Die Kritiker

Zweifrontenkrieg an der Moschee

von   |  1 Kommentar

Die Kritiker: In «Der Hodscha und die Piepenkötter» gerät eine Kleinstadt wegen eines Moschee-Neubaus in den Ausnahmezustand. Frederic Servatius hat den Film vorab gesehen.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Anna Stieblich («Türkisch für Anfänger») als Ursel Piepenkötter, Hilmi Sözer («Der Schuh des Manitu») als Nuri Hodscha, Hasan Ali Mete («Lindenstraße») als Osman, Eric Klotzsch als Meyer, Fabian Busch («Liegen lernen») als Dr. Schadt, Damian Hardung («Club der roten Bänder») als Patrick, Yeliz Simsek als Hülya und Sermin Kayik als Cicek


Hinter den Kulissen:
Regie: Buket Alakuş, Buch: Gernot Gricksch nach dem gleichnamigen Roman von Birand Bingül, Musik: Maurus Ronner, Kamera: Marcus Kanter, Schnitt: Andreas Radtke, Produktion: Olga Film

„Die Islamisierung des Abendlandes“ – es ist das Schreckgespenst, das der viel zitierte Keinnaziaber-Bürger seit einiger Zeit großflächig an die Wand malt. „Wacht endlich auf“, wird dann oft geschrien, denn wer eine andere Meinung hat, der muss zweifelsohne realitätsblind sein. Zumindest in verqueren Hirnen. Oft sind die Fronten damit aber schon verhärtet. Diskussionen die auf einem argumentativen Fundament stehen, findet man an der Stelle eher nicht mehr. Wohl deshalb konzentriert sich «Der Hodscha und die Piepenkötter» auf den Zweifrontenkrieg (persönliche und politische Ebene), wobei die Kriegsmetapher in der aktuellen Zeit wohl nur noch leicht übertrieben scheint – stolz präsentierte Galgen, der im Ausnahmefall geforderte Einsatz von Schusswaffen und die allgemein aufgeheizte Rhetorik sprechen für sich. Als Spielfilm kann die im Ersten ausgestrahlte Produktion solch aktuelle Vorfälle zweifelsohne nicht aufgreifen. Ohnehin aber bricht der Neunzigminüter die Thematik stärker auf den Einzelfall runter. Erzählt wird von einer Kleinstadt, die bereits seit Jahren mit einer Moschee lebt. Nun aber soll das marode Gebäude durch einen Neubau an anderer Stelle ersetzt werden.

Schneller als der Zuschauer das Unwort „Gutmensch“ auch nur denken kann, sind die Anwohner an der Decke und finden das Vorhaben ungeheuerlich. Zugegeben, der Neubau ist deutlich größer als das ursprüngliche Gotteshaus. Aber wirklich viel ändern würde sich für die Stadtbewohner nicht. Doch es ist auch die Gebärde der örtlichen Religionsverantwortlichen, die in der Bevölkerung Unmut schürt. Sei es die Vollverschleierung der Frau eines wichtigen Gemeindemitglieds oder das aggressive Verhalten des Hodschas, der schon in der Vergangenheit negativ aufgefallen war. Dass sich die Gegner des Neubaus dabei eher schlimmer als besser verhalten, wird von deren Seite geflissentlich ignoriert. Der primäre Konflikt verläuft allerdings zwischen dem neuen Hodscha der Gemeinde und der christdemokratischen Bürgermeisterin, die ursprünglich mal für den Bau war, aber aufgrund des Bevölkerungsdrucks um ihre Wiederwahl fürchtet.

Schmunzelfilm?


Eine lustige Produktion war von Seiten des WDR versprochen worden, der den Produktionsauftrag gegeben hat. So richtig witzig wird es aber nicht. Ab und zu gibt es einige amüsante Szenen, beispielsweise wenn dem Hodscha Schweinsohren vorgesetzt werden. „Da ist aber kein echtes Schwein drin“, heißt es dann. Die Erwiderung: „Ist aber saulecker.“ Zugegeben: Es ist ein Kalauer, der aber immerhin gut inszeniert ist. Aus humoristischer Perspektive funktioniert der Film allerdings fast nur auf dieser Ebene und das noch nicht einmal durchweg. Wenn der Assistent von Bürgermeisterin Piepenkötter zur Fußmassage antreten muss, soll das offenbar witzig sein. Denn jede andere Erklärung für dieses Element klingt noch weniger plausibel.

Steckbrief

Frederic Servatius schreibt seit 2013 für Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für Rezensionen und Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als @FredericSrvts zu finden.
Noch schwieriger ist es gar, wenn bereits erwähnte vollverschleierte Frau eines Religionsverantwortlichen so unterworfen ist, dass sie ihrem Mann während des gesamten Telefonats das Handy ans Ohr halten muss. Dann nämlich wird nicht nur mit Klischees gespielt, sondern unsinnige rassistische Ressentiments zementiert. Nur in einer amüsanten oder kritischen Umsetzung wäre eine solche Form der Annäherung sinnvoll gewesen.

Furchtbar uninspiriert kommt der Soundtrack daher: Mal ist es orientalische Klischeemusik, meistens aber auf flott getrimmte Liedchen, die den Zuschauer schon beim Anklingen des ersten Songs nerven. Vermutlich sollen die untermauern wie lustig doch die ganze Situation ist und wie wahnsinnig verrückt der Clash der Kulturen sich doch darstellt. Wie ausgeflippt.

Eine Sozialstudie ist die Produktion dennoch nicht, sie spielt sich vornehmlich auf Individualebene ab und kann kaum generalisiert werden. Das einzige was möglicherweise auf die Allgemeinheit übertragbar wäre, ist das Verhalten der Bevölkerung nach dem Sankt-Florian-Prinzip: „Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' and're an“ heißt es da. Immer und immer wieder lässt sich dieser Gedanke in der Realität bei diversen Themen erkennen: Flüchtlinge und Windräder wären da nur zwei einer ellenlangen Liste. Aber die Kritik an so geartetem Verhalten ist kaum die vornehmliche Message, eher hintergründig wird diese – inhaltlich absolut richtige Aussage – kommuniziert.

Einfache Rechtsradikale sind einfach


Einfach charakterisierte und überzeichnete Figuren stehen im Mittelpunkt der Produktion. Dass sie oft nicht einmal besonders gut gespielt sind kommt noch dazu. Vor allem Hilmi Sözer (in der Rolle des Hodscha) zeigt ungewohnte Schwächen, auch der aus dem «Club der roten Bänder» bekannte Damian Hardung wirkt eher hölzern als zugespitzt. Zugegeben: Gerade bei den Rechtsradikalen dürfte es mit den simplen Charakterisierungen in der Realität gar nicht immer so weit her sein. Aber eine Dokumentation will die Produktion halt nicht sein, sondern eine Mischung aus sozialkritischer Überzeichnung und Komödie. Und als solche sind solch stupide Figuren eben einfach stupide. Nicht mehr und nicht weniger.

Schließlich gibt es aber doch noch die finale Debatte, die es ein wenig mehr auf die gesellschaftliche Ebene zieht und für kritische Einordnung sorgt. Durch den Hintereingang öffnet die Podiumsdiskussion auf dem Höhepunkt die Tür zu einem furiosen Finale. Die größere Ambition, die die Produktion offensichtlich hatte, offenbart sich vor allem an dieser Stelle, sowie zuvor gleichermaßen an der Diskussion die über ein vor der Moschee angebrachtes Kreuz entbrennt. Hier wird es unterhaltsam wie anspruchsvoll. Diese Sequenzen bleiben jedoch Ausnahmen, die meiste Zeit verrennt sich «Der Hodscha und die Piepenkötter» in undifferenzierten Betrachtungen von vermeintlicher Elite und vermeintlicher Unterschicht.

Im Kern aber, diesen Eindruck vermittelt der Film, sind wir doch alle ziemlich Scheiße. Nur der Rassist ist es noch ein klein bisschen mehr. Nicht nur, dass die Produktion mit diesem Eindruck der Realität kaum gerecht wird. Auch in der künstlichen Überhöhung funktioniert die Idee nicht wirklich. Mal ganz davon abgesehen, dass die Pointen für einen als lustig angekündigten Film ganz schön rar gesät sind. Dabei würde uns das Lachen über Rassismus und Konsorten doch eigentlich ganz gut tun.

Das Erste zeigt «Der Hodscha und die Piepenkötter» am Mittwoch, 17. Februar um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/83790
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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Kunstbanause
17.02.2016 23:40 Uhr 1
Ich habe das (ebenfalls überspitzte) Buch gelesen. Im Film hat mir das ein oder andere gefehlt, aber ich habe mich gut unterhalten gefühlt.



Für einen deutschen Film/eine deutsche Komödie war das doch mehr als solide.
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