Filmfacts «Familie zu vermieten»
- Regie: Jean-Pierre Améris
- Drehbuch: Murielle Magellan, Jean-Pierre Améris
- Produktion: Philippe Godeau, Nathalie Gastaldo Godeau
- Darsteller: Benoît Poelvoorde, Virginie Efira, François Morel, Philippe Rebbot, Pauline Serieys, Calixte Broisin-Doutaz
- Kamera: Virginie Saint-Martin
- Schnitt: Anne Souriau
- Laufzeit: 97 Minuten
- FSK: ab 0 Jahren
Aus Angst, dass ihm Familientrubel vielleicht doch nicht liegen könnte, will Paul-André aber erst einmal austesten, wie es sich als Familienoberhaupt so lebt. Also kontaktiert er jene Frau, deren Interviewaussage er im Fernsehen mitbekommen hat: Die Mittvierzigerin Violette (Virginie Efira). Die alleinerziehende Mutter zweier Kinder hat immense Geldprobleme, die sie bereits zum Diebstahl verführt haben. Als sie dabei erwischt wurde, hat sie den Wachmann brutal niedergeschlagen, was Violette wiederum vor Gericht gebracht hat – wo sie der Presse gegenüber ihr Plädoyer fürs Familiendasein vom Stapel ließ. Zunächst von Paul-Andrés ungewöhnlicher Reaktion auf ihr Pressestatement schockiert, willigt Violette letztlich doch ein: Der Einsiedler darf sich in ihr Familienleben einkaufen. Für drei Monate lebt Paul-André bei ihr, gibt sich ihrer Familie gegenüber als ihr neuer Freund aus und im Gegenzug tilgt er sämtliche Schulden Violettes. Sex spielt bei dieser Abmachung indes gar keine Rolle. Zur Freude beider Seiten: Violette möchte schließlich keine Prostituierte sein. Und Paul-André ist nicht gerade scharf auf körperliche Nähe.
Größte Stütze der mit weniger als 100 Minuten Laufzeit recht knackigen Beziehungskomödie ist zweifelsohne Poelvoorde: Wie schon in «Die anonymen Romantiker» generiert sich auch hier ein Großteil des Humors daraus, welch dezidierten, geistesabwesenden oder auch begriffsstutzigen Blicke der Mime auf das Geschehen richtet. Wenn Poelvoorde als Paul-André gerade nicht verwundert dasteht, während sich Violette und ihre Kinder ankeifen oder aneinander vorbeireden oder sich sonstiger Familienalltag abspielt, dann reißt er die Szene häufig an sich, indem er sich in einem bemüht strengen Auftreten versucht: Der von chaotischen Zwischenmenschlichkeiten überforderte Reiche hofft mehrmals, Ordnung und Frieden in die Familie zu bringen, indem er das Sagen an sich reißt – was eigentlich so gar nicht zu seiner verschreckten, vorsichtigen Ader passt und entsprechend ulkig rüberkommt.
Virginie Efira kann neben Poelvoorde leider nicht so sehr glänzen wie seine «Die anonymen Romantiker»-Partnerin Isabelle Carré, die zu dem Belgier eine wesentlich stärkere Leinwandchemie entwickelte. Die zarten Annäherungsversuche, die es in beiden Filmen zu sehen gibt, gerieten daher in der filmischen Pralinenpackung «Die anonymen Romantiker» gefühlvoller, während Efira zwar mit trockenem Witz aufwartet, hier jedoch in den emotionaleren Momenten unterkühlt bleibt. Da ist ihre Interaktion mit dem in Liebesdingen ebenfalls ratlosen «Birnenkuchen mit Lavendel»-Protagonisten schon sehenswerter! Dafür sind Efiras Leinwandkinder aufgeweckt und sorgen mit überspitzten, nicht jedoch überzogenen Dialogzeilen, für kleine dramatische sowie gewitzte Sequenzen. Vor allem die an Chloë Grace Moretz erinnernde Pauline Serieys weiß, dem Film ihren Stempel aufzudrücken, und trägt mit den emotionalen Schwankungen ihrer Figur nahezu im Alleingang den letzten Akt. Dieser kommt nämlich bedauerlicherweise etwas schleppend in Gang und signalisiert die im Raum stehende Katastrophe zu deutlich, um auf emotionaler Ebene mitzureißen.
Das Drehbuch von Murielle Magellan und Jean-Pierre Améris mag auf der romantischen Seite etwas fade ausgefallen sein, dafür umfasst es einige unterhaltsame sowie spitzfindige Beobachtungen über Familendynamiken. Eine herausragende Szene zeigt ein Familienpicknick mit Violettes Verwandschaft, bei dem die Anwesenden mit Gehässigkeiten um sich schmeißen – sobald Paul-André eingreift, wird er dafür aber abgemahnt. Denn Familie darf sowas ja, da hat sich niemand einzumischen. Solche und andere Szenarien der Marke „Es ist lustig, wie genau hier die Wirklichkeit beschrieben wird, und ärgerlich, dass dem so ist“ verhelfen der inszenatorisch unauffälligen Komödie zu einem gewissen Esprit. In Kombination mit der grundsoliden Situationskomik genügt dies zwar nicht, um «Familie zu vermieten» weder zu einem Améris-, noch zu einem Poelvoorde-Highlight zu machen, für Freunde des lakonischen, leicht dramatischen französischen Humors ist «Familie zu vermieten» trotzdem einen Blick wert.
Fazit: Poelvoorde punktet, das Skript ist durchwachsen: «Familie zu vermieten» wird Fans glücklich machen, Freunde französischer Komödien mit dramatischen Zwischentönen zufrieden stellen und Gelegenheitszuschauer nicht sonderlich stören.
«Familie zu vermieten» ist ab dem 31. März 2016 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel