Es war einmal ein Roddenberry
1966 begann eine Erfolgsgeschichte, die niemand hätte vorhersehen können und die im TV-Bereich ihresgleichen sucht. Gene Roddenberry (Foto links) erschuf «Star Trek» – und obwohl die Serie bereits nach drei Jahren dem Quotentod erlag, wurde daraus in den Folgejahren etwas Größeres.
Erst folgte eine halbgare Zeichentrickserie, dann vier erstklassige Spin-Offs und nebenbei gab es sogar noch zehn größtenteils sehr erfolgreiche Kinofilme. Just als der Lack zunehmend blätterte, gelang dank J. J. Abrams ein erfolgreiches Reboot der klassischen Serie im Kino. Der dritte Teil unter der Regie von Justin Lin («The Fast and the Furious») geht unter dem Titel «Star Trek Beyond» im Juli an den Start.
„
Star Trek was an attempt to say that humanity will reach maturity and wisdom on the day that it begins not just to tolerate, but take a special delight in differences in ideas and differences in life forms. […] If we cannot learn to actually enjoy those small differences, to take a positive delight in those small differences between our own kind, here on this planet, then we do not deserve to go out into space and meet the diversity that is almost certainly out there.
”
Gene Roddenberry über den Kern von «Star Trek»
Es könnte also alles so schön, rosarot und einfach sein, was, wie so oft im Leben, jedoch bei genauerem Hinsehen aber leider nicht der Fall ist.
Facts for Starters
Nimmt man die erste Presseerklärung als Basis, deutet aktuell alles auf eine weitere Raumschiff-Serie hin, in der eine bunt gemischte Besatzung Abenteuer in den Weiten des Alls erlebt. So weit, so unspektakulär - hatten sich doch außer «Star Trek: Deep Space Nine» alle Inkarnationen dieser Prämisse bedient.
Weiterhin bekannt ist, dass die Serie im Januar mit einer Pilotfolge auf CBS frei empfangbar starten und danach exklusiv zum Streaming-Dienst des Senders, CBS All Access, wechseln wird.
(The) CBS (not) All (can) Access
Steckbrief
Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Als es 1995 an der Zeit für «Star Trek: Voyager» war, bereitete man seitens Paramount gerade den Start des eigenen Senders UPN (der durch eine Zusammenlegung mit The WB später zu The CW wurde) vor. Die Serie wurde ausgewählt, den Launch des Senders zu begleiten und als Zugpferd zu fungieren.
Nun wird «Star Trek» also Premiumprodukt für CBS All Access, einem Streaming-Dienst, der seit seinem Start im Jahr 2014 noch keine großen Marktanteile generieren konnte, findet man dort doch bisher ausschließlich CBS-Content und dazugehörende Making-Ofs. Ein potentielles Zugpferd wie «The Big Bang Theory» fehlt hingegen, da es sich dabei um eine Warner-Produktion handelt für die CBS keine Streaming-Rechte hält.
Was die eingefleischten Trekkies angeht, muss man konstatieren: Große Freude sieht irgendwie anders aus, zwingt CBS die Fans doch, neben den etablierten Konkurrenten wie Netflix und Amazon einen weiteren Dienst zu abonnieren – um eventuell eben nur diese eine Serie zu sehen. Ob dieser Plan aufgeht, ist zumindest fraglich, es sei denn man schafft es bis zum Start, weiteren lohnenden Content anzubieten. Aktuell scheint es so, dass zumindest alle Trek-Serien ihre neue Heimat unter diesem einen gemeinsamen Dach finden werden. Doch ob das wirklich reicht?
Die Pläne für alle Länder außerhalb der USA stehen übrigens noch nicht fest – denkbar ist, dass es zum Beispiel für deutsche Fans eine Kooperation mit genannten Amazon, Netflix oder aber auch Sky geben könnte.
Das Kurtzman-Problem
„
That’s what’s interesting about Star Trek; all of us have the potential to have 40-plus years of expertise on it, so to pretend like we’re the only Ph.d’s on the subject is folly.
”
Alex Kurtzman über die Faszination, für «Star Trek» zu schreiben
Als Autor war er an «Star Trek», dem ersten Reboot-Film aus dem Jahr 2009 beteiligt, als Autor und Produzent vier Jahre später ebenfalls am direkten Nachfolger «Star Trek Into Darkness» – seine bisher einzigen direkten Verbindungen zur Franchise.
Im Serienbereich startete er als Produzent und Autor an «Xena» und «Hercules», arbeitete als Teil der Bad Robot-Gang an «Alias» und «Fringe» mit, um schließlich auch abseits davon, oft gemeinsam mit Bob Orci, an Serien wie «Hawaii Five-0», «Sleepy Hollow» oder zuletzt «Scorpion» und «Limitless» zu arbeiten.
Gemeinsam mit Orci gründete er auch 2009 die Firma K/O-Paper Products, die seitdem sowohl im Serien- wie im Filmbereich aktiv ist. Verantwortlich für die Seriensparte ist dort die 43-jährige Heather Kadin, die als Produzentin ebenfalls an allen jüngsten Projekten beteiligt war. Mit ihr gemeinsam soll er nun auch die neue Trek-Serie produzieren.
Doch was heißt das im Klartext? Kurtzman scheint bisher eher der Mann fürs Grobe zu sein. Seine Film-Credits umweht der Hauch blutleerer Dutzendware mit Massenappeal. Seine eigenen Serien waren fast durchweg aufgewärmte Stoffe. Über seinen Anteil am Gelingen von «Alias» und «Fringe» kann man nichts Konkretes sagen und sein zweiter Trek-Beitrag «Star Trek Into Darkness» fiel bei vielen Fans durch – und war zudem ebenfalls mehr Plagiat als Hommage. Auf der Habenseite muss man jedoch erwähnen, dass ihn auch die Aura des Erfolgs begleitet. Etwas, was «Star Trek» aktuell gut gebrauchen könnte.
Dennoch steht fest: Kurtzman und Kadin alleine können keinen Fan aus der Deckung holen.
Alles Fuller oder was?
„
It is without exaggeration a dream come true to be crafting a brand new iteration of ‘Star Trek’(...)
”
Bryan Fuller über seine Beteiligung an der neuen Star Trek-Serie.
Und tatsächlich konnte er zwei seiner Ideen verkaufen, die zu den guten Episoden „The Darkness and the Light“ und „Empok Nor“ wurden. Er erhielt einen Posten als Autor bei «Star Trek: Voyager» und schrieb nicht nur weitere 20 Episoden, sondern arbeitete sich in den letzten vier Jahren der Serie auch bis zum Co-Producer hoch.
Fuller hatte somit den Fuß in der Tür und ging bald eigene Stoffe an. Mit «Dead like me» erschuf er eine skurrile Serie, die zwar eine treue Fanbase fand, ihn aber nicht glücklich machte. Wegen Differenzen über die kreative Ausrichtung verließ er die Produktion bereits in der ersten Staffel. Kurze Intermezzi wurden in gewisser Weise zur Geschichte seines Wirkens. Das verrückt-charmante «Wonderfalls» lief nur eine Staffel, das von vielen zurecht heiß geliebte «Pushing Daisies» immerhin zwei und sein «The Munsters»-Reboot «Mockingbird Lane» kam gar nicht über einen durchaus gelungenen Piloten hinaus.
Die zurückliegenden drei Jahre arbeitete Fuller an seiner Version des Thomas Harris-Romans Roter Drache und erschuf mit «Hannibal» eine der visuell beeindruckendsten, bestgeschriebenen und gespielten Dramen der TV-Geschichte. Die Quoten waren von Beginn an eine Katastrophe, doch wurden aufgrund einer äußerst treuen Fangemeinde und höchstem Kritikerlob immerhin drei Staffeln produziert, was Fuller erlaubte, die Handlung würdig abzuschließen.
Somit ist Bryan Fuller das krasse Gegenstück zum kommerziell erfolgreichen, aber inhaltlich fragwürdigen Kurtzman. Fuller steht für Stil, Inhalt, Umsetzung, Dialog- und Charakterfeinschliff und brillantes Casting. Mit diesen beiden Männern wagt man eine sehr ungewöhnliche Mischung, die aber durchaus das Potential für eine Überraschung hat, wenn beide ihre Kompetenzen einbringen, um «Star Trek» in die Zukunft zu führen.
Konfliktpotential birgt sie jedoch selbstverständlich auch, gerade wenn Kommerzdenken und Geektum aufeinander treffen. Hier darf man gespannt sein, wer letztlich die Fäden in der Hand hält – oder die Reißleine zieht?
„
I am openly gay, and I think I feel a responsibility to have gay characters on shows I create. I had a gay character on Dead Like Me, and unfortunately after I left that show they made the character straight, which I did not appreciate (...) I can write about the perspective of being gay because I know what that feels like. It’s not a point of view that you see often on TV, so it’s a little more fresh, a little less trodden, and just opens the door on storytelling.
”
Bryan Fuller über homosexuelle Chraktere in TV-Serien
Wird er also versuchen, die fröhliche Leichtigkeit und den Forschergedanken der Classic-Serie mit den besten Ingredienzen von «DS9» zu kombinieren? Denkbar – und fast zu schön um wahr zu sein.
Fuller, der offen mit seiner Homosexualität umgeht, könnte zudem einen von vielen Fans lange gehegten Wunsch erfüllen und den ersten offen nicht heterosexuellen Charakter in einer Trek-Serie einführen. Und warum nicht direkt als Captain? Nach Ladykiller und Draufgänger Kirk, dem kahlköpfigen Diplomaten Picard, dem farbigen allein erziehenden Vater Ben Sisko, der ersten Frau in dieser Position mit Kathryn Janeway und dem sympathischen Jedermann Archer ein vielleicht nicht ganz unlogischer Ansatz. Auch wäre jedoch ein außerirdischer Captain denkbar. Ein Andorianer vielleicht (Foto links)?
Auch spannend wird zu sehen sein, ob er weiterhin seiner Angewohnheit folgt, immer wieder auf die gleichen Schauspieler zurückzugreifen. Sollte er zum Beispiel ein zweites Mal Mads Mikkelsen zur Mitarbeit bewegen können, würde sich vermutlich kaum jemand beschweren.
Ein aktuelles Gerücht dieser Woche besagt, dass Tony Todd, den viele aus der grandiosen Episode "The Visitor" («DS9») oder als Worfs Bruder Kurn kennen dürften, nach eigener Aussage auf einer sehr kurzen Casting-Liste für die Serie stehen soll. Schauspielerisch wäre der äußerst charismatische Mime in jedem Fall ein Volltreffer. Doch bevor es ans Casting geht, muss ohnehin erst einmal der grobe Rahmen abgesteckt werden.
Lesen Sie auf der nächsten Seite, in welcher Zeitlinie die neue Serie spielen kann, welche Autoren in Frage kommen, was man von den Inhalten erwarten darf und wie groß die Fanbase überhaupt noch ist.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel