wir genug zu essen haben, freue mich, wenn ich an schönen Orten bin und bin natürlich sehr sehr glücklich, dass ich zwei gesunde Beine und einen funktionierenden Kopf habe.

Das führt zu einer Frage von @quarkbällchen, die wissen möchte, ob Sie sich durch die Serie mehr mit Krankheiten und dem Thema Krebs befasst haben.
Das ist auf jeden Fall so. Wir in Deutschland haben ja die Eigenschaft, dass wir den Tod gerne tabuisieren. Das ist in anderen Ländern nicht der Fall. Wir aber verdrängen Themen, die mit dem Sterben zu tun haben, gerne. In Spanien, dem Ursprungsland des «Clubs der roten Bänder», hat die Serie dazu geführt, dass die Besucherzahlen auf Kinder-Onkologien um rund 40 Prozent gestiegen sind. Es ist ein Bewusstsein im Kopf entstanden, dass es Kinder gibt, denen es einfach sehr schlecht geht. Es ändert nichts, wenn man dieses Thema wegschiebt, sondern man muss solchen Kids mit Liebe, Mut und Normalität begegnen. Mitleid ist ein ganz schlechter Begleiter.

Sie sind quasi mit und vor Kameras aufgewachsen.
Und das übrigens im wahrsten Sinne des Wortes. Ich war als Kind selbst oft im Krankenhaus, weil die Ärzte zu mir gesagt haben, ich sei zu klein. Ich war zehn Jahre alt, als die Prognose hieß, später würde ich mal etwa 155 Zentimeter groß sein. Das war furchtbar. Ich wollte Basketball-Profi werden. Während meine Geschwister richtig erfolgreich Tennis gespielt haben, hatte ich praktisch keine Erfolgserlebnisse. Meine Tante kam dann auf die Idee, ich könnte ja zum Film gehen. Mit zwölf hatte ich dann meine erste Rolle. Daran bin ich sofort gewachsen, war relativ bald viel selbstbewusster.

Und wie groß sind Sie heute genau?
179 Zentimeter. Der Arzt damals hatte also nicht recht.

Sie haben in Ihrer Teenager-Zeit in vielen Formaten für Kinder- und Jugendliche mitgespielt. Wie gut ist Kinderfernsehen in Deutschland?
Ich glaube, dass sich im deutschen Fernsehen derzeit generell viel tut. Es findet ein Umdenken bei den Kreativen statt. «Club der roten Bänder» ist eines der Beispiele dafür. Ähnlich sieht es bei Formaten für Kinder aus. Wir werden es künftig noch mehr schaffen, Kinder für Programme zu begeistern. Das ist übrigens etwas, das mir sehr am Herzen liegt. Es gibt mir unglaublich viel, wenn ich zum Beispiel im Kino in strahlende Kinderaugen schaue und mich ihren neugierigen Fragen stelle.

@fraugraublau hat via Twitter gefragt, ob Sie geahnt haben – also während des Drehs – dass sich «Club der roten Bänder» zu einem solchen Hit entwickeln könnte.
Ich bin da Rationalist. Viele Leute sagten schon während des Drehs, wie krass die Serie ist und redeten von einer zweiten Staffel! Wir waren uns zwar einig, dass das Format etwas Besonderes und Wunderschönes ist, ich habe aber nie damit gerechnet, dass das jetzt so sehr einschlagen würde. Wenn ja: super! Aber wenn nein, dann hatten wir trotzdem eine sehr besondere Zeit.
Schauspieler Tim Oliver Schultz über den plötzlichen Erfolg der Serie «Club der roten Bänder»
Ich bin da Rationalist. Viele Leute sagten schon während des Drehs, wie krass die Serie ist und redeten von einer zweiten Staffel! Wir waren uns zwar einig, dass das Format etwas Besonderes und Wunderschönes ist, ich habe aber nie damit gerechnet, dass das jetzt so sehr einschlagen würde. Wenn ja: super! Aber wenn nein, dann hatten wir trotzdem eine sehr besondere Zeit. Als wir die ersten Folgen sahen, war es toll, auch noch richtig zufrieden mit dem Gesamtprodukt zu sein. Ich hätte aber nicht damit gerechnet, dass sich so viele Menschen montags vor den Fernseher setzen würden. Überraschung gelungen (zwinkert).

Wie schwer war es, das Projekt «Club der roten Bänder» für eine Zeit loszulassen? Wie lange spukt so etwas noch im Kopf herum?
Das ist immer schwer, wenn man nach viel Arbeit plötzlich fertig ist. Man fällt wirklich in ein Loch. Man vermisst die Menschen am Set, die Situation dort. Wir alle waren so unendlich viel am Rödeln während des Drehs. Anfangs also war es richtig schwer loszukommen, aber ich bin dann in Urlaub gefahren, hatte tolle Freunde um mich herum. Viele von ihnen sind auch Schauspieler, sie kennen solche Situationen also. Die haben mich gut aufgefangen.

Eine letzte Twitter-Frage noch: Nici hat gefragt, welche Szene Sie persönlich am Traurigsten fanden.
Es ist komisch, wenn ich jetzt eine Szene mit mir nenne, oder?

Naja, wenn es die Wahrheit ist…
Ich habe da einfach eine besondere emotionale Bindung dazu. Wenn ich Szenen sehe, in denen es Leo sehr schlecht geht, weine ich auch noch beim dritten Anschauen. Ich denke es ist die Szene, in der er im Chemo-Raum ist, seinen Freunden von seinen Gefühlen erzählt und sich aufgrund deren Herzlichkeit und Freundschaft schließlich doch für eine Chemo entscheidet. Ich werde da komplett in die alten Emotionen zurückgeworfen. Dabei laufen mir nach wie vor die Tränen die Wangen runter. Eine andere wahnsinnig emotionale Szene ist aber sicher die, in der wir Alex verabschiedet haben. Unglaublicher Drehtag, unglaubliche Stimmung am Set...

Wie geht es weiter? Wann werden Sie wieder drehen?
Drehstart für die zweite Staffel wird irgendwann im Sommer 2016 sein . Die Ausstrahlung beginnt dann wohl wieder Ende des Jahres. Wir müssen mal schauen, wann wir alle unter ein Krankenhaus-Dach gebracht werden können. Vorher fahren wir hoffentlich alle zusammen in einen Kurzurlaub, um uns wieder aufeinander einzustimmen. Ein großes Haus an der Ostsee mit dem ganzen Team und Zelten im Garten und so. Ich schlug das vor, alle fanden es super und ich hoffe, da wird was draus!

Ich glaube wenige Film-Teams würden so etwas machen. Ist das das Besondere der Crew von «Club der roten Bänder»?
Ich schätze schon. Dieser Zusammenhalt war Wahnsinn. Wir haben auch das Finale zusammen geschaut, da kamen Maskenbilderinnen und Garderobieren extra nach Berlin. Wir sind alle schon sehr auf einer Wellenlänge. Wenn ich mich erinnere, wie wir uns am Set nach schweren Szenen im Arm lagen und uns getröstet haben…

Eine Frage war auch, wann man Sie im TV wieder sehen kann. Das ist schon recht bald. An Heilig Abend zeigt das ZDF das Märchen «Die weiße Schlange», in dem Sie mitspielen. ZDFneo zeigt es sogar schon am 19. Dezember um 18.45 Uhr. Das hat dann so gar nichts mit der Figur Leo gemein…
Naja, da wird auf jeden Fall keiner sagen: Oh guck mal, das ist doch der Leo. Aber eigentlich haben Endres und Leo schon recht viel gemein. Sie kämpfen aus einem sehr natürlichen inneren Drang heraus extrem für ihre Ziele! Aber ja, es ist natürlich ein ganz anderes Format und ich bin super dankbar, immer wieder ganz unterschiedliche Figuren und total verschiedene Geschichten interpretieren und zeigen zu dürfen.

Haben oder hatten Sie ein Lieblingsmärchen?
Als erstes fällt mir da immer der Suppenkasper ein. Was für eine grausame Geschichte! Aber gut. Ich war und bin riesen Fan von Disney. «König der Löwen» war mein erster Kino-Besuch und ein absoluter Knaller! Besonders aber «Aladin» fand ich super. Nie werde ich die wunderschöne Jasmin vergessen. Die hat einen Tiger. Wie cool ist das denn? Früher war ich in die ziemlich verknallt.

Spielen klassische Märchen in unserer Gesellschaft heute eine zu geringe Rolle. Oder anders gefragt: Sind sie zu old-school?
Das deutsche Fernsehen dreht ja jedes Jahr neue Märchen. 2014 hatte ich schon das ARD-Märchen «Von einem, der auszog, das Fürchten zu lehren» gedreht. Das haben wir dann mit der ganzen Familie an Weihnachten angeschaut. Das war total schön und darf gerne nun jedes Jahr so sein. Ich muss aber sagen, dass ich bevor ich direkt mit Märchen im Fernsehen in Berührung kam, ähnliche gedacht hatte. Märchen sind ein bisschen old-school. Aber der Eindruck täuscht. Man kann da zeitlose Filme draus machen! Als Schauspieler - und Zuschauer sowieso - ist das die Möglichkeit, mal in eine ganz andere Welt einzutauchen, eine Zeitreise mitzumachen. Die Sprache ist anders, man arbeitet mit unglaublich tollen Kostümen an wunderbaren Drehorten. Ich kenne inzwischen richtig viele Schauspieler, die unfassbar gerne in Märchen mitspielen würden.

Danke für das Interview.

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