Sonntagsfragen

'Wir müssen die Konsumenten wieder für anspruchsvollere Formate begeistern'

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Bösewichter stehen ihm gut zu Gesicht: Auch in der neuen RTL-II-Serie «Gottlos» wurde Antonio Wannek als solcher besetzt. Mit uns sprach er im Interview über die Kritik am Titel des Formats und über seine Arbeit mit Regisseur Thomas Stiller.

Zur Person:

Antonio Wannek wurde am 27. Juni 1979 in Berlin-Kreuzberg geboren. Nach ersten Schauspielengagements im Rahmen von Serien und Fernsehfilmen, erhielt der heute 36-Jährige bereits 1997 im Drama «Gomez - Kopf oder Zahl» die erste Hauptrolle in einem Kinofilm. Für seine Arbeit am Fernsehfilm «Herzrasen» wurde er mit dem Günter-Strack-Fernsehpreis ausgezeichnet, ehe er 2002 für sein Engagement an «Der Felsen» den Shooting Star Award auf der Berlinale erhielt. Für den Kinofilm "Wie Feuer und Flamme" wurde Wannek im gleichen Jahr für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, woraufhin er sich in Anbetracht des immer größeren Medienrummels für kurze Zeit aus der Branche zurückzog. In den vergangenen Jahren trat Wannek vor allem in deutschen Fernsehfilmen, oder in Episodenrollen von Serien und Reihen wie auf.
Herr Wannek, an Krimis mangelt es im deutschen Fernsehen wahrlich nicht, vor allem die Öffentlich-Rechtlichen produzieren viel in diesem Bereich. Wie hebt sich «Gottlos» ihrer Meinung nach inszenatorisch vom Rest der deutschen Krimilandschaft ab?
Bei zwei Punkten hebt es sich definitiv ab, das merkt man als Schauspieler auch der besonderen Herangehensweise an dieses Projekt an. Die Folgen hören da auf, wo ein normaler Krimi erst beginnt, das heißt, es geht nicht um die Aufklärung eines Verbrechens sondern um die Umstände, die zu dem Verbrechen geführt haben. Es ist sehr kontrovers und es macht viel Spaß, eine Geschichte auf diese Art zu erzählen. Zusätzlich ist «Gottlos» von Motiven wahrer Verbrechen inspiriert. Das gibt der Sache noch einmal ein anderes Volumen und man hat ein ganz anderes spezielles Gefühl, wenn man ein solches Drehbuch liest und dann spielt.

Ist es denn überhaupt noch ein Krimi oder nicht doch ein Drama? Mit Krimis verbindet ja man meist Ermittler, die dann die von Ihnen dargestellten Verbrechen aufklären.
Stimmt, da haben Sie völlig Recht, deshalb nennen wir das Genre auch „Drama-Serie“. Und ein Drama ist es auf jeden Fall, wenn man den Werdegang der Figuren miterlebt. Das berührt einen wirklich und geht sehr nahe.

RTL II gab an, man habe Autor und Regisseur Thomas Stiller völlig freie Hand gelassen. Wie äußert sich das in «Gottlos»?
Während des Drehs kriegt man davon wenig mit. Es ist eher so, dass diese Dinge sich im Vorhinein äußern. Normalerweise muss sich ein Regisseur mit langen Drehbuchbesprechungen herumschlagen, es vielen Leuten rechtmachen, aber gleichzeitig auch seiner Geschichte treu bleiben. Ich kann mir vorstellen, dass es einem Regisseur die Arbeit um Einiges erleichtert, wenn man ihm im kreativen Bereich freie Hand lässt.

Das heißt, Sie als Schauspieler haben in vergangenen Fernsehproduktionen nie ein gewisses Einwirken von Senderseite wahrgenommen, das sich negativ auf die Qualität der Produktion ausgewirkt hat?
Man kriegt das eigentlich nur am Rande mit, zum Beispiel wenn man Dinge, die für einen selbst im Buch keinen Sinn ergeben, mit dem Regisseur bespricht und er einen dann mit großen Augen ansieht und sagt: „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft wir uns darüber schon den Kopf zerbrochen und in ewigen Diskussionen genau über diesen Punkt gesprochen haben.“ Am Ende ist die Lösung oft unbefriedigend. Das macht den Regisseuren und Autoren häufig das Leben schwer. Ich finde es aber immer wieder interessant, die Kinofassung von Filmen mit ihrem Director’s Cut zu vergleichen. Oft gefällt mir der offizielle Schnitt sogar besser als der Director’s Cut.

Sie wurden in Ihrer Karriere meist für harte, teilweise kriminelle Charaktere besetzt. In einem Portrait über Sie titelte der tagesspiegel im Jahr 2013: „Immer verdächtig, nie der Mörder.“ Auch in «Gottlos» spielen Sie einen hitzköpfigen Biker, der seine Frau misshandelt. Wieso liegen Ihnen solche Figuren besonders?
Das Angebot bestimmt die Nachfrage. So ist das eben bei mir. Man kann sagen, dass ich auf der Straße groß geworden bin, in Berlin-Kreuzberg. Dort hatte ich in meiner Jugend viel Kontakt zu Gewalt, Kriminalität und Asozialität. Daraus kann ich jetzt etwas Positives schöpfen. Ich verstehe solche Figuren besser und kann leichter nachvollziehen, wie sie ticken.

Trotzdem wird es ja wohl so sein, dass Sie mit dieser Zeit nicht die besten Erinnerungen verbinden. Fühlen Sie sich dennoch wohl in solchen Rollen?
Den Titel „Immer verdächtig, nie der Mörder“ fand ich damals ungelungen, weil ich ja am Ende meistens entweder erschossen oder verhaftet werde (lacht).
Antonio Wannek über ein früheres Portrait über seine Person
Seitdem ich Vater geworden bin, hat sich mein Empathie-Empfinden stark gesteigert. Mein Sohn ist jetzt vier Jahre alt. In der Zeit habe ich einen starken Entwicklungssprung gemacht und sehe jetzt viele Dinge anders. Ich kann mich sehr gut an den «Tatort: Todesschütze» erinnern, in dem ich auch einen Brutalo gespielt habe. In einer Szene hatte ich Mitleid mit der Opferrolle und habe sehr strukturiert über die Geschichte nachgedacht, bis mir klar wurde, dass solche Menschen sich über diese Dinge nicht den Kopf zerbrechen, sondern direkt die Gewalt suchen und oft sehr primitiv denken. Weil ich mittlerweile mehr darüber reflektiere, muss ich mich auch mehr herunterschrauben, um das authentisch wiedergeben zu können. Bei solchen Figuren kann man Emotionen rauslassen, die man im echten Leben lieber verbirgt. Den Titel „Immer verdächtig, nie der Mörder“ fand ich damals ungelungen, weil ich ja am Ende meistens entweder erschossen oder verhaftet werde (lacht).

Sie haben es bereits angesprochen. Eine Besonderheit von «Gottlos» ist, dass die Geschichten von Motiven realer Verbrechen inspiriert sind. Wie intensiv sind dementsprechend ihre Emotionen beim Spiel? Was geht Ihnen dabei durch den Kopf?
Eigentlich sollte man immer auf diese Art an eine Rolle herantreten, um sie gut zu spielen. Auch bei rein fiktiven Geschichten versuche ich, mir vorzustellen, dass alles echt sei. Bei «Gottlos» fiel mir das entsprechend leichter, denn ich hatte immer im Hinterkopf, dass die Handlung realen Kriminalfällen nachempfunden ist.

Bezüglich der Titelgebung für «Gottlos» gab es einige Proteste. Man warf dem Format vor, dass man durch den Titel bestimmte Weltanschauungen mit der Tötung von Menschen in Verbindung setze. Können Sie die Aufregung nachvollziehen?
Nein, das höre ich jetzt auch zum ersten Mal und finde es etwas befremdlich. Das Originalformat stammt aus den Niederlanden und hieß ebenfalls «Godless». Ich bin auch ein gottesgläubiger Mensch, obwohl ich ohne Religion großgeworden bin und ich finde, in solchen Momenten, in denen Leute dazu getrieben werden, einen Mord zu begehen, kann man wirklich sagen, dass es sich um eine gottlose Tat handelt. Deshalb sehe ich den Titel in einem anderen Kontext. Die Kritik finde ich albern.

Neben Kinofilmen wirkten Sie in den vergangenen Jahren in vielen weiteren deutschen Serien und Reihen mit. Mit „Gottlos“ hat man sich nun ja ein unkonventionelles Projekt gewagt. Welche Dinge fehlen dem deutschen Fernsehen Ihrer Meinung nach trotzdem noch?
Anstatt gegeneinander zu produzieren, sollte man sein Kapital in einen gemeinsamen Topf werfen und eine riesige Serie konzipieren, gut gestalten und dann zusammen drehen.
Antonio Wannek über Zusammenarbeit im deutschen Fernsehen
Zurzeit kommen einige tolle Serien an den Start. Man hat es also jetzt - zehn Jahre später - endlich verstanden, dass sich Qualität durchsetzt und man den klassischen deutschen TV-Konsumenten wieder für anspruchsvollere Formate begeistern muss. Ich finde, man sollte dabei mehr zusammenarbeiten. Anstatt gegeneinander zu produzieren, sollte man sein Kapital in einen gemeinsamen Topf werfen und eine riesige Serie konzipieren, gut gestalten und dann zusammen drehen. Wenn man wirklich den Anspruch hat, an die Qualität von amerikanischen Serien heranzukommen, dann muss man auch dementsprechend arbeiten und dazu gehört eben auch sehr viel Geld.

Ich denke da speziell an Störtebeker. Das ist ein Held der deutschen Geschichte, der mir sehr gefällt. Ich habe selbst schon einen Zweiteiler über das Thema gedreht und es gab noch weitere Filme über die Person, aber immer waren zu wenig finanzielle Mittel vorhanden. Ich würde mich freuen, wenn sich die besten Kreativen des Landes zusammensetzen würden, um eine große Heldenfigur anzulegen.

Im Jahr 2002 wurden Sie mit dem Shooting Star Award des europäischen Films ausgezeichnet und auch für den deutschen Filmpreis nominiert. Kurz danach sollen Sie sich bewusst eine kleine Auszeit genommen haben. Wie kam es dazu?
Es war zwar eine bewusste Entscheidung, aber falsch ausgeführt. Mir ging damals alles zu schnell. Ich bin mit 19 in die Branche reingerutscht und habe im Kinofilm «Gomez – Kopf oder Zahl» sofort die Hauptrolle gespielt. So wurde ich sehr früh bis in den Himmel gelobt und das empfand ich als zu rasant. Ich hatte in den jungen Jahren keine Lust darauf, eine Person des öffentlichen Lebens zu werden und damit etwas von meiner Freiheit zu verlieren. Außerdem habe ich die Gefahr gesehen, dass ich mich als Mensch falsch entwickeln könnte. Wenn man in so einer Position ist, behandeln dich alle Leute als wärst du etwas Besonderes. In diesem Alter glaubt man das schnell und passt sich dann womöglich diesem Umfeld an.
Ich wollte nicht in diesem Rahmen berühmt werden und hatte Angst um mich als Person. Leider hatte ich zu dieser Zeit kein starkes Management, das mich zur Seite genommen und mir nur selektiert Rollenangebote vorgeschlagen hätte, die ich wirklich wollte. So wäre das wohl weiterhin angenehm für mich gewesen, stattdessen habe ich erst einmal alles komplett abgelehnt. Jetzt bin ich gerade dabei, wieder einigermaßen dort hinzukommen. Ich freue mich sehr, wenn ich in einem Kinofilm mal eine Nebenrolle spielen darf (lacht).

Zuletzt standen Sie für den Film «Allein gegen die Zeit» vor der Kamera, den Kino-Ableger der ehemaligen KIKA-Krimiserie und für «Schneeflöckchen». Was können Sie uns über die Produktionen und Ihre Rollen darin erzählen?
In «Allein gegen die Zeit» habe ich lustigerweise mal einen Polizisten gespielt. Das war für mich eine tolle Erfahrung, mal auf der anderen Seite zu stehen. Die Produktion ist natürlich eine ganz andere, weil alles kindgerecht sein muss. Trotzdem wird es ziemlich spannend und sehr dramatisch! Das war echt ein tolles Projekt und es hat viel Spaß gemacht, mit diesen jugendlichen Vollprofis zusammenzuarbeiten. Die Kleinen waren alle richtige Maschinen und außerdem meist noch einen Kopf größer als ich (lacht). Darauf kann man sich sehr freuen.
Und «Schneeflöckchen» ist ein mittlerweile legendäres Projekt. Ich habe das eine ‚Free-Budget-Produktion‘ getauft. Man hatte kein Geld, viele Leute hatten aber Lust auf die Idee. Daher musste man eben öfter mal Drehpausen einlegen, weil viele wichtige Leute in der Zwischenzeit einen bezahlten Job bekommen haben. Die müssen ja auch alle Geld verdienen und deshalb hat sich der Dreh über eineinhalb Jahre hingezogen. Die Post Production ist leider immer noch nicht fertig, weil ja alle unentgeltlich arbeiten. Zum Kreativen: Das ist eine richtig abgefahrene Geschichte und mit keiner deutschen Produktion vergleichbar. Es ist Action, Comedy, Drama – alles in Einem. Man wird sehr gut unterhalten, wenn man solche Sachen mag. Auch die Figur, die ich darin gespielt habe, war völlig neu für mich. Ich spiele einen stummen Kannibalen und ich bin wohl der lauteste Stumme, den man je in einem Film gesehen hat (lacht). Das hat mir super viel Spaß gemacht, alles wurde von einer jungen Truppe auf die Beine gestellt. Es war eine der coolsten Produktionen, die ich je gemacht habe und ich freue mich sehr auf das Ergebnis. Ich empfehle jedem den Trailer anzusehen - da sieht man, worauf es hinausläuft. Das wird für Furore sorgen.

Danke für das Interview und alles Gute für die TV-Ausstrahlung der RTL II-Serie ab kommenden Montag, 15. Februar, um 20.15 Uhr.

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