Cast & Crew
Vor der Kamera:Richy Müller («Irren ist männlich») als Thorsten Lannert, Felix Klare («Bis nichts mehr bleibt») als Sebastian Bootz, Carolina Vera («Bewegte Männer») als Emilia Alvarez, Jürgen Hartmann («Otto»-Filme) als Dr. Vogt, Sascha Alexander Geršak («5 Jahre Leben») als Milan Kostic, Florence Kasumba als Lela, Edita Malovčić («Nordrand») als Mitra, Orhan Kılıç als Jamal und andere
Hinter den Kulissen:
Regie: Züli Aladag, Buch: Christian Jeltsch, Musik: Enis Rotthoff, Kamera: Andreas Schäfauer und Christoph Schmitz, Schnitt: Sabine Garscha
Auf den Namen «Im gelobten Land» hört der neueste Fall der Ermittler aus dem Schwabenland. Das gelobte Land – nach genau dem Suchen einerseits die Geflohenen, die in Verzweiflung, Krieg und Verarmung ihr Land verlassen haben. Als gelobtes Land verstehen aber wohl auch die Baden-Württemberger ihr geliebtes Heimat(bundes)land für sich. Vor allem die Sprache ist es, die in weiten Teilen der Republik wohl eher für Schmunzeln sorgt, die als Lokalkolorit aber im Stuttgarter «Tatort» nicht fehlen darf. Das erinnert an vielen Stellen eher an «Heiter bis tödlich»-Krimis, ist aber dann schwierig, wenn der ach so harte Ermittler schwäbelt und man in streicheln will wie einen süßen, tapsigen Dackelwelpen. „Unser Informant isch zuverlässig“ heißt es dann beispielsweise. Aber solange man wenigstens den Informanten ernst nehmen kann, ist ja schon viel geholfen.
Sind die Schlepper nur böse?
Von der Marginalität des sprachlichen Lokalkolorit einmal abgesehen, entwickelt sich dennoch ein Film mit Drive, der von einem hochrelevanten aber nicht todproduzierten Thema profitiert. Die Schlepper werden naheliegenderweise kritisch in die Mangel genommen, doch dabei bleibt es nicht. Einerseits wird nachvollziehbar die große Not ebenso wie die große Bürde der Flucht dargelegt, die eben keine einfache Entscheidung ist und nicht getroffen wird, weil man den Nachbarn irgendwie gerade doof findet. Andererseits aber werden auch die Schlepper tiefergehend beleuchtet, die natürlich primär aus Geldgier handeln, die jedoch hintergründig betrachtet auch eine menschliche Seite haben, auch wenn man sich das aufgrund ihrer Taten oft nicht vorstellen kann.
Steckbrief
Frederic Servatius schreibt seit 2013 für Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für Rezensionen und Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als @FredericSrvts zu finden.Doch an anderen Stellen ist es auch und gerade die Ruhe, von der die Produktion lebt. Der eindrückliche Leichenfund wird mit Bedacht erzählt, was die Situation für den Zuschauer noch unangenehmer und beklemmender macht. Das ist – vor allem in der Fiktion der Bilder, die anders als echte Fotos in Fragen der Menschenwürde und Pietät wenig Anlass zu Kritik bieten – notwendig, um die Konfrontation mit bestehenden Problemen zu realisieren. Auch der Eindruck der Flüchtlingsunterkunft wirkt realistisch zurückgehalten und zeigt vor allem den Clash der Kulturen mit Nachdruck.
Alles immer nur schlecht.
Der Score zeigt sich dabei angenehm zurückhaltend, nimmt in sich aber doch die Entwicklung von dramatisch zu spannend, ohne jemals auch nur einen Moment zu sehr dominieren zu wollen. Ähnlich verhält sich die Kamera, die offenbar genau weiß was sie tut, aber ohne jegliche Experimente auskommt. Die Inszenierung hingegen drängt sich in den Vordergrund und will jede Sekunde zeigen, wie düster die Szene doch ist, wie grau und schlimm das alles sein muss und schlägt damit vielleicht auch ein wenig über die Stränge. Denn natürlich ist nicht immer jeder Moment nur mies, vor allem aber geht die oft positive Einstellung vieler Flüchtlinge ein Stück weit verloren, die vielmals nicht nur das Negative sehen, sondern sich oft an den kleinen positiven Strohhalmen festhalten. Und ja, man mag dem Kritiker vorwerfen, dass er hier ein Klischeebild bemüht (anders übrigens als der Film es tut), aber so eindrücklich die Darstellung auch sein mag, hier ist die Produktion eventuell ein Stück weit über das Ziel hinausgeschossen. Doch am Gesamtbild kratzt das kaum.
Es sind auch die Darsteller, die wieder einmal auf einem hohen Niveau agieren, vor allem aber ist es die Thematik, die den neuen «Tatort: Im gelobten Land» gewinnen lässt. Kleinere Schwächen im Lokalbezug und in den Charakterisierungen lassen sich dabei von der Couch aus gerne übersehen, weil die Spannung trotz dem voraussehbaren Ende über einige Zeit bestehen bleibt, vordergründig aber weil der Schock beim Zuschauer tief sitzt. Ja, so hart ist es. Und wer dann noch sagt, dass keine unmenschlichen Situationen in den Heimatländern der Flüchtenden sowie auf deren Flucht bestehen, der hat wohl kein Herz. Ja, unser Land hat beschränkte Kapazitäten, darum geht es auch nicht in diesem Stück Fiction. Es geht um die bloße Unmenschlichkeit. Und die wird dem Zuschauer mit Nachdruck in die Fresse gedrückt. Hinschauen ist angesagt.
«Tatort: Im gelobten Land» läuft am Sonntag, 21. Februar um 20.15 Uhr im Ersten.
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