Dabei lassen sich ausreichend Anhaltspunkte finden, um auch die letzte Folge des zweifellos schon seit einiger Zeit nicht mehr auf Topniveau agierenden Klassikers als inspirationsarm und dröge zu bezeichnen: Ein kleiner Stand-Up, sehr viele Highlight-Clips, die man gut und gerne auch schon am vergangenen Freitag hätte zeigen können und keinerlei unerwartete Programmpunkte bilden den Rahmen des mit gut 70 Minuten Laufzeit etwas kürzer als zunächst kommuniziert ausgefallenen TV-Abschieds. Raab sitzt wie immer am Schreibtisch seines angestaubten Studios, visuell sind keinerlei Besonderheiten zu erkennen. Ja, wenn jemand darin Indikatoren sieht, dass sich die Verantwortlichen längst in ihrer Routine festgelaufen haben, mag man dies kaum bestreiten wollen.
Sogar der Moderator selbst spielt darauf an - mit dem Hinweis, dass man noch immer in SD sende und mit einem Ablaufplan, der wie auch an jedem anderen Tag auf dem Tisch liegt, diesmal halt komplett inhaltsleer. Diese selbstreferentiellen Momente streute Raab bereits in den vergangenen Monaten des öfteren ein: Versuchte er beispielsweise vor einigen Jahren noch, seine mangelhafte Vorbereitung auf viele Gäste bestmöglich zu übertünchen, spielte er damit zuletzt ganz bewusst und offen. Dass er ähnliches also auch am Mittwoch machte, ist irgendwo sympathisch, allerdings auch nicht derart ungewöhnlich, dass es sich als Markenzeichen dieses einen Abends betonen lässt. Aber was war dann eigentlich besonders an der finalen Episode?
In allererster Linie wohl, wie viel Raum dem ewigen Show-Praktikanten Elton eingeräumt wird. Schon nach dem Stand-Up darf er neben Raab Platz nehmen, die weitere Sendung ist komplett auf die gemeinsamen Aktionen der beiden ausgerichtet. Ein realistisches Abbild der Show-Normalität mag diese Fokussierung auf Elton nicht sein, zumindest aber unterstreicht es die Wertschätzung, die man dem Teilzeit-Sidekick entgegenbringt. Dass vor allem Clips aus Eltons frühen Einsätzen für «TV total» gezeigt werden, ist dann in gewisser Weise entlarvend - zeigen sie doch, wie frisch und einfallsreich man am Anfang dieses Jahrtausends noch war und wie sehr Raab auch bereit war, fernab der täglichen Aufzeichnung der Show zu investieren. Wenn dann aber beide gemeinsam verschüttetes Wasser aufwischen, Stefan plötzlich zu singen beginnt und Elton scherzhaft abknutscht, lässt es die Fan-Herzen schon höherschlagen. Da schüttelt dann auch Raab zumindest wieder kurzzeitig seine Lethargie ab.
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Das war die letzte Ausgabe von «TV Total». Vielen Dank an alle, die uns immer zugeschaut haben die ganzen Jahre. Ans ganze Team, an Elton, die Band. Vielen Dank, dass Sie zugeschaut haben. Machen Sie es gut
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Stefan Raab
Im kollektiven Gedächtnis werden diese letzten Minuten aber vor allem deshalb bleiben, weil auf der Zielgeraden auch dem stets um emotionale Unnahbarkeit bemühten Stefan Raab seine Souveränität ein Stück weit abhanden kommt. Bei den Danksagungen an die Mitarbeiter gelingt es ihm noch, seine Tränen wegzulachen, doch bei seinen letzten Worten an das Publikum kann er sie nicht mehr vor der Kamera verbergen. Es würde nicht verwundern, wenn er sich diesen Kontrollverlust als Schwäche anlastet. Der Rezipient hingegen bemerkt hier endlich, dass diese 70 Minuten dann eben doch keine ganz normalen «TV total»-Minuten sind - und kann nun doch noch so richtig Abschied nehmen von einem Format, das bei Vielen so etwas wie ein Wegbegleiter durch einen Großteil des Lebens war.
Von dieser Emotionalität, diesen Ausbrüchen aus der Gewohnheit hätte man sich zuletzt so viel mehr gewünscht. In den vergangenen Jahren generell, aber auch in der finalen Folge von «TV total» kommen sie viel zu kurz - was einerseits das Abschiednehmen von diesem Unikat etwas erträglicher gestaltet, da man um die Notwendigkeit eines würdigen Abgangs weiß, andererseits aber auch das weitaus schwerer erträgliche Gefühl hinterlässt, dass einem der Liebling vor der Mattscheibe nicht mehr die Aufmerksamkeit und die Zuneigung hat zukommen lassen, nach der man so sehr gierte. Somit gestaltet sich auch «Schlag den Raab» als endgültigen Schlusspunkt in Raabs TV-Karriere in der Voraussicht ambivalent: Es wird wohl noch viel mehr schmerzen, den bekanntesten Metzger Deutschlands nach einer Show zu verabschieden, die sich noch immer in der Blüte ihrer Schaffenskraft befindet. Doch zumindest ist dort kein halbherziger Raab zu erwarten, sondern einer, der noch einmal alles geben wird, um seinem Publikum einen unvergesslichen Abend zu bereiten.
Wen also schon das am Mittwochabend Gesehene emotional überwältigt hat, der sollte sich für den Samstagabend besser eine ganze Packung Taschentücher bereithalten. Man wird sich auf einen geschichtsträchtigen Fernsehabend freuen dürfen - und darf gleichzeitig Angst vor der Leere haben, die einen irgendwann in der Nacht vom Samstag auf den Sonntag überkommen wird. In diesem Sinne: Gib noch ein letztes Mal alles, Stefan!