Filmfacts: «Bruder vor Luder»
- Kinostart: 24. Dezember 2015
- Genre: Komödie
- FSK: 6
- Laufzeit: 87 Min.
- Kamera: Tomas Erhart
- Musik: Karsten Laser
- Buch: Alexander Dydyna
- Regie: Heiko Lochmann, Roman Lochmann, Tomas Erhart
- Darsteller: Heiko Lochmann, Roman Lochmann, Milena Tscharntke, Tara Fischer, Dagi Bee, Alena Wolf, Oliver Pocher, Axel Stein
- OT: Bruder vor Luder (D 2015)
Die sechzehnjährigen Zwillinge Heiko und Roman Lochmann sind auf YouTube schon Stars. Nun wollen sie richtig durchstarten und ihr erstes Konzert geben. Die unscheinbare Bella (Tara Fischer) ist ihr größter Fan und heimlich in Roman verliebt. Ihre aufgedonnerte Schwester Jessy (Milena Tscharntke) dagegen liebt nur eines: Fame! Um berühmt zu werden, würde sie alles tun. Als Jessy eines Tages mitbekommt, wie berühmt DieLochis sind, schmiedet sie einen hinterlistigen Plan: Um sich von all den anderen Fame Bitches zu unterscheiden, verkleidet sie sich als braves Mauerblümchen und spielt das schüchterne Unschuldslamm – prompt verliebt sich Heiko in das so wunderbar „normale“ und bescheidene Mädchen. Sehr zum Ärger von Roman, denn jetzt vernachlässigt Heiko nicht nur YouTube, sondern auch das erste große Live Konzert! Um die gewohnte Ordnung wieder herzustellen, sieht Roman nur eine Chance: Er sabotiert Heikos und Jessys Dates. Doch irgendwie wird dadurch alles nur noch schlimmer, es kommt schließlich zum Bruch zwischen den Brüdern und Jessy wähnt sich bereits am Ziel ihrer Fame-Wünsche. Doch da hat sie offenbar die Rechnung ohne ihre Schwester Bella gemacht…
Der Einfachheit halber nennen wir das Positive zuerst: Im Vergleich zum im Sommer gestarteten YouTuber-Projekt «Kartoffelsalat», für das über 350.000 Zuschauer ein Ticket lösten, das mehr durch einen gewissen Trash-Charakter bestach und sich visuell nicht gut auf der Leinwand zu verkaufen wusste, erweckt der Lochi-Film «Bruder vor Luder» angesichts der Constantin-Film-Beteiligung den Eindruck, tatsächlich fürs Kino konzipiert worden zu sein. Der deutsche Verleih ist mit seiner Beteiligung an Kassenschlagern wie dem «Fack ju Göhte»-Franchise mit dem Segment knallig bunter Jugendfilmhits vertraut und lässt dieses Wissen auch sichtlich in die Konzeption von «Bruder vor Luder» hineinfließen. Die Komödie hat Kinoausmaße und braucht sich angesichts der technischen Aufmachung nicht vor Bora Dagtekins erfolgreicher Schulcomedy verstecken. Auch die Idee, den Fokus auf die Lochmann-Brüder zu legen und die Geschichte mit dem Engagement einiger Gaststars aufzupeppen, erweist sich als stimmig. Dass Die Lochis keine Schauspielausbildung besitzen, ist zwar ersichtlich, gleichzeitig erweisen sich die Zwillinge als charismatisch genug, um ihren Film zumindest über weite Teile tragen zu können. Darüber hinaus wurde mit Tara Fischer («Am Ende der Lüge») eine beeindruckend authentisch agierende Nachwuchsschauspielerin verpflichtet, der man mit ihrer Rolle allerdings keinen Gefallen tut. Als weitestgehend stumm bleibende Alibi-Rollstuhlfahrerin hat die 17-Jährige kaum die Gelegenheit, den Film sichtbar aufzuwerten. Dennoch gehören die wenigen Szenen mit ihr zu den Höhepunkten von «Bruder vor Luder».
Leider ist bereits an dieser Stelle das Repertoire gelungener Elemente des Lochi-Films aufgebraucht. Ansonsten bleibt «Bruder vor Luder» nämlich ein ebenso erschreckend unlustiges wie dramaturgisch absolut unbefriedigendes Unterfangen, das sich vermutlich in der anvisierten Zielgruppe der Lochi-Fans gut verkaufen wird, sich aufgrund des sich viel zu ernst nehmenden Erscheinungsbildes jedoch von einem allgemeingültigen Unterhaltungswertes lossagt. Das von Alexander Dydyna («Goethe!») verfasste Skript versteht sich anders als jenes von «Kartoffelsalat» nicht als Aneinanderreihung von Sketchen, sondern versucht, eine zwar lustige aber eben auch in sich stimmige Geschichte zu erzählen. Auf beiden Ebenen versagt «Bruder vor Luder» allerdings vollkommen. Sieht man von sichtlich gut gelaunten Performances solcher Schauspieler wie Oliver Pocher, Axel Stein oder Ludger Pistor einmal ab, entlocken Gags wie eine nicht etwa komische sondern lediglich geschmacklose Durchfall-Fontäne, Spielereien mit einer aufgesetzt wirkenden „Jugendsprache“ oder die anstrengenden Karikaturen der heutigen Generation wohl niemandem auch nur ein Schmunzeln, der sich nicht zur Zielgruppe der Unter-zwölf-Jährigen zählt. Hier stimmt weder Timing, noch Fingerspitzengefühl – und die Geschichte selbst ist von einer solchen Inkohärenz mit bisweilen anklingenden Geschmacklosigkeiten, dass man sich fragt, was genau die auch Regie führenden (!) Lochis ihrem Publikum hier genau näherbringen wollen.
Das wohl Anstrengendste an «Bruder vor Luder» sind allerdings die Schauspielleistungen all jener Akteure, die nicht bereits bei den Stärken des Films ihre Erwähnung fanden. Mit Milena Tscharntke («Die wilden Hühner und das Leben») wurde eine Nachwuchsdarstellerin verpflichtet, für welche diese Komödie nicht ihr erstes Leinwandstelldichein darstellt. Trotzdem würde ihre hochgradig überzeichnete, gestellt wirkende und schlichtweg nervende Darbietung nicht einmal dann funktionieren, wenn ihre Figur eine sichtbare Karikatur darstellen sollte. Sogar in Filmen wie «Kartoffelsalat», wo sämtliche Performances als grotesk überspitzt angelegt waren, würde Tscharntkes Schauspielleistung ob ihrer Grobmotorik negativ auffallen; Sätze wirken auswendig gelernt und ihre Interaktion mit ihren Mitdarstellern hat allenfalls Anfängerniveau. Dieser zweifelhaften Leistung können lediglich Alena Wolf («Ramon») und Dagi Bee («Kartoffelsalat») das Wasser reichen, denn auch diese beiden scheinen (zumindest in diesem Film) noch nie etwas von Feinfühligkeit und Authentizität gehört zu haben. Und was genau sollen eigentlich die ständigen Sound-Effekte, die von den Lochis unter jede Darstellerbewegung gelegt werden?
Fazit: «Bruder vor Luder» funktioniert allenfalls als Pflichtprogramm für hartgesottene Fans der Lochis, denn anders als «Kartoffelsalat», der mit vielen YouTubern warb, allerdings viele von ihnen nur in kurzen Gastrollen auftreten ließ, stehen die Lochmann-Brüder hier tatsächlich vollkommen im Mittelpunkt. Gleichzeitig sind die beiden auch das geringste Problem eines ansonsten humoristisch nicht zeitgemäßen Films, der mit Schauspielern auftrumpft, die sich selbst und ihrer noch jungen Karriere mit diesem Film hoffentlich kein Bein gestellt haben.
«Bruder vor Luder» ist ab dem 24. Dezember bundesweit in den Kinos zu sehen.