«Die Wilden Kerle» in den deutschen Kino
- «Die Wilden Kerle» (2003): 0,96 Mio. Besucher
- «Die Wilden Kerle 2» (2005): 1,60 Mio. Besucher
- «Die Wilden Kerle 3 – Und die biestigen Biester» (2006): 2,13 Mio. Besucher
- «Die Wilden Kerle 4» (2007): 2,46 Mio. Besucher
- «Die Wilden Kerle 5 – Hinterm Horizont» (2008): 1,73 Mio. Besucher
Wir haben uns schon etwas vorbereitet, allerdings hängt das natürlich vom Erfolg ab. Den vermag ich nicht abzuschätzen. Einerseits ist die Konkurrenz an guten Kinderfilmen aktuell sehr hoch, andererseits war die Resonanz auf der Premiere super. Wenn es nach uns ginge, würde es jedenfalls noch weitere Filme geben – und die Entwicklung darin steht für mich schon fest. Die Kinder werden älter und somit immer selbstständiger. Teilweise auch zwangsläufig, weil ihnen die Erwachsenen immer weniger Unterstützung geben. Ein weiterer Aspekt betrifft die Wahrnehmung der Zeit. Ich weiß noch: Als ich ein kleiner Junge im Ruhrgebiet war, habe ich mit Freunden während der Fußballweltmeisterschaft wochenlang in ellenlangen Turnieren die Meisterschaft nachgespielt. Und wenn uns jemand gefragt hat, was wir die letzten Tage gemacht haben, haben wir nie erzählt: ‚Ja, wir waren erst in der Schule, und dann haben wir das gemacht, und dann das, und dann haben wir gespielt und dann waren wir im Bett …‘ Wir haben gesagt: ‚Wir haben bei der Weltmeisterschaft gespielt.‘ So komprimiert werden auch die Filme erzählt: Dass etwas, was sich über mehrere Wochen erstreckt für die Kinder nur in wenigen Stunden oder ein, zwei Tagen geschieht. Das würde bei weiteren Teilen immer stärkere Züge annehmen. Ich denke, das trifft auch einen Nerv, denn die Lust der Zuschauer auf solche filmischen Abenteuer ist ja da. Und es werden auch entsprechend viele produziert, nur leider nicht in Deutschland. Die einzige Möglichkeit, Genregeschichten hierzulande zu produzieren, ist im Kinderfilm. Darum fühle ich mich da auch Zuhause.
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Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen an Unterhaltungs-Filmemachern, die Risiken eingehen. Til Schweiger macht das, was ich sehr toll finde. [...] Aber ihm wird es hier unwahrscheinlich schwer gemacht! Ich bin großer Fan von ihm und finde es schade, wie ihn die Kritik dauernd klein redet. Es ist sehr bedauerlich, dass er so mit Häme übergossen wird, denn er traut es sich wenigstens, den ersten Schritt zu gehen.
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Joachim Masannek
Das Traurige ist: Als ich aufgewachsen bin, gab es das Alles noch. Die «Nibelungen»-Filme, und «Edgar Wallace», «Jerry Cotton» und vieles mehr. Erst in den 70ern hat die Entwicklung ihren Anfang genommen, dass sich die Präsenz solcher Filme ausdünnt. In meinen Augen hat es einerseits mit der Dominanz des amerikanischen Kinos zu tun, andererseits mit der Welle des Neuen Deutschen Films. Hinzu kommt, dass wir in Deutschland meiner Beobachtung nach kaum noch Wagnisse zulassen. Es gibt nur sehr wenige Ausnahmen an Unterhaltungs-Filmemachern, die Risiken eingehen. Til Schweiger macht das, was ich sehr toll finde. Ich mag es auch, was er mit dem «Tatort» macht. Schweiger verwirklicht große Filme, wie sie überall in der Welt gemacht werden – in den USA, in Frankreich … Aber ihm wird es hier unwahrscheinlich schwer gemacht! Ich bin großer Fan von ihm und finde es schade, wie ihn die Kritik dauernd klein redet. Es ist sehr bedauerlich, dass er so mit Häme übergossen wird, denn er traut es sich wenigstens, den ersten Schritt zu gehen. Im Fernsehen sind solche Versuche schon etwas leichter zu verwirklichen – aber immer noch nicht leicht genug. Ein befreundeter Kollege von mir, Christian Becker, hat für RTL die «Winnetou»-Filme gemacht. Vielleicht haben wir Glück und die schlagen so ein, dass es so etwas wieder häufiger gibt – im Fernsehen und im Kino.
Dahingehend habe zumindest ich bislang ein gegenseitiges Schuld-in-die-Schuhe-schieben zwischen Fernsehen und Kino wahrgenommen. Fernsehproduzenten und -chefs klagen, das Kino traue sich nichts mehr und gewöhne den Zuschauer an seichte Unterhaltung. Kinoproduzenten und -Regisseure nehmen die Fernsehfinanziers in die Mangel, weil sie es seien, die kalte Füße hätten …
Das ist so wie in vielen Liebesbeziehungen: Die Leute leben lieber unglücklich, so lange sie jemanden Anderen dafür verantwortlich machen können, statt selber ihr Glück in die Hand zu nehmen. So kann man Filme aber nicht machen. Filme macht man, indem man das Risiko eingeht, einen Film zu machen! Und ich denke, ein Grund, dass so wenige Genrefilme gemacht werden, ist, dass hierzulande mehrere Versuche gescheitert sind. Deswegen haben die Leute Angst, es auch zu versuchen und ebenfalls zu scheitern.
Als ich auf der Filmhochschule war, habe ich dort meinen ersten Kinderfilm gedreht, weil ich nach meinem Abschluss weitere Kinderfilme machen wollte. Und von allen Seiten hieß es: ‚Vergiss es! Kinderfilme können nur die Tschechen und die Schweden! Deutsche können keine Kinderfilme machen!‘ Dann kam jedoch zum Glück Uschi Reich mit ihren Kästner-Verfilmungen – und wenn man sich jetzt die Kinocharts anschaut? Im Moment ziehen nur noch Schnee-Western und Kinderfilme. (lacht) Ich finde das Hammer, dass das so groß geworden ist. Damals musste einfach jemand anfangen, und jetzt ist das mit Action-, Abenteuer-, Mantel-und-Degen-Filmen und Horrorfilmen für Erwachsene genauso: Es muss einfach jemand voranschreiten! Und er muss es gut machen! Nur weil es gemacht wird, wird es ja nicht sofort geguckt. Es muss interessant sein, in den Zeitgeist passen und handwerklich gut sein. Dann werden die Deutschen es aber mit Sicherheit gerne gucken! Obendrein müssten wir nur zulassen, dass sich hierzulande wieder Stars entwickeln. Wir haben im Moment keinen weiblichen Superstar mehr. Und an Männern haben wir gerade einmal drei.
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Ein heutiges, großes Problem ist, dass ein Film, der kein Erfolg war, von Leuten, die ihn nicht gesehen haben, automatisch als schlecht beurteilt wird. Das stimmt ja ganz offensichtlich nicht – es gibt sehr viele gute Filme, die nicht den Erfolg bekommen haben, der ihnen gebührt hätte.
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Joachim Masannek
Eines der bekanntesten Beispiele ist «Blade Runner» … Der hat es aber geschafft, sich zum Klassiker aufzuschwingen. Ein heutiges, großes Problem ist, dass ein Film, der kein Erfolg war, von Leuten, die ihn nicht gesehen haben, automatisch als schlecht beurteilt wird. Das stimmt ja ganz offensichtlich nicht – es gibt sehr viele gute Filme, die nicht den Erfolg bekommen haben, der ihnen gebührt hätte. Was mich da stört, ist, dass deshalb oft das Argument angebracht wird: Wir können keine Risiken eingehen, weil Filmemachen so teuer ist. Gerade hier in Deutschland kannst du so eine Einstellung nicht rechtfertigen, weil es ja die Filmförderung gibt. Deswegen müssen wir viel mutiger sein! Ein Tarantino muss nicht aus den USA kommen, der kann auch in Deutschland entstehen!
Um beim Thema Mut zu bleiben und dennoch einen thematischen Bruch zu wagen: Wenn Buchadaptionen erscheinen, wird gerne von einem „Risiko“ gesprochen, sollte der Film stark von der Vorlage abweichen. Viele Schriftsteller rümpften schon über freie Adaptionen die Nase … Angesichts der Differenzen zwischen den «Die wilden Fußballkerle»-Büchern und den späteren Filmen insbesondere – wo rührt ihr Änderungen gegenüber aufgeschlossener Blickwinkel her?
Buch und Film sind zwei ganz unterschiedliche Medien! Ein Buch kann niemals so verfilmt werden, wie man es liest. Denn ein Buch passiert immer in der Vergangenheit, wenn man es liest, weil es nahezu ausnahmslos in der Vergangenheitsform geschrieben ist. Ein Drehbuch ist hingegen immer im Präsens geschrieben. Film ist ein zukunftsgerichtetes Medium: Er lebt davon, dass man beim Zuschauer Ängste, Erwartungen und Hoffnungen erzeugt und somit Emotionen schafft. Ein Buch wiederum fängt an und muss von da an dramaturgisch so gebaut sein, als würde man Stein ins Wasser schmeißen: Ein Ereignis zieht seine Kreise, und das ist die Geschichte. Beim Film ist es eher umgekehrt: Dort kulminiert alles an einem Punkt am Ende, dann müssen alle Probleme gelöst sein – ob nun zu einem guten oder schlimmen Ende. Im Buch kann man seitenweise Dialoge oder Monologe schreiben, ohne dass es langweilig wird, der Held im Film hingegen definiert sich durch sein Handeln, da ist das Reden nur ein ganz kleines Mittel – und das schwächste. Und in meinem Fall kommt noch hinzu, dass die Länge des Buches wegen der Zielgruppe vorgegeben war, und der Buchinhalt hätte nie für einen 90-Minuten-Film gereicht. Deswegen musste ich füllen, Geschichten zusammenlegen und neu erfinden.
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Ein Tarantino muss nicht aus den USA kommen, der kann auch in Deutschland entstehen!
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Joachim Masannek
Ist das eine Entscheidung, die Sie trotz manchen bitterbösen Rezensionen verteidigen?
Ja! Denn ich hasse es, zwei Mal dasselbe zu machen. Man kann mir mit dem neuen Film vorwerfen, dass ich mich sehr wohl wiederhole, denn ich erzähle die erste Geschichte fast noch einmal. Aber es kommt auch wiederholt zu neuen Ausgängen und es gibt neue Figuren und den vorher nicht dagewesenen Aspekt des Heldennacheiferns. Deswegen hat sich der sechste Teil so ergeben. Wenn jetzt aber Hollywood ankommt und sagt: „Mach ein Remake vom ersten Film“, dann würde ich ablehnen! Das finde ich doof, und aus diesem Grund sind «Die Wilden Kerle» im Laufe der Reihe völlig neue Wege gegangen. Das hat, denke ich, sehr gut funktioniert. Die Bücher gibt es ja trotzdem noch, und mit 13 Bänden haben wir den Markt völlig gesättigt. Sie werden ja noch immer eifrig gelesen. Und für Kinder, die die Bücher kennen sowie die Filme gucken, verschmilzt das in ihrer Fantasie trotz der großen Unterschiede zu einer einzigen, abwechslungsreichen Welt. Das finde ich schön!
Als Fazit darf ich also ziehen: Bei den Filmen ließ man Ihnen mehr Freiraum, während bei den Büchern selbst das Alter der Figuren nahezu festgezurrt war?
Damals waren die Wilden Kerle ein Befreiungsschlag, weil es nach langer Zeit wieder die erste Reihe für Jungs in einem von Mädchen dominierten Literaturbetrieb war. Mädchen durften alles, die durften Piraten, Räuber, Ritter und Detektive und Magierinnen sein. Bücher über Jungs waren verpönt, Jungs durften praktisch gar nichts. Auch bei den Kerlen gab es zunächst eine große Diskussion, weil der Verlag wollte, dass ich Vanessa zur stärksten Figur mache. Das Tabu des Nicht-Älterwerdens war für mich damals nur eine Begleiterscheinung. Heute sehe ich das anders, denn wir leben in einer Gesellschaft, die nicht erwachsen werden will. Wenn ich mit neunjährigen Kindern spreche und sie frage, was sie werden wollen, dann sagen selbst die schon, dass sie Kinder bleiben wollen, weil sie sich vor der Verantwortung fürchten. Meine viereinhalbjährige Tochter dagegen spricht noch davon, dass sie es nicht erwarten kann, erwachsen zu sein. Da müssen wir mal darüber nachdenken, wie wir unsere Kinder erziehen, dass sie nur viereinhalb Jahre später nichts anderes wollen, als jung zu bleiben. Mit Kindern ab 13 Jahren ist das ein noch schwerwiegenderes Thema: Die wollen von Erwachsenen geachtet und respektiert werden, aber keine Verantwortung übernehmen. Da müssen wir Geschichten erzählen, die vermitteln, dass man nur dann die Achtung der Erwachsenen erlangt, wenn man in deren Welt übertritt und sich verantwortlich zeigt!
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Ich überlege derzeit, ob wir mit den alten Kerlen nicht noch einmal einen Film drehen. [...] Ich würde mit ihnen so gerne eine Geschichte über das Übernehmen von Verantwortung und die Frage „Will ich erwachsen werden, kann ich das überhaupt?“ erzählen. [...] Das sind sieben, acht Jungs im Alter von 18 bis 25, und die zerbrechen sich den Kopf darüber, wie sie ihr Leben gestalten. Sie fragen sich nicht bloß, wann sie ein neues Auto haben wollen oder ein eigenes Haus bauen, sondern sie grübeln darüber nach, wie die Welt nach ihnen aussieht, was für eine Welt sie für ihre eigenen Kindern hinterlassen.
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Joachim Masannek
Ich überlege derzeit, ob wir mit den alten Kerlen nicht noch einmal einen Film drehen. Viele von denen wollen ja eigentlich gar nicht schauspielern, aber als wir uns wegen «Die Wilden Kerle – Die Legende lebt!» wiedergesehen haben, sind sie an mich herangetreten: „Komm, einen machen wir noch!“ Und ich würde mit ihnen so gerne eine Geschichte über das Übernehmen von Verantwortung und die Frage „Will ich erwachsen werden, kann ich das überhaupt?“ erzählen. Ich weiß leider nur überhaupt nicht, ob ich das verkauft kriege. Ich finde es aber richtig spannend: Das sind sieben, acht Jungs im Alter von 18 bis 25, und die zerbrechen sich den Kopf darüber, wie sie ihr Leben gestalten. Sie fragen sich nicht bloß, wann sie ein neues Auto haben wollen oder ein eigenes Haus bauen, sondern sie grübeln darüber nach, wie die Welt nach ihnen aussieht, was für eine Welt sie für ihre eigenen Kindern hinterlassen.
Wäre das dann eine Fortsetzung von «Die Wilden Kerle – Die Legende lebt!», also ein Film über beide Generationen?
Nein, es würde allein um die alten Figuren gehen. Marlon, Leon und die Anderen kommen wieder, nachdem sie erwachsen geworden sind – sie waren einmal die Wilden Kerle, und jeder von ihnen wird dort abgeholt, wo er gerade im Leben steht. Das soll dann auch ans wahre Leben angelehnt sein: Einer von ihnen ist Schauspieler, einer Rockstar, und mein Sohn würde dann aus dem Ausland aus bei einem Hilfsprojekt mit dem Pferd herbeigeritten kommen, weil es das umweltfreundlichste wäre. Einer studiert Philosophie, der Andere macht das und das … Es ginge aber nicht um Fußball, sondern um Transformation: Wie übertrage ich das, was mich als Wilder Kerl ausgemacht hat, ins reale Erwachsenenleben?
Herzlichen Dank für das spannende und informative Gespräch!
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