Die Kritiker

«SOKO München - Restart»

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In der neuen Folge des früheren «Soko 5113» findet sich auch ein inhaltlicher Restart – erstmals wird ein über mehrere Folgen erzählter Handlungsstrang eingeführt. Lohnen sich die Änderungen bereits?

Cast & Crew:

Vor der Kamera:
Gerd Silberbauer, Michel Guillaume, Bianca Hein, Joscha Kiefer, Christofer v. Beau, Amanda da Gloria, Ilona Grübel, Andreas Pietschmann, Sierk Radzei, Dominik Nowak, Florian Odendahl, Julia Sophie Schabus uvm.

Hinter der Kamera:
Buch: Mike Viebrock, Enno Reese & Flying Nuns; Kamera: Bartek Latosinksi & Felix Beßner; Musik: Axel Kroell, Robert Fuhrmann & Daniel Vulcano; Regie: Christoph Damast; Redakteure: Dagmar Ungureit & Anna-Lena Schmidt
«SOKO München – Restart» stellt in vielerlei Hinsicht Neuanfänge dar. Erstmals seit dem Start der Krimiserie 1978 geht das UFA Fiction-Format als «SOKO München» auf Sendung und passt sich damit der Titelgebung anderer «SOKO»-Ableger an. Mit der neuesten Episode stellt sich die ZDF-Serie aber auch inhaltlich neu auf. Statt nur den klassischen ‚Case of the Week‘ aufzuklären, führt das Format nach Idee von Dieter Schenk mit „Restart“ auch einen horizontal erzählten Handlungsstrang ein und damit einen weiteren, übergeordneten Fall, der sich über mehrere Folgen erstreckt.

Neuanfänge sind aber auch in der neuen Episode selbst Thema, in der das „Restart“-Therapiezentrum Obhut und Behandlung für Personen mit digitaler Sucht bietet. Dass in der Einrichtung einiges im Argen liegt, zeigen zwei tragische Vorfälle, die sich in Zusammenhang mit der ländlich gelegenen Psychiatrie ereigneten. Zum einen nahm sich die gerade entlassene Patientin Julia das Leben, später wird der 17-jährige Jacob Storg (Lorenzo Nedis Walcher) in unmittelbarer Nähe zum „Restart“-Zentrum tot aufgefunden. Die «SOKO München» nimmt sich dem Fall an, in dem von Anfang an der charismatische Klinikleiter Dr. Borchert (Andreas Pietschmann) in den Mittelpunkt der Ermittlungen rückt. Arthur Bauer (Gerd Silberbauer), der sich ebenfalls mit dem Fall um die Suchtklinik befasst, wird von Kriminalrätin Dr. Kreiner (Ilona Grübel) allerdings zwischenzeitlich abgezogen und mit einem weiteren Fall betraut: Schon bald soll ein Gefangenentransport des Kriminellen Kai Trebic stattfinden, der seinen Bruder Roman gegen eine Strafmilderung belasten will. Viele Hinweise deuten auf einen Maulwurf in den eigenen Reihen hin, daher betraut Arthur Franz Ainfachnur (Christofer v. Beau) mit der verdeckten Ermittlung in einer Boxhalle, dessen Besitzer als Drahtzieher einer möglichen Befreiung Trebics vermutet wird.

Mit dem Einpflegen eines über mehrere Episoden hinweg eingepflegten Handlungsstrangs geht das frisch umbenannte «SOKO München» neue Wege. Schon bei Bekanntgabe dieser Neuerung kam jedoch die Frage auf, ob der Fall der Woche und der horizontale Erzählstrang koexistieren können, ohne gegenseitig ihre Qualität zu mindern. Nach wie vor beläuft sich die Episodendauer des Formats nämlich auf lediglich etwa 43 Minuten, also in etwa auf die Hälfte dessen, was die üblichen Krimis der öffentlich-rechtlichen für die Bearbeitung eines Falls an Sendezeit eingeräumt kriegen. Tatsächlich wirkt «SOKO München – Restart» in seiner Zusammensetzung unausgegoren. Die Autoren Mike Viebrock, Enno Reese und Flying Nuns beschäftigten sich in Folge eins nur am Rande mit dem übergeordneten Fall um eine mutmaßliche Gefangenenbefreiung.

Kaum mehr als fünf Minuten Sendezeit wird der Geschichte eingeräumt, in deren Rahmen Arthur Bauer zunächst von der verdeckten Ermittlung in einem Boxclub in Kenntnis gesetzt wird, ehe dieser Franz Ainfachnur mit selbiger betraut. Nach Episode eins, an dessen Ende Franz erstmals das Gym aufsucht und ohne große Mühe einen Job beim mutmaßlichen Drahtzieher des Verbrechens ergattert, bleibt unklar, ob die groß angekündigte horizontale Erzählung mehr wird als schmückendes Beiwerk oder ob man den Fall künftig sogar in ganzen, eigenständigen Episoden fortführt, was wohl die sinnvollste Variante wäre. Alles in allem kommt der Undercover-Mission jedoch zu wenig Sendezeit zu, als dass sich die Zuschauer bereits auf die Fortführung dieser spärlich erzählten Geschichte freuen könnten.

Obwohl der konspirativen Aktion um den Gefangenentransport kaum Zeit eingeräumt wird, merkt man leider auch den Ermittlungen im Fall um die toten Suchtpatienten an, dass ihnen genau diese Zeit fehlt, um einen spannenden und anspruchsvollen Fall der Woche zu kreieren. So waren die Macher augenscheinlich gezwungen, in ihrer Erzählung viele Abkürzungen zu nehmen, um den Zuschauer in Form von Dialogen mit allen Entwicklungen und Gedanken der Ermittler vertraut zu machen, anstatt sich einer zeitaufwändigeren, organischen Entwicklung des Falls zu verschreiben, Fragen offen zu lassen und die Fernsehenden dadurch zum Miträtseln zu bewegen.

Somit erübrigt sich auch das klassische ‚Whodunit‘, da einfach zu wenig Protagonisten für den Mord am ermordeten Jacob in Frage kommen. Anders als es die Episodenbeschreibung von Senderseiten glaubhaft machen will, rücken der Vater der durch einen Suizid ums Leben gekommenen Julia und Jacobs Mutter nie ernsthaft ins Visier der Fahnder. Diese Rolle kommt schon von Beginn an Klinikleiter Dr. Borchert zu, der die jugendlichen Suchtpatienten vor allem durch Meditation anstatt durch „Verneblungsschrott“ der Pharma-Industrie heilen will. Während alle Klinikinsassen dem charismatischen Pädagogen aus der Hand zu fressen scheinen, durchschaut ihn einzig das Duo um Arthur Bauer und Theo Renner (Michel Guillaume) als zwischenmenschlich versierten Blender, was die musikalische Untermalung ihrer ersten Begegnung noch einmal zementiert.

Von Anfang an wird deutlich gemacht, dass der von Andreas Pietschmann sehenswert dargestellte Dr. Borchert Dreck am Stecken hat, wobei man sich gleich mehrerer Aufnahmen bedient, in denen der Klinikleiter unheilvoll aus Fenstern oder Verstecken auf die Ermittler herabblickt. Dass es ganz so einfach letztlich doch nicht ist, war zu erwarten, die Auflösung bleibt jedoch aufgrund der hektischen Erzählweise, die kaum Spannungsaufbau zulässt, wenig eindrucksvoll. Der Hauptcast um die «SOKO»-Ermittler macht seine Sache gewohnt souverän, dafür fallen andere Figuren auch aufgrund der zeitbedingt rudimentären Charakterzeichung zuweilen negativ auf. Beispielsweise Jacobs Zimmergenosse Patrick Kehlheim, der seinen Charakter Dominik Nowak mit viel Pathos und Over-Acting verkörpert – allerdings lassen seine Dialoge mit häufig gestelzt jugendlichen Ausdrücken und großen Stimmungsschwankungen oft auch nichts anderes zu.

Noch ist nicht klar abzusehen, in welche Richtung sich «SOKO München» mit seiner neuen Erzählweise in den nächsten Folgen entwickeln wird. Die Strategie der ersten Folge sollte jedoch im Rahmen weiterer Ausgaben überdacht werden, denn während der horizontal erzählte Fall aufgrund von zu wenig Sendezeit kaum Dringlichkeit erzeugt, muss der ‚Case of the Week‘ aufgrund des Zeitdrucks viele Kompromisse eingehen, die dem Sehvergnügen stark abträglich sind. Mit der Neuausrichtung könnte man sich verhoben haben, da können die größtenteils tadellosen Leistungen von Regie, Musik und den Hauptdarstellern nichts ändern, die aus der Hektik des Buchs das Beste herausholen müssen.

Das ZDF zeigt «SOKO München - Restart» am Montag, dem 4. Januar 2016 ab 18.05 Uhr.

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