In den ersten Episoden der neuen Netflix-Animationsserie «F Is for Family» lernen wir den übellaunigen Jedermann Frank Murphy und sein liebenswertes Umfeld kennen.
Frustriert vom Leben und gestresst vom Job – ein Thema, das auch bei der Sippe rund um Al Bundy jahrelang für viele Lacher gesorgt hat – gibt er Zuhause den redseligen Tyrannen, den Besserwisser und Klein-Diktator. Während die Mutter seiner drei Kinder dem Treiben ihres Gatten mit dem Gleichmut einer Frau begegnet, driftet sein ältester Sohn in offene Rebellion, Drogen- und Alkoholexzesse ab. Dafür zeigt dieser jedoch hier und da auch sehr gefühlvolle Seiten, wenn es um den Umgang mit seinen kleineren Geschwistern geht. Nennen wir es mal Kompensation einer brauchbaren Vaterfigur.
Die erste Staffel folgt diesen täglichen Dramen, bietet einige durchlaufende Stories und ergründet, was diesen Mann und seine Familie zu dem gemacht haben, was sie sind.
Franks für ihn so deprimierende Lebenssituation wird durch den vermutlich besten Serienvorspann des Jahres geerdet, der unter Verwendung des Redbone-Hits „Come and get your love“ einen euphorischen Frank direkt nach seinem College-Abschluss zeigt, der wie Superman in die Lüfte aufsteigt, auf seinem Flug von allerlei Lebensdramen (Ehe, Vaterschaft, Gewichtszunahme, langweiliger Job, Verlust von Haaren und Sehkraft) getroffen wird und schlussendlich eine Bruchlandung hinlegt: In sein aktuelles Leben. Grandios und eine verdammt hohe Messlatte für die restliche Laufzeit.
Das ist ja Papi!
Irgendwie ist das ja wie Zuhause - Ein Satz, der vermutlich vielen Kindern der 70er Jahre bei Ansicht der Serie direkt durch den Kopf geht. Sofort fühlt man Vertrautheit angesichts dieses bürgerlichen Albtraums, der gefühlt eigentlich schon 100 Jahre zurückliegen muss – leider aber gerade einmal 40 derer auf dem Kalender zu bieten hat.
Die Macher: Burr & Price
- Bill Burr ist Comedian, Schauspieler und Drehbuchautor. Als Schauspieler ist er für seine Rolle als Patrick Kuby in «Breaking Bad» bekannt, darüber hinaus kennt man ihn für seine Standup-Comedy und seine markante Stimme, die unter anderem in Spielen wie «GTA IV» eingesetzt wurde.
- Michael Price ist Drehbuchautor und Produzent und besonders für seine Arbeit an «Die Simpsons» bekannt.
Es geht letztlich um das Mann sein - über Frust im Job, über revoltierende Kinder und die Ohnmacht, sein Leben durch Dialog statt schnelle One-Liner in den Griff zu bekommen. Die Dose Bier ist immer dabei und wenn Daddy (wie so oft) der Gaul durchgeht, hilft nur noch das einzige Regulativ: Die Ehefrau. Immer zwischen den Fronten, meist mit klarem Kopf - aber doch nur auf der Ersatzbank.
Das bin ja ich!
Doch wie viel von Damals steckt eigentlich noch in unserer Gegenwart? Wie weit haben wir uns vom Leben unserer eigenen Eltern entfernt? Wenn man sehenden Auges durch die Welt läuft, muss man zugeben: Es ist noch eine Menge vorhanden, der Weg ist noch weit. Die Umgangsformen sind etwas gediegener, die Dramen werden zunehmend hinter verschlossenen Türen ausgetragen, doch sind die Mechanismen noch die gleichen. Die Zeit hat die Männer dieser Welt zwar domestiziert – ihnen die Flausen der Vergangenheit aber noch nicht gänzlich ausgetrieben. Emotionale Barbaren unter dem Deckmantel des Fortschritts sozusagen. In diesem Zusammenhang taugt die Serie in jedem Fall als entlarvender Blick auf den täglichen Horror des Lebens damals und heute.
Schön ist das alles nicht
Doch wo die Serie als Zeitzeuge punktet, da verliert sie leider als krawalliges Sprüchefestival, das zumindest Opa und Oma die Schamesröte ins Gesicht zaubern würde. Wobei das natürlich auch nicht die anvisierte Zielgruppe ist. Klar ist jedoch: Zartbesaitet sollte man als Zuseher definitiv nicht sein - und zudem gerne über 18. Ob nun sexistisch oder rassistisch – die Serie kann alles, außer nett. Die Trefferquote des Humors liegt dabei zumindest über 50% - für die ersten Episoden sicher in Ordnung, aber auch ausbaufähig.
Verglichen mit anderen Vertretern des Genres wie zum Beispiel Matt Groenings Werken zeigt sich ebenfalls der größte Unterschied: Wo besonders «Futurama» eher absurd-charmanten Humor bietet und nur einige Charaktere für die ganz derben Zoten zuständig sind und «Die Simpsons» seit Ewigkeiten intellektuell mit derb verbinden, bietet «F Is for Family» fast durchweg die Vulgärschiene. Vergleichbare Serien wie «Californication», die eher mit tiefer gelegtem Humor aufwarten, funktionieren in dieser Disziplin aber leider von Beginn an schlicht besser.
Dafür punktet «F Is for Family» jedoch immer wieder mit gelungenen, weil treffenden zeitgeschichtlichen Beobachtungen (Stichworte: Fernseherkauf, Talkshow, deutscher Nachbar), die sich mit dem generellen Ton der Serie jedoch nie vollständig verbinden wollen.
Sobald man realisiert und akzeptiert hat, wie viel vom Gezeigten noch in unserer eigenen Generation steckt, muss man definitiv kurz schlucken, doch bieten Darstellungen wie diese natürlich auch eine Chance: Reflexionsgrundlage und Nährboden für Veränderungen zu sein, die eventuell überfällig sind. Lustig anzusehen ist das Treiben der 70er in jedem Fall noch – uns an Mode oder Inneneinrichtung orientieren oder gar in diesem Jahrzehnt leben zu wollen, sollten wir aber heutzutage definitiv nicht mehr.
Fazit
«F Is for Family» zeigt uns eine Familienkonstellation, die exakt jene Generation akut betrifft, die heutzutage mehr oder weniger glücklich im Schmelztiegel des Alltags zwischen Job, Ehepartner und Kindern feststeckt. Auf der einen Seite ist das durchweg unterhaltsam und mitreißend, auf der anderen jedoch auch ein politisch unkorrekter Fäkal- und Tobsuchtsalbtraum, der das Publikum zu Recht entzweien wird. Immerhin ist die Serie in jeder Hinsicht ein Abbild ihrer Zeit: irgendwie absurd-lustig, aber auch ziemlich neben der Spur. Ob die finale Zielgruppe dafür letztlich groß genug ist, wird die Zeit zeigen.
Netflix-Kunden sehen ab sofort die erste, 6 Folgen umfassende, Staffel.