Filmfacts «Hardcore»
- Regie und Drehbuch: Ilya Naishuller
- Produktion: Timur Bekmambetov, Ekaterina Kononenko, Ilya Naishuller, Inga Vainshtein Smith
- Darsteller: Sharlto Copley, Danila Kozlovsky, Haley Bennett, Tim Roth
- Musik: Darya Charusha
- Kamera: Pasha Kapinos, Vsevolod Kaptur, Fedor Lyass
- Laufzeit: 96 Minuten
- FSK: ab 18 Jahren
Schwer verletzt wacht Henry im Labor seiner Frau Estelle (Haley Bennett) auf. Besorgt dreinblickend pflegt sie ihn, bringt seine Erinnerung auf Vordermann und nutzt ihr Wissen in Sachen Cyborgtechnologie, um ihrem Gatten mit hochmodernen Prothesen ein Weiterleben zu ermöglichen. Doch noch während des letzten Feinschliffs an der Prozedur, die Henry zu einem Kämpfer irgendwo zwischen Mensch und Maschine machen soll, platzt der psychopathische Akan (Danila Kozlovsky) ins Labor. Er demütigt Henry und nimmt Estelle gefangen, um sie dazu zu zwingen, eine willenlose Heerschar an kybernetisch aufgemotzten Soldaten zu erschaffen. Das kann Henry natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Also rennt, springt, prügelt, schießt und kämpft Henry im Moskau einer nahen Zukunft, um an Akan zu gelangen und dessen Plan zu vereiteln. Auf dem Weg zur Befreiung Estelles ist Henry nahezu auf sich allein gestellt. Nur der schräge Jimmy (Sharlto Copley) steht mit wirrem Rat und unvorhersehbarer Tat zur Seite …

Als hauptsächlich mit der GoPro Hero3 Black Edition gedrehter Kinofilm hat «Hardcore» aber auch viel von den Videos, die eine Jugendsubkultur aus Russland mit Vorliebe bei YouTube hochlädt: Mit Helmkameras gefilmte Stuntvideos. Im Gegensatz zu diesen, die als Nebenprodukt von todesmutigen Aktionen entstehen, weiß der hoch kinetische «Hardcore» aber die Bedürfnisse des Publikums zu berücksichtigen: Regisseur Ilya Naishuller achtet stets darauf, dass trotz der sich unentwegt bewegenden Kamera eine Übersicht der Szene gewahrt ist. Wenn Henry etwa aus einem Geheimversteck flieht, so blickt er sich ruhig um, bevor das Chaos so richtig losbricht. So kann sich der Zuschauer Orientierung verschaffen, womit die geballten, schnellen Actionsequenzen noch immer spannend bleiben, statt zu einem reinen Bewegungswust zu verkommen. Nur gelegentlich stiftet Naishuller Verwirrung, dies aber teils mit gewitztem Effekt, etwa wenn Henry einen Sprung vom Dach eines Autos nur übersteht, weil er mit viel Glück auf einem vorbeifahrenden, zuvor nicht gesehenen Motorrad landet.
Überhaupt bewahrt Naishuller seinen Actiontrip davor, eintönig zu werden, indem er die waghalsigen Stunts und das ruchlose Gemetzel mit pointiertem Humor auflockert: So selbstbewusst und fähig „Hardcore Henry“ auch auftreten mag, diverse Male überschätzt sich der Anti-Held dann doch und scheitert bei von anschwellender Musik begleiteten Kunststücken oder legt sich ganz schlicht und unzeremoniell bei einem Sprung auf die Fresse. Insofern ist Henry der schweigsame Bruder im Geiste des «Crank»-Protagonisten Chev Chelios: Jason Stathams abgebrühter Auftragskiller vollführt in seinen bislang zwei Filmen ebenfalls abgefahrene Dinge, bloß um an anderer Stelle über seine eigenen Füße (oder sein Ego) zu stolpern. Generell wirkt «Hardcore» wie ein in der Egoperspektive gefilmter Cousin des elektrisierenden und durchgeknallten «Crank: High Voltage», der ebenfalls Actioneskapaden mit pechschwarzem Humor vermengt.

Nicht, dass das krass-schrille Finale unvorhergesehen auf das Publikum hereinbricht: Mit dem extrem dick auftragenden Nebendarsteller Sharlto Copley haut Naishuller seinem Publikum eine genüsslich-exzentrische Rolle um die Ohren. Der unter anderem aus «Elysium» bekannte Südafrikaner chargiert sich wandelbar, doch stets maßlos übertrieben durch absurde Dialoge, die den Plot am Laufen halten und «Hardcore» zwar kein Herz, aber eine Persönlichkeit verleihen. Wenngleich auch Copley die wenigen Leerläufe dieses Films nicht übertönen kann (so ist ein schwach ausgeleuchteter Abstecher in ein Bordell etwas lang geraten), sorgt er immerhin für Spaß und bestärkt Henry in seiner Motivation, es Akan heimzuzahlen. Denn Henrys rudimentär charakterisierte Freundin ist keine so überzeugende Antriebsfeder wie Copleys Jimmy, dessen sonderbare Art (die zu einer unvergesslichen Musicaleinlage führt) schon eher einen (kaputten) moralischen Orientierungspunkt markiert. Und das ist symptomatisch für «Hardcore»: Wieso nach Normalität streben, wenn es auch einen harten, bescheuerten Weg gibt?
Fazit: Harte, durchgeknallte Action für filmverrückte Adrenalinjunkies der Generation «Call of Duty» und YouTube: «Hardcore» pfeift auf Kinogesetze und bringt Videospiellogik sowie GoPro-Stuntaktionen ebenso derbe wie amüsant auf die Leinwand. Das ist nicht mehr Papas Actionkino!
«Hardcore» ist ab dem 14. April 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel