«Anne Will» - Sendeplatzgeschichte
- September 2007: Start am Sonntag um 21:45 Uhr (nach dem Ende von Sabine Christiansen und der vorläufigen Absage von Günther Jauch)
- August 2011: Wechsel auf den Mittwoch um 22:45 Uhr (Jauch sagte nun doch für eine ARD-Moderation zu)
- Januar 2016: Rückkehr am Sonntag um 21:45 Uhr (Jauch wollte seine Sendung nicht fortsetzen - «Maischberger» wechselt auf den vorherigen Will-Slot)
Und das nahezu in jeder Hinsicht: Inhaltlich hätte man sich schwer ein anderes Thema als die Migrations- und Flüchtlingspolitik vorstellen können, die den politisch-gesellschaftlichen Diskurs generell seit Monaten und ganz besonders stark seit den Übergriffen von mehrheitlich nordafrikanischen Migranten in Köln am Silvesterabend dominiert. Das Studio wurde ein wenig überarbeitet, was allerdings der Gelegenheitszuschauer kaum gemerkt haben dürfte. Das Intro bleibt komplett unverändert, auf große visuelle oder akustische Spielereien, die ohnehin in den seltensten Fällen TV-Formate inhaltlich vorantreiben, hat man verzichtet. Und Will selbst verzichtet komplett auf große Reden betreffs ihres neuen Sendeplatzes. Ja, eigentlich scheint alles wie immer - auch wenn es allen Beteiligten klar sein dürfte, dass Will nach dem «Tatort» deutlich mehr als die rund anderthalb Millionen Menschen wird erreichen müssen, die zuletzt am späteren Mittwochabend der Normalfall waren.
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Wills Rückkehr am Sonntag dagegen verlief weitgehend in den gewohnten Bahnen einer Sendung dieser Couleur. Am bissigsten tritt noch Stefan Aust auf, dessen offensichtliches Ziel es ist, die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung - in diesem Fall vertreten durch Peter Altmaier - scharf zu attackieren und sie als weitgehend wirkungslos zu entlarven. Das gelingt ihm über weite Strecken ziemlich gut und befeuert die Kontroversität dieser Runde, wobei er auch zu weitaus markigeren Worten greifen kann als der um die öffentliche Beruhigung und Enthysterisierung bemühte Altmaier. Eine lobenswerte Bereicherung stellt Mansour dar, der ähnlich wie Aust nicht um klare Kritik verlegen ist, bei dem diese aber weitaus weniger forciert wirkt und der in der gesamten Runde am ehesten den Eindruck vermittelt, nicht in erster Linie vorgefertigte Inhalte unterbringen zu wollen. Ohnehin täte das Team um Will gut daran, auch künftig nicht bloß namhafte Gäste aus der Spitzenpolitik einzuladen, die in erster Linie ihr Parteibuch runterrasseln - Gäste wie Altmaier eben, die für die Relevanz einer solchen Sendung sinnvoll sind, meist aber eben in Sorge um ihren Posten vornehmlich vorgefertigte Phrasen zum Besten geben.
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Das ist dann auch letztlich der Kritikpunkt, den man generell für die erste «Anne Will»-Sendung seit 2011 am Sonntagabend anbringen mag: Man wagt nicht wirklich etwas Neues, liefert eine in jeder Form grundsolide Leistung ab, umschlingt das Publikum aber auch nicht gerade, damit es keinen Gedanken daran verschwendet, vielleicht doch mal zu schauen, was denn die weiteren Fernsehsender so um 21:45 Uhr zu bieten haben. Eigentlich passt all das besser zu einem späteren Slot an einem weniger hart umkämpften Tag als den Sonntag. Aber Will ist die solideste Polittalkerin der ARD, hat sich die Rückkehr vor größerer Bühne nach Jahren guter Arbeit verdient und sich darüber hinaus boulevardesken Themen rund um Baumarkt-Tests und ähnlichem Firlefanz weniger angebiedert als der eine oder andere ihrer Kollegen. Insofern ist sie inhaltlich die bestmögliche Alternative für einen stimmigen Polittalk am Sonntagabend - ob sie auch das Zeug zur Quotengöttin hat, darf dagegen stark in Frage gestellt werden.