Die Kritiker

«Die Hebamme II»

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Neue Stärken, alte Schwächen: Die Fortsetzung der erfolgreichen Sat.1-Eigenproduktion «Die Hebamme» erweist sich als noch intensiver als der Vorgänger, hat aber auch diesmal kleine Probleme.

Filmfacts: «Die Hebamme II»

  • Genre: Historienfilm, Drama
  • FSK: 12 (TV), 16 (DVD/Blu-ray)
  • Laufzeit: 119 Min.
  • Musik: Marcel Barsotti
  • Kamera: Wolf Siegelmann
  • Produzent: Oliver Berben, Jan Ehlert
  • Buch: Silja Clemens, Thorsten Wettcke
  • Regie: Hannu Salonen
  • Darsteller: Josefine Preuß, Alicia von Rittberg, Adrian Topol, Jannik Schümann, Bernhard Schir, Johannes Nussbaum, Stephanie Lexer, Genija Rykova
  • OT: Die Hebamme II (D 2016)
Vor ziemlich genau zwei Jahren befand Quotenmeter.de das TV-Event «Die Hebamme», basierend auf einem Roman von Kerstin Cantz, als „eine der besten Sat.1-Eigenproduktionen“, die jemals von diesem Sender ausgestrahlt wurden. Der Erfolg sollte den Machern Recht geben: Mit 2,64 Millionen Zuschauern in der Zielgruppe und 5,36 Millionen insgesamt, holte sich das Historiendrama in der Spitze satte 23 Prozent Marktanteil. Damit erreichte der Film zwar nicht so viele Zuschauer wie der thematisch ähnlich gelagerte «Die Wanderhure», für Sat.1 sind die dennoch erfolgreichen Einschaltquoten trotzdem ein Grund, die Geschichte um den beschwerlichen Karriereweg der Hebamme Gesa weiterzuerzählen.

Ob dies eine naheliegende Entscheidung ist, daran darf angesichts der fehlenden Romanvorlage («Die Hebamme II» basiert anders als der Vorgänger nicht auf einem Buch) durchaus gezweifelt werden. Das Projekt erweckt durchaus den Eindruck, lediglich aus Profitgründen entstanden zu sein, schließlich war die Story selbst mit dem Finale des ersten Teils bereits auserzählt. Doch diese Vorahnung soll sich nicht bestätigen. Die Mischung aus visuell berauschendem Historienfilm und beklemmend-spannendem Thrillerdrama, das den Weg Gesas vom Land in die österreichische Hauptstadt Wien erzählt, erweist sich in seiner thematischen Bandbreite als noch intensiver als der Vorgänger.

Einige Jahre nach Gesas (Josefine Preuß) Ausbildung zur Hebamme in Marburg macht sich die junge Frau zusammen mit ihrer schwer an Schwindsucht erkrankten Cousine Luise (Genija Rykova), ihrer Freundin Lotte (Alicia von Rittberg) und Fuhrmann Pauli (Johannes Nussbaum) auf den Weg zum Allgemeinen Krankenhaus in Wien. Dort lehrt und praktiziert Luises Vater, Professor Gottschalk (Bernhard Schir), als Dekan der medizinischen Fakultät. Obwohl der erfolgreiche Arzt Luise vor Jahren verstoßen hat, kann Gesa ihn überzeugen, seine Tochter zu behandeln. Mehr noch: Gottschalk ist beeindruckt von Gesas medizinischem Fachwissen und ihrer Hartnäckigkeit – und lässt sie tatsächlich als Gasthörerin an seinen Vorlesungen teilnehmen. Gesas Glück scheint perfekt, als sich ihr Kommilitone Wilhelm (Adrian Topol) auf den ersten Blick in sie verliebt und die beiden sich näherkommen.

Doch wie schon einmal schlägt das Schicksal in Gesas Leben erbarmungslos zu: Noch während sie den Tod eines geliebten Menschen verarbeiten muss, stoßen sie und Wilhelm in der Kanalisation des Allgemeinen Krankenhauses auf sechs furchtbar zugerichtete Frauenleichen, denen die Herzen bei lebendigem Leib fachmännisch entnommen wurden. Zuviel für Gesa, die versucht, die schrecklichen Bilder mit Rauschmitteln aus ihrem Kopf zu verbannen. Doch als sie am nächsten Tag blutverschmiert neben einer weiteren Frauenleiche zu sich kommt und sich an nichts mehr erinnern kann, keimt ein schrecklicher Verdacht in ihr auf…

Schon jetzt lässt sich «Die Hebamme II» beim Versandriesen Amazon vorbestellen und auf den ersten Blick fällt auf: Es ist nicht mehr das harmlose FSK-12-Logo, das auf der unteren linken Ecke des Frontcovers prankt. Stattdessen lächelt einen der blaue 16er-Flatschen fast schon diabolisch an. Ein cleverer Marketingschachzug, um das gängige Sequel-Credo „Höher, schneller, weiter“ zu unterstreichen? Mitnichten! «Die Hebamme II» beginnt als visuelle Abwandlung des Stanley-Kubrick-Klassikers «Eyes Wide Shut», wechselt zum mit Teil eins vergleichbaren Medizindrama und vermengt dieses Genregemisch anschließend mit einem Crime-Plot und jeder Menge Blut. Dabei geht es dem Regisseur Hannu Salonen, der nicht nur bereits «Die Hebamme», sondern auch einige Episoden der überragenden Thriller-Serie «Schuld» inszenierte, nicht um das Ausschlachten des mitunter sehr brutalen Kriminalfalles. Stattdessen sind es die im Zentrum der Handlung stehenden, zu damaliger Zeit neumodischen Medizinmethoden, die rote Hände bei den Doktoren und offene Münder beim Zuschauer hinterlassen. Wie schon der erste Teil ist auch «Die Hebamme II» äußerst explizit in seiner Darstellung, kann aufgrund des verlagerten Schwerpunkts von Geburtshilfe zu allgemeinmedizinischen Operationen aber aus einem viel größere Spektrum an Behandlungen schöpfen. Eine Methode, in welcher mithilfe einer langen Hohlnadel eine Lunge zum Kollabieren gebracht wird, setzt Kameramann Wolf Siegelmann schon relativ früh im Film so eindringlich in Szene, dass es schwerfällt, zuzusehen.

Das Drehbuch (Silja Clemens, Thorsten Wettcke) bereitet indes ähnliche Schwierigkeiten, wie das des Vorgängers. Auch im zweiten Teil von «Die Hebamme» bekommt es die einmal mehr ebenso charmant wie tough von Josefine Preuß («Türkisch für Anfänger») verkörperte Gesa mit diversen Problemen zu tun.

Sie alle stehen im Zeichen des Kontrasts: Natur-, gegen Schulmedizin, Mann gegen Frau, Stadt gegen Land. Und mittendrin ist da auch noch der Krimi-Plot um die verstümmelten Frauenleichen, den es aufzudecken gilt. Bereits im Auftakt der Filmreihe bemängelte Quotenmeter.de, dass es die Story mit ihren vielen Konfliktherden einen Tick zu gut meint und es dem Regisseur nur schwer gelingt, all die einzelnen Plotfäden sauber zusammenzuführen. In «Die Hebamme II» wiederholt sich das nun, fügt sich schlussendlich aber angenehmer zu einem Ganzen. Das Aufeinanderprallen der hier durchaus als rückständisch präsentierten Hebamme mit der verlockenden Welt der Schulmedizin, die „schneidet, blutet und bohrt“, bildet den fesselnden Kern der Erzählung, von dem nach und nach immer mehr Subplots abgehen. Einige bleiben dabei nebensächlich, wie etwa die Beziehung zwischen Gesa und ihrem Liebsten Wilhelm (Adrian Topol in einer leider sehr eindimensional geschriebenen Rolle), während sich andere erst später als wichtige Antriebskraft der Handlung erweisen. So gesehen im Falle des Werdegangs von Gesas Freundin Lotte, erneut sensibel verkörpert von Alicia von Rittberg («Herz aus Stahl»). In weiteren Rollen sind Bernhard Schir («Die Chefin») als Gesas kompetenter Mentor Professor Gottschalk und Jannik Schümann («Spieltrieb») als Lottes leidenschaftlicher Freund Anton zu sehen.

Fazit: Auf dem Papier hat «Die Hebamme II» die gleichen Schwächen wie schon sein Vorgänger. Zu viele Themen, untergebracht auf zu wenig Platz. Doch Regisseur Hannu Salonen gelingt es diesmal besser, den einzelnen Bereichen genügend Aufmerksamkeit zu schenken und erzählt eine düstere, interessante und beeindruckend gespielte Fortsetzung zu «Die Hebamme», die einmal mehr Kinoausmaße besitzt.

Sat.1 zeigt «Die Hebamme II» am Dienstag, den 16. Februar um 20:15 Uhr und anschließend daran eine thematisch passende Dokumentation.

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