Die Kritiker

«Tatort - Sternschnuppe»

von

Eineinhalb Stunden lang spielen sich Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer durch verschenktes Potential. Der Wiener «Tatort» bleibt erneut weit hinter seinen Möglichkeiten.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Thomas Stipsits als Manfred Schimpf
Michou Friesz als Dr. Susi Freud
Rafael Haider als Aris Graf
Aglaia Szyszkowitz als Angelika Hausberger
Ruth Brauer-Kvam als Samy Graf

Hinter der Kamera:
Produktion: E&A Film GmbH
Drehbuch: Uli Brée
Regie: Michi Riebl
Kamera: Richi Wagner
Produzenten: Markus Pauser und Erich Schindlecker
Der erfolgreiche Wiener Musikmanager Udo Hausberger wird tot in seinem luxuriösen Haus aufgefunden. Nackt. Erdrosselt. Sieht nicht schön aus. Ein schiefgegangener Strangulations-Fetisch, kann man zunächst annehmen. Dass er auf sowas steht, ist in seinem engeren Umfeld allgemein bekannt. Mit seiner Gattin Angelika führte er eine offene Ehe: Sie hat ihren Toyboy Benny und er lässt sich von seinen Partnern und Partnerinnen die Luft abschnüren.

Doch dann finden Eisner und Fellner, beziehungsweise ihre Kollegen aus der Gerichtsmedizin, einen Fetzen Papier, der tief in der Luftröhre des Toten steckte. Auf diesem Zettel: der Text eines Songs, den Aris Graf, Teilnehmer am fiktiven «DSDS»-Verschnitt „Sing your Song“, nächste Woche in der Finalsendung singen soll. Hausberger saß dort in der Jury und schien mit den Kandidaten nicht gerade zimperlich umgegangen zu sein: „Dagegen is‘ der Bohlen ein Ministrant.“

Es dürfte nicht überraschen, dass es hinter den Kulissen dieser Castingshow zugeht, wie sich das nicht einmal Holger Kreymeier vorstellen dürfte. Eine belämmerte Redakteurin produziert als Rädelsführerin abstoßend rührselige (und zu weiten Teilen unwahre) Einspieler über ihre Retortenmusiker, deren Sieger sechzig Prozent seiner Einnahmen an Sender und Musikmogul Hausberger abdrücken muss, auch wenn es sich dabei nur um einen läppischen Hunni aus einem mehr oder weniger entwürdigenden Auftritt bei einer Kinderfreizeit handelt. Der Juror ist ein Tyrann, der von seinen Zöglingen weniger musikalisches Talent denn allerhand sexuelle Gefälligkeiten fordert. Die Zuschauer werden beschissen, die Kandidaten betrogen und die Musiker stehen in Österreich ohnehin vor einer scheußlichen Wahl: Entweder sie singen, was sie ernährt, oder das, was ihnen gefällt. Dann müssen sie aber auch hauptsächlich vom Kellnern und der Stütze leben.

Daran mag zwar vieles stimmen: Doch man hat nicht nur schon vielschichtigere Hinter-den-Kulissen-Verrisse gesehen, sondern auch substanziellere. Dieser «Tatort» kann nur wenig filmisch zeigen, und ladet den meisten Teil seiner Casting-Kritik in viel zu didaktisch und aufgesetzt geschriebenen wie aufgesagt gesprochenen Dialogen ab. Gerade in Verbindung mit der einfallslosen Ästhetik und der penetranten Piano-Musik-Untermalung, die eher der einer beliebigen Vorabend-Soap denn eines wesentlich teureren Prime-Time Sozialdrama-Krimis würdig ist, macht das leider keinen packenden Film, sondern ein hyperventilierendes Lehrstück, das nicht mehr über Ruhm und Absturz zu sagen hat als das Offensichtliche.

Besser gefallen dagegen die beiden Hauptfiguren, die sich durch ihre Ermittlungen einer Konfrontation mit sich selbst stellen müssen: Beide sind unzufrieden mit ihrem Single-Leben, und neue Partnerschaften wollen aus verschiedenen Gründen nicht gelingen. Erst recht nicht miteinander. Diese Einsamkeit und emotionale Isolation können Krassnitzer und Neuhauser ganz hervorragend darstellen, wunderbar nahbar und einfühlsam. Wenn dieses Fingerspitzengefühl, diese Kraft in den Dialogen und diese sinnige Figurenführung auch im Kriminalfall wiederzufinden wäre anstatt den dort grassierenden hundertfach gehörten und völlig abgenutzten Litaneien von der völligen Selbstaufgabe von Retortensängern, wäre „Sternschnuppe“ ein toller Film geworden.

So wie er geworden ist, kann er sich nur auf Eisner und Fellner verlassen, um nicht auf ganzer Linie zu versagen. Und Eisner und Fellner wären wiederum nichts ohne Krassnitzer und Neuhauser.

Vor einigen Folgen herrschte beim österreichischen «Tatort» noch pari zwischen der Dramaturgie und der Inszenierung, zwischen Drehbuch auf der einen Seite und Cast, Regie und Ästhetik auf der anderen Seite. Stimmige, relevante Themen und Plots ließen die beiden Hauptdarsteller zu Höchstleistungen auflaufen, die wiederum mühelos jede Nuance des Drehbuchs fein austariert transportieren konnten. Seit einiger Zeit aber – und „Sternschnuppe“ ist hier nur eine weitere Episode – müssen die beiden Schauspieler mit großer Not ein unterdurchschnittliches Buch in die Erträglichkeit spielen.

Wäre schön, wenn sich das bald aufhören würde.

Das Erste zeigt «Tatort – Sternschnuppe» am Sonntag, den 7. Februar um 20.15 Uhr.

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