Filmfacts «The First Avenger: Civil War»
- Regie: Anthony & Joe Russo
- Produktion: Kevin Feige
- Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely
- Darsteller: Chris Evans, Robert Downey Junior, Scarlett Johansson, Sebastian Stan, Anthony Mackie, Don Cheadle, Jeremy Renner, Chadwick Boseman, Paul Bettany, Elizabeth Olsen, Paul Rudd, Emily VanCamp, Tom Holland, Frank Grillo, William Hurt, Daniel Brühl, Martin Freeman, Marisa Tomei
- Musik: Henry Jackman
- Kamera: Trent Opaloch
- Schnitt: Jeffrey Ford, Matthew Schmidt
- Laufzeit: 147 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Zudem fungiert der von den Autoren Christopher Markus & Stephen McFeely lose nach Motiven der 'Civil War'-Comicsaga verfasste Actionfilm als packende, eine neue emotionale Fallhöhe aufbauende Antwort auf all jene Momente in den bisherigen Marvel-Kinoabenteuern, in denen Konsequenzen eher klein geschrieben wurden. Denn als ein von Steve Rogers alias Captain America (Chris Evans) geleiteter Einsatz der aus Topagentin Natasha Romanoff/Black Widow (Scarlett Johansson), Fliegerass Sam Wilson/Falcon (Anthony Mackie) und der Telekinese beherrschenden Wanda Maximoff/Scarlet Witch zusammengesetzten Avengers wegen eines Versehens unschuldige Leben kostet, reißt den Vereinten Nationen der Geduldsfaden. Der zum U.S. Scretary of State aufgestiegene Ex-General Ross (William Hurt) erklärt alsbald der Heldentruppe, dass ein neuer Gesetzesentwurf verlangt, dass sich die Avengers als Sondereinheit der UNO unterstellen. Der geniale Erfinder und Unternehmer Tony Stark/Iron Man (Robert Downey Junior), den seit seinem letzten Avengers-Einsatz schwere Schuldgefühle plagen, stimmt ohne zu Zögern zu. Auch der Android Vision (Paul Bettany) sieht darin einen logischen Schritt, ebenso wie Stark-Weggefährte Lt. James Rhodes/War Machine (Don Cheadle).

Ein Actiondrama mit so vielen Superhelden, dass es eigentlich nicht funktionieren dürfte
Bei solch einem nahezu irrsinnigen Aufgebot an kostümierten Heroen drängen sich zwei Fragen auf: Kann «The First Avenger: Civil War» als 13. Film aus dem «Avengers»-Universum narrativ überhaupt auf eigenen Beinen stehen? Und kann sich angesichts des immensen Figureninventars eigentlich eine dynamische, schlüssige Erzählung entfalten? So berechtigt diese Fragen sein mögen, so sehr werden sie durch stetig voranschreitendes Storytelling und eine präzise Inszenierung zerschlagen: Selbst wenn die Besetzungsliste wie ein feuchter Produzententraum wirkt und eher nach einem dritten «Avengers»-Film anmutet, ist dies ganz klar ein «Captain America»-Film. Soll heißen: Dieses gewitzte Superhelden-Actiondrama hat inmitten der unaufhörlich eskalierenden Auseinandersetzungen zwischen "Team Cap" und "Team Iron Man" in Steve Rogers einen klaren Protagonisten. Der annähernd 100 Jahre alte Supersoldat ist der erzählerische Dreh- und Angelpunkt, es ist sein Konflikt mit sich selbst, mit ideologischen Fragen, mit seinen früheren und neuen Teamkollegen sowie seinem einstigen besten Freund, der den Plot befeuert.

Inhaltliches Kuddelmuddel bekommen Kenner der Marvel-Filmwelt also keineswegs vorgesetzt. Was die Frage der Selbstständigkeit dieses Heldenkonflikts anbelangt, fällt die Antwort unterdessen schwerer. Zuschauer, die nicht den kleinsten Hauch Vorwissen mitbringen, müssen durchaus etwas Anpassungsfähigkeit mitbringen und die nicht weiter erklärten Kräfte und Herkünfte des vorgeführten, illustren Personals ohne Weiteres akzeptieren. Anderweitig werden sie über kurz oder lang von der Vielfalt an Power-Ausrüstungen, kuriosen Talenten und Superfähigkeiten überwältigt. Die weiteren Stützpfeiler des Projekts werden aber durchaus innerhalb der gebotenen Laufzeit errichtet, denn die Figurenmotivationen beruhen nicht allein auf früheren Produktionen: Ob Steves Bindung zu Bucky, Tony Starks Schuldgefühle, Black Widows Wankelmütigkeit oder andere Handlungselemente, sie alle werden innerhalb dieser mehr als 140 Minuten (wieder) eingeführt, ausgearbeitet und weitergesponnen. Dennoch erhöht die Kenntnis der bisherigen 'Marvel Cinematic Universe'-Projekte selbstredend die emotionale Bindung zu den Figuren, was wiederum die Anfeindungen der Figuren packender und aufreibender gestaltet.
Chaos und perfekte Teamdynamik: Vielseitige Action, stimmig umgesetzt

Ästhetisch gehen die Russos den gewagten Weg, die visuelle Sprache der Actionsequenzen schrittweise zu ändern: Die erste Avengers-Mission ist aller Teamharmonie zum Trotz äußerst rasant geschnitten, mit «Bourne»-Style-Handwackelkamera und vielen Nahaufnahmen. Eine spätere Verfolgungsjagd zu Fuß, Motorrad und Auto bleibt ähnlich flott und dynamisch, wird aber vermehrt mit halbnahen Aufnahmen, Halbtotalen und Totalen bereichert, wodurch dem Zuschauer mehr Überblick über die stilistisch an «The Raid 2» erinnernden Stunts gewährt wird. Das 17-minütige, chaotische Superheldenaufeinandertreffen ist letztlich temporeich, jedoch mit weiten Einstellungen und einem etwas ruhigeren Schnitttempo illustriert. Somit erlauben die Russos, dass mit zunehmender Intensität und Turbulenz dennoch nicht die visuelle Verständlichkeit der Action abhanden kommt und «The First Avenger: Civil War» trotz der mal spaßigeren, mal härteren Scharmützel eine durchweg stimmige Tonalität wahrt: Der Anfang ist kernig und hart gefilmt, das Ende ist wiederum inhaltlich kernig, hart und dramatisch– und da sich die Bildsprache wandelt, ist dennoch Abwechslung geboten, weswegen diese Heldenauseinandersetzung nicht monoton und schlauchend daherkommt.
Während die Spezialeffekte, von sehr wenigen, als solchen leicht zu erkennenden Green-Screen-Aufnahmen abgesehen, zur Spitzenklasse moderner Big-Budget-Hollywood-Produktionen zählen (auch in ruhigen, emotionalen Szenen weiß «The First Avenger: Civil War» mit seinen Effekten zu erstaunen), ist dieses Abenteuer auf musikalischer Seite ein kleiner Rückschritt. In «The Return of the First Avenger» lieferte Komponist Henry Jackman («Baymax – Riesiges Robowabohu»), einen mutigen, exzentrischen, lauten Score ab. Jackmans neue Marvel-Instrumentalmusik ist im Vergleich deutlich handzahmer und konventioneller, zählt mit dezenten Abwandlungen von figurenbasierten Leitmotiven und einer ausgewogenen Düsternis, die aber nie die humorvollen Akzente erstickt, noch immer zu den besseren Kompositionen im eher zurückhaltenden Marvel-Musikkanon.
Ein rundum gut aufgelegtes Ensemble

Chadwick Bosmans Einstand ins Marvel-Universum ist ebenfalls überzeugend, denn trotz eines im englischsprachigen Original dick aufgetragenen Akzents verleiht er seiner Figur Würde und Kompromisslosigkeit. Weitere Nebendarsteller, wie der einmal mehr als Clint Barton/Hawkeye agierende Jeremy Renner oder Marvel-Newcomer Martin Freeman, manövrieren sich angemessen durch ihre raren Szenen, wobei sich abzeichnet: Mehr Leinwandzeit bedeutet auch eine bessere, stärker nachhallende Performance – Sebastian Stan etwa drückt ungeheuerlich viel nur durch seine Augen aus und gibt dem lebenden Stein des Anstoßes für den Avengers-Streit ebenso Charisma mit wie eine Respekt einflößende Härte.

Fazit: Ein unvergesslicher, ausgefeilter Superheldenzwist: «The First Avenger: Civil War» ist nicht nur bombastisch, sondern auch dramatisch und verbreitet obendrein noch immer großes Sehvergnügen.
«The First Avenger: Civil War» ist ab dem 28. April 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
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