Mit dem Aufstieg in den DAX wird auch die Strategie von Chef Thomas Ebeling belohnt, der den Konzern seit 2009 führt. Er gehört zu den bestbezahlten Managern des Landes, da immer wieder satte Bonuszahlungen ausgeschüttet werden, den Rekord-Geschäftszahlen sei Dank. Ebeling forcierte das, was unter seinen Vorgängern begonnen wurde: Man macht sich unabhängiger vom klassischen TV-Werbegeschäft. Diese Strategie fährt ProSiebenSat.1 schon seit über einem Jahrzehnt, der Call-In-Sender 9live war einer der ersten größeren Bausteine dieses Plans – und ist längst wieder abgeschaltet. Der CEO hat erkannt, wie wichtig die digitale Revolution auch für einen einst klassischen TV-Konzern wie ProSiebenSat.1 ist.
Allzu oft äußert sich Ebeling (Foto) nicht zur grundlegenden Ausrichtung seines Konzerns. In seinen wenigen Interviews bezieht er aber deutlich Position, so zum Beispiel im Magazin „Bilanz“ vor einem Jahr. "Das ganze Gerede vom Tod des Fernsehens oder von Print - das muss ich leider hart sagen - ist in weiten Teilen eine Feuilleton-Debatte", erklärt Ebeling beispielsweise, wohl wissend, dass er anders nicht reden kann als Chef von ProSiebenSat.1. Schließlich ist der TV-Werbemarkt immer noch wichtigster Umsatzanteil. Die echte Strategie erkennt man aber an solchen Sätzen: "Ich freu' mich natürlich, dass unser Werbegeschäft gut läuft, aber es ist für meinen Geschmack noch zu dominant." Ebenfalls sagte Ebeling vor einem Jahr: "Fernsehen ist immer noch das bessere Geschäftsmodell als YouTube." Das Wörtchen "noch" mag hier entscheidend sein für die Interpretation; es zeigt, wo der Konzern die Zukunft sieht.
Im vergangenen Geschäftsjahr hat ProSiebenSat.1 erneut Rekordzahlen vorgelegt. Und erneut waren die Bereiche abseits der TV-Werbung die wichtigsten Umsatztreiber. Das deutschsprachige Werbegeschäft legte zwar immerhin um 4,3 Prozent zu, der Bereich „Digital & Adjacent“ dagegen um 38,6 Prozent. Zu diesem Geschäftszweig gehört der Bereich „Digital Entertainment“ (z.B. YouTube-Netzwerke, Maxdome und MyVideo), der Teil „Adjacent“ (vor allem das Musiklabel Starwatch) sowie der Bereich „Ventures & Commerce“ (z.B. Internetfirmen wie weg.de oder Verivox). Die Wachstumsziele im Digitalbereich sind gewagt, aber angesichts der bisherigen Entwicklung realistisch: Bis 2018 soll sich der Umsatz hier noch einmal fast verdoppeln, von derzeit 846 auf 1535 Millionen Euro. Sollte diese Prognose eintreffen, würde dieser Bereich rund 36 Prozent des Gesamtumsatzes erwirtschaften. Thomas Ebelings ausgegebenes Ziel ist es, den Umsatz mit TV-Werbung bis 2018 auf unter 40 Prozent zu drücken. Anders ausgedrückt: In zwei Jahren wird ProSiebenSat.1 mit dem Digitalgeschäft wahrscheinlich ähnlich viel Geld erwirtschaften wie mit TV-Werbung. Die digitale Revolution, sie kommt schneller als gedacht.
Duell im Digitalen: RTL vs. ProSiebenSat.1
Der größte Konkurrent, die RTL Group, hat im Digitalgeschäft aber deutlich Boden gutgemacht, nachdem man das Geschäftsfeld einst vernachlässigt hatte. Die Strategie liegt hier eindeutig auf dem Bewegtbild: Multi-Channel-Netzwerke und VoD-Portale sind Umsatztreiber. Mehrheitsbeteiligungen an Internet-Startups, zum Beispiel Vergleichsportalen oder Webshops, stehen nicht im Fokus – anders als bei ProSiebenSat.1. Man versucht eher, eigene Marken zu stärken, beispielsweise über die Now-Portale.
Im Vergleich liegt der Anteil der Digitalsparte am Gesamtumsatz bei 8,4 Prozent. Bei ProSiebenSat.1 beträgt er dagegen bereits 25,9 Prozent. Zwei wesentliche Dinge sind allerdings zu beachten: Die ProSieben-Sendergruppe bündelt in dem Geschäftsbereich mehr Aktivitäten als RTL, darunter das genannte Musiklabel. Weiterhin ist der digitale Umsatzanteil bei RTL auch deshalb niedriger, weil die international sehr breit aufgestellte Sendergruppe insgesamt deutlich mehr erlöst: Im Jahr 2015 waren es über 6 Milliarden Euro, bei ProSiebenSat.1 knapp 3,3 Milliarden. Absolute Zahlen sind etwas aussagekräftiger: 508 Millionen Euro erlöste die RTL Group im Digitalbereich, bei ProSiebenSat.1 waren es 846 Millionen. Der Rückstand schmilzt außerdem: 2015 legte der Geschäftszweig bei RTL im vergangenen Geschäftsjahr um satte 72,7 Prozent zu, also deutlich mehr als bei ProSiebenSat.1. Außerdem wirbt RTL intensiv damit, dass man mit seinen globalen Multi-Channel-Netzwerken die meisten Videoabrufe aller Konzerne erreicht, elf Milliarden pro Monat – ein Plus von 87 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Disney mit den Maker Studios kommt auf Platz zwei mit sieben Milliarden, ProSiebenSat.1 mit seinem Studio71 auf drei Milliarden.
Beide Sendergruppen machen sich mit ihrem digitalen Wachstum automatisch unabhängiger von TV-Werbung: Deren Umsatzanteil liegt bei 49 Prozent (RTL Group) sowie 61 Prozent (ProSiebenSat.1). Dass Ebelings Sendergruppe noch stärker abhängig ist vom Fernseh-Werbemarkt, liegt vor allem daran, dass die RTL Group sehr stark auf Content-Produktion setzt und als international führender Produzent von TV-Formaten auftritt, beispielsweise über die Firma FremantleMedia («DSDS», «Supertalent», «Take Me Out»). Dieser Geschäftszweig setzte im vergangenen Jahr über 1,3 Milliarden Euro um, bei ProSiebenSat.1 betrug er dagegen nur rund 262 Millionen.
Für Zahlenfetischisten...
...die Links zu den Geschäftsberichten und Investor-Präsentationen der Sendergruppen:- RTL Group
- ProSiebenSat.1 Media SE
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