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Quo vadis «Star Trek»? – Ein Dinosaurier zwischen Exitus und Neuanfang: Gerüchte und Gedanken zur neuen Serie

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Wie erweckt man eine TV-Legende wieder zum Leben, die 50 Jahre, über 700 Episoden und eine schier unerschöpfliche Mythologie mit sich herum schleppt? Björn Sülter stellt Fragen und gibt Antworten.

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Original-Timeline, Reboot-Timeline oder ganz andere Timeline?


Für viele Fans ist die einzig relevante Zeitlinie die der bisherigen fünf Serien und zehn Kinofilme der beiden Crews rund um die Captains Kirk und Picard. Das Abrams-Reboot setzte eine neue, veränderte Zeitlinie in Gang, die seitdem zumindest für diese Filme gilt.

Star Trek-Serien

  • Star Trek (1966-1969)
  • Star Trek: The Next Generation (1987-1994)
  • Star Trek: Deep Space Nine (1993-1999)
  • Star Trek: Voyager (1995-2001)
  • Star Trek: Enterprise (2001-2005)
Fuller hätte nun die Möglichkeit, entweder die erste oder die zweite Variante als Heimat für sein Projekt zu wählen. Oder etwa nicht? Denn ein Satz in einem Variety-Artikel ließ aufhorchen: The creative plan is for the series to introduce new characters and civilizations, existing outside of the mythology charted by previous series and the current movie franchises. Man mag diese Zeilen als Fakt oder Vermutung ansehen, da Variety niemanden direkt zitiert. Sollte er jedoch begründet sein, wären einige Interpretationen möglich.

Einerseits könnte man ihn als Hinweis auf eine ganz neue, dritte Zeitlinie sehen. Damit würde man jeglichen eventuellen Ballast aus über 700 Episoden und insgesamt 13 Filmen über Bord werfen. Doch macht das Sinn? Braucht man für diesen Ansatz einen selbsterklärten Fan, der alle Serien in- und auswendig kennt? Vielleicht. Aber viel Sinn macht es nicht.

Andererseits könnte man aber eben auch schlicht einen Plan verfolgen, der zwar einige Beschränkungen über Bord wirft, aber dennoch auf dem aufbaut, was man kennt. Nur wie kann das gelingen?

Sequel, Prequel oder ein Tanz aus der Reihe?


Ein erneutes Prequel erscheint am unwahrscheinlichsten. Mit «Star Trek: Enterprise» hatte man von 2001 bis 2005 diesen Ansatz versucht und war sowohl am eigenen Anspruch als auch an Umsetzung und Fanbasetauglichkeit gescheitert. Zudem würde es dem zitierten Satz in jeder Hinsicht widersprechen.

I told CBS... I want to create another Star Trek series and have an idea that I'm kicking around. I would love to return to the spirit of the old series with the colors and attitude.
Bryan Fuller im Jahr 2009
Ein Sequel würde wieder die Frage nach sich ziehen, in welcher der beiden aktuell etablierten Zeitlinien es angesiedelt wäre. Doch würde man beispielsweise schlicht einige Jahrhunderte in die Zukunft springen, wäre diese Frage auf einmal gar nicht mehr so relevant, da die Historie der „alten“ Serien dann gar keine allzu große Relevanz besäße. Man könnte gar ein Sequel ansetzen, bei dem gar nicht klar erklärt wird, in welcher der beiden Versionen es spielt. Gar nicht uninteressant.

Auch könnte man eine vollkommen veränderte Situation darstellen, die die Menschheit und die Föderation (oder was davon übrig ist) an einem ganz anderen Punkt ihrer Entwicklung zeigen. Man könnte neue Spezies etablieren, neue Bereiche des Alls erkunden. Die Möglichkeiten wären sicherlich vielfältig, doch muss auch die Frage erlaubt sein, wie viel Zukunft der Zuschauer verträgt. 28. Jahrhundert? 30. Jahrhundert? Bar jeder Vorstellung eigentlich. Und eigentlich noch nicht einmal ausreichend weit gefasst. Durch Zeitagent Daniels aus «Star Trek: Enterprise» haben die Fans nämlich sogar schon kleine Einblicke ins 31. Jahrhundert erhalten; keine einfache Aufgabenstellung für die Produzenten.

Die immer wieder gerne zitierte Mirror-Universe-Idee (Foto links) könnte natürlich ebenfalls zum Einsatz kommen – doch auch dort gäbe es zumindest ansatzweise bekannte Eckdaten aus diversen Episoden, die jedoch ebenso bei einem großen Sprung in die Zukunft an Relevanz verlieren würden.

Auch eine Variante rund um ein Schiff voller zeitreisender Agenten wäre denkbar – gerade weil ein gewisser Bryan Fuller am Drehbuch der Voyager-Episode "Relativity" beteiligt war, die einen solchen Hintergrund zeigte. Hier würde man jedoch auch wieder ausgetretene Pfade aus «Star Trek» selber und Serien wie «Sliders »oder «Time Trax» beackern. Unwahrscheinlich.

Der Schlüssel: The Writer´s Room


Abseits von inhaltlichen Überlegungen gibt es noch eine weitere Zutat, die in großem Maße über Wohl und Wehe der neuen Serie entscheiden wird. Nicht immer ist es nämlich der Captain, der ein Schiff gegen den Eisberg setzt, seine Crew hat dabei auch ein gewichtiges Wort mitzureden.

Somit wird spannend zu beobachten sein, aus welchen Ecken Fuller & Co ihre Autoren wählen werden. Neue Gesichter? Genre-Größen? Koryphäen abseits des Trek-Lore? Fan-Favoriten wie Ronald D. Moore («Battlestar Galactica») oder Ira Steven Behr («DS9», Foto rechts)? Oder wird es gar den üblichen Verdächtigen Brannon Braga zurück zu seinen Wurzeln ziehen? Ein gesunder Mix aus all diesen Töpfen wäre vermutlich die beste Lösung.

Am 26.02. wurde bekannt, dass Produzent, Autor und Regiesseur Nicholas Meyer (70), der vielen sicher von seinen Arbeiten an «Star Trek II: The Wrath of Khan», «Star Trek IV: The Voyage Home» und «Star Trek VI: The Undiscovered Country» bekannt ist, als erster Autor zum neuen Writing Staff hinzustößt. Für Fans sicher eine große Überraschung und wunderbare Nachricht.

Ein Blick in die Speisekarte


Somit hätten wir das wann, wo, wer und mit wem besprochen. Doch gibt es abgesehen davon noch eine weitere Baustelle: Wovon soll die neue Serie denn eigentlich handeln? Unbestritten ist: «Star Trek» hat in 50 Jahren eine Menge Themenbereiche durchgehechelt. Politik, Religion, Krieg, Terrorismus, soziale Not, Liebe, Mord, Verrat - und sich dabei in allen denkbaren Spielarten wie Thriller, Kammerspiel, Krimi, Gerichtsserie oder Actionreißer versucht.

Und nicht jeder Fan mochte jede eingeschlagene Richtung, oder jede Episode, oder jede Crew, oder jede Serie, oder jeden Film. Nein, der gemeine «Star Trek»-Fan ist ein unberechenbares und eigenwilliges Geschöpf. So sehr, dass auch seitens der Produktion seit geraumer Zeit niemand mehr wirklich wusste, was er denn nun eigentlich mochte – oder wollte.

J. J. Abrams (Foto links) führte diese Erkenntnis sogar so weit, dass er für sein Kino-Reboot gar nicht mehr auf die wahren Fans abzielen wollte, sondern lieber den Ottonormal-Kinogänger ins Visier nahm. Mit Erfolg. Doch ist Abrams eben auch ein Meister des Mainstream – Fuller ist das jedoch ganz sicher nicht. Und selbst wenn er denselben Weg wählen würde: Wer glaubt ernsthaft, dass der Ottonormal-Fernsehzuschauer wegen einer vielleicht ganz gelungenen, im Free-TV ausgestrahlten, Episode gleich einen ganzen Streaming-Dienst abonniert? Nein. Man wird hier eindeutig auf die Fanbase setzen müssen. So oder so.

Was darf es also sein? Cowboy-Gehabe oder feingeistige Diplomatie? Action oder Kammerspiel? Optimismus oder Pessimismus? Mut zu Neuem oder Festhalten am Alten? High-Concept-SF oder lieber bodenständige Themen? Von allem ein bisschen? Die eierlegende Wollmilchsau?

«Star Trek» beherrscht alle diese Spielarten – doch wie kombiniert man sie in einer Serie? Wie stellt man das Gros der Fans zufrieden? Ein schier unlösbares Logikpuzzle, um das niemand die Produktionscrew beneiden dürfte. Hier haben wir den deprimierenden Fall, dass man Bryan Fuller zwar den Schlüssel zum Candy-Store übergegeben hat, er aber unter Umständen leider nur Gucken und nicht hemmungslos Naschen darf.

Wie groß ist die Fanbase eigentlich noch?


Wenn wir nun also davon ausgehen, dass es tatsächlich die wahren Fans sind, die man primär ins Visier nehmen möchte, muss man sich auch noch einige Fragen stellen: Wie viele gibt es davon noch? Wie alt sind diese heutzutage? Wie groß ist ihr Interesse noch? Der schleichende Zuschauerverlust von «Star Trek: Deep Space Nine» und «Star Trek: Voyager» in den 90ern, das Scheitern von «Star Trek: Enterprise» und die Box-Office-Fehlschläge von «Star Trek: Insurrection» und «Star Trek: Nemesis» haben eindeutig gezeigt: Selbstläufer geht anders. Außenstehenden wurde „das alte Star Trek“ zu komplex und die Fanbase selber zerfaserte mehr und mehr. Nur der erwähnte Reset und die Anbiederung an den Kino-Mainstream zog zuletzt. Zwar war auch dabei noch eine Prise Star Trek im Spiel, für eine neue TV-Serie wäre diese Prise aber vielen Fans mit Sicherheit zu wenig. Egal wie groß die Fanbase noch sein mag.

Fazit


Die neue Serie muss einschlagen – eine weitere Chance im TV wird «Star Trek» so schnell nicht mehr erhalten. Fuller und sein Team müssen von Beginn an den richtigen Ton treffen und ihre Vision verkaufen. Auf wen sie sich dabei jedoch noch verlassen können, ist auch dank der Unberechenbarkeit des Streaming-Deals so unsicher wie nie zuvor. Klingt irgendwie nach Quadratur des Kreises. Fast möchte man kurz in eine ganz andere Galaxie wechseln und Fuller zurufen: Möge die Macht mit dir sein. Du wirst sie brauchen, Bryan.
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Ich habe diesen Artikel gelesen, aber kein Wort verstanden
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Über 700 Episoden sind mehr als genug!
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