Sonntagsfragen

‚In Deutschland stimmt das Bild des Golf-Sports noch nicht‘

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Wir sprachen mit Sky-Kommentator Gregor Biernath über das Image des Golfs in Deutschland, die Unterschiede zu populären Sportarten und die Zukunft des Golf-Sports hierzulande.

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Sie haben es gerade angedeutet: Wie in kaum einem anderen Sport ist die Etikette der Spieler und ein gepflegtes Auftreten der Profis im Golf sehr wichtig – Ausraster oder verbale Entgleisungen gelten als verpönt. Woher rührt das?
In deinem Golfclub würdest du für ein Jahr gesperrt werden, wenn du in einem Turnier vergleichbar unsportlich auftreten würdest.
Gregor Biernath über Schwalben im Fußball
Das ist einfach die Tradition. Der Golf-Sport wurde in Großbritannien vor ein paar hundert Jahren groß und war früher ein reiner Gentleman-Sport. Dort ging es einfach um Sportlichkeit und Fairness dem Gegner gegenüber. Wenn man in einem Sport, in dem man gegen jemanden antritt, ausrastet, dann ist das eine Art von Unsportlichkeit. Auch beim Tennis sieht man Ausraster ja sehr selten. Meines Wissens nach muss man Wimbledon immer noch in Weiß spielen - auch dort wird also viel Wert auf Etikette gelegt. Deswegen rege ich mich auch beim Fußball immer so über Schwalben auf. In deinem Golfclub würdest du für ein Jahr gesperrt werden, wenn du in einem Turnier vergleichbar unsportlich auftreten würdest. Da ist Golf weit vor allen anderen Sportarten, die ich kenne.

Der Golfsport zieht sich nicht durch Ihre ganze TV-Karriere. Ihre ersten Schritte im Fernsehen gingen Sie im Rahmen von Fußball- und Tennis-Übertragungen. Wie kamen Sie letztlich zum Job des Golf-Kommentators?
Ich habe früher für eine Fernsehproduktionsfirma gearbeitet und war dort in den 90er Jahren bei verschiedenen Fußball-Europapokal-Spielen und bei Tennis-Turnieren eingeteilt, als Sat.1 noch sehr viel übertragen hat. Da habe ich Statistiken oder Slomos gemacht oder zu Studentenzeiten ganz banal Ecken, Fouls oder Sonstiges gezählt. Angefangen zu kommentieren habe ich aber erst vor 18 Jahren bei Premiere. Zwischenzeitlich habe ich in der zweiten Fußball-Bundesliga auch mal drei Spiele als Konferenz-Kommentator begleitet, aber ich habe gemerkt, dass ich nicht einhundertprozentig im Thema drin, vor allem wenn es um taktische Aspekte geht.

Dass ich Golf-Kommentator wurde, war in gewisser Weise eine glückliche Fügung. Mein Vater war früher beruflich häufig in England und ich habe ihn des Öfteren begleitet. Schon vor 30 Jahren habe ich also ganze Tage auf englischen Golfplätzen verbracht. Später wurde dann auch in der Nähe meines Elternhauses ein Golfplatz gebaut, sodass ich als Jugendlicher dort günstig Mitglied werden konnte. Während meines Studiums habe ich dann ein Praktikum bei Premiere gemacht und bin zufällig in der Golf-Redaktion gelandet. Nach drei Monaten als Praktikant bin ich dann als freier Mitarbeiter übernommen worden und habe nach einem halben Jahr meine ersten Live-Turniere kommentiert.

Schön, wie so etwas per Zufall immer wieder entstehen kann…
Total. Ganz ehrlich: Nach Abitur und Bundeswehr und vor dem Studium wusste ich noch nicht genau, wie es weitergehen soll. Ich wusste bis dahin zwar, dass es Golf-Kommentatoren gibt, das waren – wie heute ja auch – etwa drei oder vier in Deutschland, aber dass ich dann wirklich zu dem Job kam, war im Nachhinein ein absoluter Glücksgriff.

Denken Sie, dass der Sport in den kommenden Jahren in Deutschland eine gesteigerte Aufmerksamkeit erfahren könnte? Sicherlich hinge dies auch mit dem Abschneiden der deutschen Profis zusammen…
Es muss ein Umdenken stattfinden und die Regeln müssen von den Golfverbänden vereinfacht werden.
Gregor Biernath über notwendige Veränderungen im Golf
In den nächsten fünf Jahren wird sich zeigen, wie es mit dem deutschen Golf langfristig weitergeht. Der DGV hat jetzt bereits Werbung geschaltet und versucht, so an die Schulen heranzukommen. Es muss ein Umdenken stattfinden und die Regeln müssen von den Golfverbänden vereinfacht werden, denn es gibt Regelbücher, die wirklich gnadenlos sind. Da kann ich verstehen, dass jemand, der keine Ahnung vom Golf hat und sich mit dem Regelbuch befasst, ungläubig schaut. Auch allgemein muss es erleichtert werden, Golf spielen zu können, ohne irgendwo Mitglied sein zu müssen. Zehn bis 15 Freunde von mir spielen mittlerweile Golf und ich würde sagen, sie würden es nicht tun, wenn ich sie nicht darauf gebracht hätte. Nur wenige, die ich mal mit den auf den Golfplatz genommen habe, haben gesagt, dass sie gar nichts mit dem Sport anfangen können. Wer einmal einen Schläger in die Hand genommen hat und den Ball 150 Meter weit schlägt, hat diesen Aha-Effekt - dann lässt es einen nicht mehr los.

Auch die Athletik des Sports wird völlig unterschätzt von Leuten, die sich damit nicht befassen. Man muss sich einen Tiger Woods nur einmal anschauen. Der ist genauso fit wie Bundesliga-Profis. Nicht unterschätzen darf man ebenfalls die Konzentration, die man für den Erfolg im Golf aufbringen muss. Der Golfschwung ist nach dem Stabhochsprung wohl die motorisch komplizierteste Sportbewegung. Diese perfekte Mischung aus Körper und Geist macht den Sport aus.


Vielen Dank für das Interview, Gregor Biernath!

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