Dennoch bzw. gerade deswegen traut man sich als zynischer und vom modernen Fernsehgeschäft abgehärteter Zuschauer kaum an diese lieb gewonnenen Fernseherinnerungen heran. Was ist, wenn die Inszenierung, die Dialoge, die Drehbücher und die Schauspieler (all die Dinge, über die man sich als erwachsener Zuschauer und als Kritiker oder Entertainment-Journalist so viele Gedanken macht) gar nicht so gut waren, wie man sie in Erinnerung hat? Zunächst aber für alle Uneingeweihten, oder diejenigen, die sich erst zu spät in das Geschehen einschalteten und sich die Frage stellen: „Wer ist dieser Kommissar Rex?“ Wie jeder Superheld oder Superhund - und machen wir uns nichts vor, Rex ist nichts anderes - hat auch das vorliegende Exemplar eine Origin-Story: Der ausgebildete Polizeihund, der mit seiner scharfen Spürnase noch jede Ermittlung weitergebracht hat, wurde als Welpe gestohlen, wusste aber schon als Mini-Rex, wie seine Karriere auszusehen hat. So half er bereits in jungen Jahren bei der Aufklärung eines Verbrechens.
Ob man sich diesem Nostalgietrip hingeben möchte, entscheidet sich wahrscheinlich schon in den ersten Sekunden einer erneuten Betrachtung: Der aus heutiger Sicht altmodisch-kitschige Vorspann, unterlegt mit dem einschlägigen und einprägsamen Lied „A Good Friend“ von Kathy Sampson, zeigt zunächst die Haupt- und Nebenfiguren der Serie. Rex springt nicht nur durch Fensterscheiben, sondern schnappt den Kommissaren auch die Wurstsemmeln weg und stört den Chef beim Billardspielen. Die Aussage ist deutlich: Rex ist ein Schlawiner und er ist nicht nur hier, um Kriminalfälle zu lösen, sondern um Spaß zu haben und seinen ganz eigenen Gelüsten zu frönen.
Schicksalhafte Begegnungen unter Bombenfeuer
Die beiden Erfinder Peter Hajek und Peter Moser ließen die Titelfigur und seinen zukünftigen, menschlichen Partner, Kommissar Richard „Richie“ Moser (Tobias Moretti) das erste Mal im 90-minütigen Pilotfilm „Endstation Wien“ aufeinander treffen. Der Initialzünder im übertragenen und im buchstäblichen Sinne ist eine Bombe, die ein zwielichtig dreinschauender Mann in einem Café auf dem Dach eines Hochhauses zündet. Und für eine kleine Abendserie ist die Szene sogar recht spektakulär geraten und es wäre nicht verwunderlich, wenn die Produzenten das Effektbudget einer gesamten Staffel bereits für diese eine Explosion verbraten hätten. Bei der Verfolgung des Täters wird Rex' Trainer und Partner erschossen, was den Vierbeiner in eine Abwärtsspirale aus Depressionen wirft. Richard Moser, der ebenfalls an der Jagd des Attentäters beteiligt war, ist jedoch sofort von dem einnehmenden Charme und dem Talent zur Verbrechensbekämpfung des Hundes fasziniert.
Der Kommissar und seine Herrchen
- Richard „Richi“ Moser, Kriminalinspektor von Staffel 1 bis 3 (1994 - 1998), Status: tot
- Alexander Brandtner, Kriminalinspektor von Staffel 4 bis 7 (1998 - 2001), Status: unbekannt
- Marc Hoffmann, Kriminalinspektor von Staffel 8 bis 10 (2002 - 2004), Status: unbekannt
- Lorenzo Fabbri, Kriminalhauptkommissar von Staffel 11 bis 13 (2009 - 2010), Status: tot
- Davide Riviera, Kommissar von Staffel 14 bis Staffel 15 (2012 - 2013), Status: unbekannt
- Marco Terzani, Kommissar ab Staffel 16 (ab 2013/14), Status: wahrscheinlich quicklebendig
Dem damals 35jährige Tobias Moretti verhalf die Rolle des Kommissar Moser jedoch zu einer erfolgreicheren Karriere. Prominentere Auftritte wie etwa in der zweifelhaften Komödie «Workaholic» sollten folgen. Aber auch kritische Erfolge wie der ARD-Zweiteiler «Die Rückkehr des Tanzlehrers» prägen später seine Filmografie. Auch als Polizist in «Kommissar Rex» macht er eine recht überzeugende Figur. Neben einem Hund zu schauspielern ist nicht immer die einfachste Aufgabe, aber auch wenn Moretti sich sichtlich Mühe gibt, kann man seine Zwiegespräche mit dem Tier schwerlich ernst nehmen. Moser und Rex schließen etwas zu schnell Freundschaft und der alte und tote Partner scheint schnell vergessen. Allerdings kann man sich durchaus fragen, wie ausgeprägt das Langzeitgedächtnis eines Schäferhundes ist, wenn regelmäßiger Wurstsemmel-Nachschub gewährleistet ist.
Dennoch hätten die beiden sich gerne ein bisschen länger streiten und die Gewöhnungsphase etwas einfallsreicher ausfallen können - man denke nur an berühmte Hund-Mensch Polizistenpaare wie «Scott & Hootch» oder James Belushi und sein «Partner mit der kalten Schnauze», deren Keilereien diese Komödien erst wirklich sehenswert gemacht haben. Kleine Reibereien finden sich in späteren Episoden, denn Rex ist das, was im englischen Sprachraum gemeinhin als „Cockblocker“ bezeichnet wird. So vermasselt er Moser regelmäßig die Tour: Eine Femme Fatale in einer der ersten Episoden, eine Kollegin, mit der Moser in einem freizügigen Undercover-Einsatz einen Urlaubsmörder zu stellen versucht und die potentiell vielversprechendste Beziehung mit der Tierärztin Sonja Koller (Daniela Gäts) scheitern alle an der Eifersucht des Hundes.
Darüber hinaus ist sowieso nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen und Wurstsemmeln im Hundeskriminalamt, denn «Kommissar Rex» behandelt durchaus ernste Themen, wenn auch auf äußerst naive Art und Weise: In der Episode «Amok» beschäftigt sich das Polizistenteam mit einem erfolgreichen, jungen Geschäftsmann, der auf Killertournee geht. Dieser vermutet nämlich, dass ihn eine seiner Gespielinnen aus seinem Freundeskreis mit HIV infiziert hat. Kindermorde, Morde in der Wiener Homosexuellen- und Satanistenszene müssen aufgeklärt werden und Rex fungiert für blinde Zeuginnen und kleine, unter Schock stehende Kinder, die kein Wort mehr reden wollen, sowohl als Bodyguard als auch als Therapiehund. Sehen muss man diese Episoden im Kontext eines naiveren 90er Jahre-Fernsehens, um sie wirklich genießen zu können. Eine wöchentliche Ausstrahlung ist für ein solches Unterfangen hilfreich, binge-watching wäre dagegen fatal. Ausblenden muss man trotzdem den furchtbaren Synthesizer-Soundtrack, der gelegentlich mit einer noch furchtbareren elektrischen Gitarre vermischt und nur selten von wohl klingender Piano-Musik abgelöst wird.
Was aber diese ersten Episoden tatsächlich sehenswert macht, ist das Zusammenspiel der drei Kommissare und dem Hund. Moser, Ernst „Stocki“ Stockinger (Karl Marcoviks) und der gemütliche, untersetzte Peter Höllerer (Wolf Bachofner) bauen zusammen eine unterhaltsame Dynamik auf, die von österreichischen Charme, Schlagfertigkeit und einem feinen, trockenen Sinn für Humor geprägt ist. Eigenschaften, welche die vorhersehbare Kriminalsendung über alberne Hundetricks hinausträgt.
Mehr dazu auf der nächsten Seite: Rex verliert alte und neue Freunde. Als auch das nicht hilft, wird er nach Italien verschifft.
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