Mehr über «Zoomania» ...
Die vier Disney-Prinzipien
Wie förmlich jeder Disney-Filmemacher, schwört auch Clark Spencer auf die großen Prinzipien des Disney-Vermächtnisses. Wie die Identität des Studios zu definieren ist, wird allerdings von Filmemachern, Geschäftsführern und Disney-Fans individuell definiert. Für Spencer besteht das Disney-Geheimnis aus vier goldenen Regeln, wie er in Hamburg erläutert:
"Erstens: Bei Disney erzählen wir zeitlose Geschichten für ein Publikum von heute. Zweitens: Jeder Disney-Film ist für Zuschauer jeden Alters gedacht, also für Jüngere und für Ältere. Drittens: Unsere Filme müssen auf irgendeine Weise sowohl die Lachmuskeln als auch das Herzen berühren. Und Viertens: Jede unserer Produktionen soll Walt Disneys Qualitätsansprüchen gerecht werden!"
Die ersten drei Prinzipien wurden von den Filmemachern anhand der gewählten Geschichte abgehakt: Es wird eine zeitlose Geschichte darüber erzählt, dass wir alle unseren Träumen folgen sollten – wenn schon eine Häsin Polizistin werden kann, dann sollten wir uns auch nicht so schnell geschlagen geben. Als Fabel über Vorurteile und Doppelmoral hat diese Trickkomödie zudem bei all ihren Verrücktheiten und genüsslichen Albernheiten auch Hintersinn zu bieten, der leider noch immer hoch aktuell ist. Da diese Lektion, basierend auf den ersten Ausschnitten, sehr amüsant vermittelt wird, sollte diese Mischung aus Herz und Witz weder zu moralinsauer für die Kids sein, noch zu seicht für das ältere Publikum.
Und auch wenn sich eine kleine Fraktion innerhalb der Disney-Fangemeinde jedes Mal aufs Neue mokiert, wenn eine aktuelle Produktion in der Gegenwart spielt, so gibt es in der Gegenwart angesiedelte Filme schon seit Walt Disneys Zeiten. Dass in der langen Riege an Disney-Cartoontieren nach dem Tageszeitung lesenden Donald Duck und dem Telefonzellen benutzenden Micky Maus nun eine Judy Hopps via Smartphone einen Videochat mit ihren Eltern abhält, sollte daher keinen gut informierten Disney-Chronisten erschüttern. Ob Spencer mit «Zoomania» diese Prinzipien auch abseits der Grundidee tatsächlich einhält, und wie hoch die Qualität des Films ausgefallen ist, lässt sich anhand unserer Kritik ausführlich nachlesen.
Wie Spencer Quotenmeter.de gegenüber in einem kurzen Gespräch erläuterte, waren die von ihm verfolgten Prinzipien auch der Grund dafür, weshalb im Frühjahr 2015 ein zweiter Regisseur zum Projekt geholt wurde: Byron Howard, der die Grundidee zum Film hatte und bis zu diesem Zeitpunkt allein als Regisseur tätig war, gelang es zunächst nicht, der Story einen packenden, charakterbasierten Kern zu verleihen. Dabei änderte er das Konzept schon in der Vorproduktionsphase weg von einer Agenten-, hin zu einer Buddy-Cop-Story, weil diese Idee im Studio besser ankam. Um jemanden dazu zu holen, der mit frischem Blick auf «Zoomania» blickt, holte Spencer Regisseur Rich Moore an Bord, mit dem der Produzent bei «Ralph reicht’s» zusammengearbeitet hat. Moore war es, der vorgeschlagen hat, den Fokus von «Zoomania» noch einmal zu ändern: Statt wie zunächst geplant die Geschichte des Trickbetrüger-Fuchses Nick Wilde zu erzählen, der gezwungen wird, mit einer eifrigen Hasen-Polizistin zusammenzuarbeiten, sollte deren Geschichte erzählt werden. "In dem Moment hat es ‚Klick‘ gemacht ", sagt Spencer. Die Erzählung, wie eine Häsin allen Vorurteilen zum Trotz Polizistin wird und wider Willen mit einem natürlichen Feind zusammenarbeiten muss, erschien Howard und seinem Team prompt organischer und warmherziger, weshalb der Film entsprechend umstrukturiert wurde.
Der Look: Von Fellen, Gangarten und artübergreifender Architektur
Die Arbeiten an «Zoomania» wurden los getreten, als der Studio-Kreativleiter John Lasseter eine Sitzung abhielt, die es zum Zweck hatte, Ideen für kommende Filme zu finden. Als Regisseur Byron Howard, der kurz zuvor «Rapunzel – Neu verföhnt» fertiggestellt hatte, den Wunsch äußerte, einen Animationsfilm über vermenschlichte Tiere zu verwirklichen, wurde er laut Clark Spencer von Lasseter feierlich umarmt und emporgehoben. Der Hawaiihemdenträger ist nämlich großer Fan der Disney-Cartoontiere, zu seinen liebsten Disney-Trickfilmen zählt unter anderem das «Der Wind in den Weiden»-Segment aus «Die Abenteuer von Ichabod und Taddäus Kröte». Trotzdem hatte Lasseter eine Bedingung: Howards Film sollte sich von allen anderen Trickfilmen über sprechende Tiere unterscheiden. So nannte Lasseter, dass es ihn immer wieder stört, wenn die Tiere in solchen Trickfilmen so wirken, als seien sie verkleidete Menschen.
Auf gestalterischer Seite beschlossen Howard und sein Team daher alsbald, bei «Zoomania», im Gegensatz zu anderen Produktionen dieser Art, durchgehend die realen Größenverhältnisse zwischen den Tieren zu beachten. Statt sich also Fantasiemaße auszudenken oder gar alle gleich groß zu machen, sollten die Relationen in diesem Film wirklichkeitsgetreu sein. Ein Gnu hat also ungefähr die Größe, die ein Mensch hätte, würde er im Filmuniversum existieren. Und um auf Augenhöhe mit einem Gnu zu kommen, müssten sich demnach über 20 Mäuse stapeln. Eine Giraffe wiederum ist in «Zoomania» so groß wie 95 Mäuse.
- © Disney
Dies wiederum provozierte eine große Herausforderung im Design des Handlungsortes: Die Welt von «Zoomania» muss aufgrund der immensen Vielfalt an Bewohnern auf allerhand Bedingungen Rücksicht nehmen. Die gestalterische Herausforderung wurde von den Filmemachern trotz des damit einhergehenden Kopfzerbrechens nicht aufgegeben, weil sie einen dramaturgischen Effekt hatte: Als Protagonisten standen früh ein Fuchs fest, weil Howard «Robin Hood» liebt, sowie eine Häsin, weil er so gerne Häschen zeichnet. Und aufgrund ihrer vergleichsweise ähnlichen, geringen Größe werden die natürlichen Feinde urplötzlich zu notgedrungenen Partnern, wenn sie sich zwischen Riesen aufhalten müssen.
Um dies zu bewerkstelligen, haben sich die Produktionsdesigner allerhand pfiffige Details einfallen lassen, wie etwa besondere Züge mit mehreren Türen und einen abgeschotteten Stadtbezirk für Kleintiere, bei dem durch die Umzäunung sichergestellt werden soll, dass nicht aus Versehen ein großes Tier alles niedertrampelt. Aber nicht alle Ideen, die Spencer ein halbes Jahr vor Kinostart im Rahmen seiner Präsentation vorstellte, haben es in den fertigen Film geschafft: So umfasst laut den vorgeführten Konzeptzeichnungen ein Hotelbett in Elefantengröße auch Schubladen, aus denen sich kleinere Betten ziehen lassen. Und damit Nagetiere wie Hamster und Mäuse auf einem Zebrastreifen nicht totgetrampelt werden, gibt es in «Zoomania» Untergrund-Straßenübergänge speziell in Nagergröße.
Insgesamt entwickelte das Filmteam für den Film zwölf Stadtteile, die in der fiktiven Großstadt Zoomania existieren und auf die speziellen Wünsche bestimmter Tierarten ausgerichtet sind. In der fertigen «Zoomania»-Version werden letztlich nur sechs gezeigt, bei denen das Layout darauf achtete, plausibel zu erklären, wie sie nah beieinander koexistieren können. So haben die Filmdesigner bewusst den Wüsten-Distrikt und das sibirische Viertel nebeneinander gelegt: Durch eine überdimensionale Klimaanlage, die beide Viertel trennt, wird eine Seite der großen Mauer geheizt, während es auf der anderen frostig wird.
Hier endet die Detailliebe aber noch lange nicht. Denn zu Beginn der Produktionszeit haben sich die Disney-Künstler erst einmal in eine 18-monatige Recherchearbeit zum Thema Tiere gestürzt. Zunächst stand ein ausgedehnter Besuch in Disneys Animal Kingdom an, der es ihnen erlaubte, lange Gespräche mit Experten zu führen und hautnah an exotische Tiere zu gelangen. Darauf folgte ein Trip nach Kenia in ein Wildtierreservat, um auch einen Eindruck davon zu gewinnen, wie sich diverse Arten in ihrem natürlichen Umfeld begeben. Laut Spencer war dies für alle Beteiligten eine "lebensverändernde Reise", und zudem der Stein des Anstoßes für die Animatoren, den faszinierenden Eigenheiten sämtlicher Tiere gerecht zu werden und auch in ihrer vermenschlichten Form ihren jeweiligen Gang einzufangen. In der Computeranimation ist die Simulation eines typischen "Walking Cycles", also einer charakterisierenden Art zu gehen, mit das Erste, was während der Gestaltung einer Figur erfolgt. Und in «Zoomania» erhält jede der 64 Tierspezies ihre eigene Gangart, die sich am realen Vorbild orientiert. So wackeln beim Kamel selbst in der auf zwei Beinen laufenden «Zoomania»-Version Hocker und Lippe im Takt mit. Obwohl dies viel Recherche- und Feinarbeit bedeutete, weckte dies die Inspiration der Animatoren, weil sie viele verschiedene Bewegungsmacken karikieren durften, beteuert Spencer.
Vor allem habe es in den Disney-Studios für Feierstimmung gesorgt, dass die Animatoren sich "endlich wieder mit anthropomorphen Tiere austoben" konnten. Neben verspielten Verrücktheiten in der Charaktertanimation hat «Zoomania» allerdings auch technische Weiterentwicklungen der Tricktechnik inspiriert. Die Trickkünstler haben sich laut Spencer dazu hinreißen lassen, bei jeder einzelnen Tierart das Fell ganz genau zu untersuchen: Welche Textur hat es, welche Dichte, welche Farbe, und wie wird es vom Wind beeinflusst? Statt Eisbären etwa mit weißem Fell auszustatten, orientieren sich die Disney-Künstler in «Zoomania» an der Natur und verleihen ihnen durchsichtiges Fell, das jedoch so beschaffen ist, dass es durch Lichtreflexionen weiß, leicht vergilbt aussieht.
Auch die verschiedenen Rottöne an einem Fuchshaar werden berücksichtigt, zudem werden Jungtiere mit anderer Fellanimation ausgestattet als erwachsene Tiere. Zu guter Letzt sorgt ein neues Programm namens Keep Alive dafür, dass das Bild stets lebendig ist: Jedes einzelne Blatt in einem Baum wiegt sich nunmehr im Wind, und auch jedes Haar der animierten Tiere wird dadurch beeinflusst. Spencer zeigte als Beleg eine Szene aus dem fertigen Film, in der Nick und Judy durch eine Gasse gehen, die vom Schatten eines Baums verdunkelt wird. Der Schatten bewegt sich windbedingt minimal, und die Szene dauert nur wenige Sekunden. Und dennoch wurde viel Zeit darin investiert, diese Bewegung im Bildhintergrund zu verwirklichen. Aus gutem Grund, wie der Produzent festhält: "Das ist etwas, das nur wenige Zuschauer sehen, aber alle Zuschauer fühlen es, dass das Bild lebendig ist.“
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