Die Einschaltquoten des nördlichsten «Tatort» entwickelten sich ähnlich bedächtig wie die Ermittlungen des Kommissars. Schauten zum Start bei der Episode Väter 7,87 Millionen Krimifreunde zu, blieb man danach bis 2012 immer brav zwischen 6 und 8 Millionen Fans hängen. Einen ersten größeren Ausschlag gab es mit der Episode Borowski und der brennende Mann, die 9,31 Millionen Zuschauer begeistern konnte und somit erstmals die 9-Millionen-Grenze durchbrach. 2014 toppte man diesen Wert mit Borowski und das Meer und knackte mit 9,99 Millionen Menschen sogar fast schon die 10-Millionen-Grenze. Im Januar 2015 war es dann aber endlich soweit: Borowski und der Himmel über Kiel generierte 10,67 Millionen TV-Zuschauer und bescherte dem Format die bis dato beste Quote. Seitdem waren die Zahlen wieder etwas rückläufig, hielten sich aber auf starkem Niveau.
Die prägnanten Episodentitel, die immer den Namen des Kommissars mit einbeziehen, wurden übrigens erst mit der 10. Folge eingeführt – sind seitdem aber ein beliebtes Stilmittel.
Zu unserer großen Freude durften wir an den Dreharbeiten zur Episode Borowski und das verlorene Mädchen teilnehmen, die vor kurzem unter anderem im Fähranleger der Stena Line in Kiel stattfanden. Ein maritimes und stimmiges Flair für den Kieler «Tatort» war also garantiert.
Erste Begegnung ein Volltreffer
So begab sich unser Redakteur im schönsten Sonnenschein zuerst zwischen die in langer Reihe geparkten Fahrzeuge des Drehteams. Für jeden Bereich fand sich dort ein eigenes Gefährt: Maske, Garderobe, Aufenthaltsraum oder reiner Transporter. Doch war um kurz nach 8 Uhr noch kaum eine Menschenseele zu sehen – Ausnahme: Der Cateringbereich, an dem man sich um Kaffee und Brötchen drängte. Hinter dieser Idylle steckt jedoch ein straffer Zeitplan: Die Darsteller werden alle zu unterschiedlichen Uhrzeiten bei ihren verschiedenen Hotels abgeholt, bevor es die Stationen Maske, Garderobe, Probe und Aufnahme zu durchlaufen gilt.
Da jedoch um diese Zeit noch keine Schauspieler zu erspähen waren, postierte sich unser Mann erst einmal zentral auf dem Vorplatz des Terminals und wartete. In diesem Fall die beste Strategie: Bewaffnet mit einem Kaffeebecher und versteckt unter einem Cappi näherte sich ein bärtiger Mann, der mit dem Spruch „Sie sind entweder Security oder Schauspieler“ nicht nur den perfekten Icebreaker am Start hatte, sondern dem Redakteur mit zuletzt genannter Vermutung natürlich auch gehörig schmeichelte. Dessen Antwort „Schlimmer: Presse.“ sorgte dann natürlich auch in die andere Richtung für Heiterkeit. So kam der Berg also zum Propheten und es entwickelte sich eine charmante und spannende Unterhaltung mit dem Zugpferd des Kieler Tatorts, der direkt so viel liebenswerter und zugänglicher war, als sein oft mürrisches Alter Ego Klaus Borowski. Axel Milberg zeigte sich als genau der nachdenkliche, hintergründig witzige und interessierte Zeitgenosse, als er der schon wiederholt von Kollegen beschrieben wurde. Dennoch war es interessant, diese private Seite auch im entspannten Vier-Augen-Gespräch zu erleben.
Dabei konnten vor allem seine reflektierten Gedanken über den Kiel-«Tatort» faszinieren. Für Milberg ist er der einzige, der „zwar nicht am offenen Herzen aber am offenen Meer operiert“ und somit „eine ganz spezielle Sichtweise auf das Krimigenre bietet“. Milberg als gebürtiger Kieler hat „erlebt, dass wir hier in Schleswig-Holstein eher eine Orientierung nach Skandinavien haben. Das versuchen wir in den Geschichten zu erzählen, haben einen Fall in Finnland gedreht, waren in Schweden, eine Geschichte spielte auf der Fähre, Henning Mankell hat für uns geschrieben“. Dinge, die dem Schauspieler unheimlich gut gefallen. Wie er weiter berichtete, setzte er sich immer dafür ein, „einfach eine spannende Geschichte zu erzählen – ein Krimi sollte ein Krimi sein! Nicht das Privatleben ausbreiten oder andere Befindlichkeiten ausleben, sondern dafür sorgen, dass man sich die Fingernägel abkaut“. Er plädiert dafür, „Platz zu machen für die Geschichte – denn nur diese ist wichtig. Nicht auf die Brust trommeln und private Eitelkeiten befriedigen“. Ein Schelm, wer hier an den Hamburger «Tatort» rund um Til Schweiger alias Nick Tschiller denkt.
Milberg hinterfragt ständig für sich: „Was ist spannend? Der gewaltsame Tod im Film muss anrühren, wehtun. Es lässt hingegen kalt, mit viel Bum-Bum anonyme Gegner um zu mähen“. Milberg wäre jedoch nicht Milberg, wenn er damit wirklich gezielt jemand anderen kritisieren wollen würde – so tickt dieser Mann nicht. Für ihn ist seine Haltung nie „gegen jemand anderen gerichtet – sondern immer aus der Begeisterung für das eigene Vorhaben“, das es bestmöglich umzusetzen gilt. Bis heute freut es ihn, dass er seine Redaktion immer wieder für seine Sichtweise begeistern und mitnehmen konnte.
Wo ist bloß das Schiff?
Nach diesem erfreulichen Start galt es, dem späteren Drehort einen Besuch abzustatten. Und immerhin: Auch dort war zumindest das Catering bereits aufgebaut. Doch brach plötzlich Hektik aus, da die Stena Scandinavica, das Schiff, welches man als Kulisse im Hintergrund eingeplant hatte, zu diesem Zeitpunkt wohl verspätet war. Auf einmal wurde telefoniert, nachgefragt – kommt sie auch wirklich? Kurz darauf gab es jedoch Entwarnung: Das Schiff lief ein.
Nur für den Aufnahmeleiter war damit noch nicht Schluss mit dem Telefonieren – mit traumwandlerischer Gelassenheit nahm er einen Anruf nach dem nächsten an und regelte alle anfallenden Dramen und Nachfragen.
Auf der nächsten Seite geht es um den Regisseur, den Produzenten & eine sehr skurrille Gemäldeszene. Bitte blättern Sie um!
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