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Die Gläubigen kommen, die Gläubigen kommen!

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Was haben der türkische Filmmarkt und zahlreiche unabhängige US-Kinoproduktionen gemeinsam? Sie zielen vermehrt darauf ab, den gottesfürchtigen Glauben ihres Publikums zu bestärken.

Auch wenn Horrorfilme noch immer gerne Elemente aus Mythologie und Religion verwerten, wie etwa der demnächst anlaufende Filmfestival-Darling «The Witch», so ist dieser Bezug zumeist nur vage. Selbst Sektenthriller wie «Regression» nutzen zwar christliche Symbolik, schlussendlich dient diese aber nur zum Setzen einer Stimmung. Glaubensbestärkend sind solche Genrefilme nur in absoluten Ausnahmefällen. Jedenfalls, so lange wir vom westlichen Kino sprechen. Denn in der Türkei boomt seit einigen Jahren das Geschäft mit dem religiös motivierten Gruselkino.

Wenn der Islam Angst und Schrecken eindämmt


Einer der auch abseits der Türkei bekannteren Filme, der innerhalb dieser Welle entstanden ist, ist «Dabbe – Fluch der Dämonen»: Während des „Henna-Abends“, dem türkisch-islamischen Pendant zum Junggesellinnenabschied, wird die angehende Braut Kübra von Dämonen angegriffen und vereinnahmt. Eine befreundete Psychiaterin versucht, Kübra zu heilen, scheitert jedoch. Somit müssen Kübras Freundinnen auf einen Exorzisten zurückgreifen, um Kübras Seele zu beschützen. Der zentrale Dämon in diesem Film: Dabbe-tül Arz, der laut der Vorstellung mancher islamischer Untergruppen (etwa bei den Sunniten) das Ende der Welt markiert. Auch der blutrünstige Thriller «Baskin», der hierzulande dank seiner Präsenz auf den Fantasy Filmfest White Nights durchaus etwas Aufmerksamkeit erlangt hat, lässt irdische Erwartungen mit (un)göttlichen Geschehnissen kollidieren.

Während für «Baskin» der Regiedebütant Can Evrenol verantwortlich war, stammen die meisten der türkischen Horror-Kassenschlager der jüngsten Vergangenheit von Alper Mestci. Dieser legt, im Gegensatz zu seinen westlichen Horrorkollegen, keinen Wert darauf, eigene Mythologien zu entwickeln. Viel mehr geht es ihm darum, dass er die religiösen Sagen, die er verarbeitet, möglichst akkurat wiedergibt. Zu diesem Zweck geht er seine Skripts mit muslimischen Imamen durch, die ihn darauf hinweisen, wann und wie etwa die Cins genannten Feuergeister wen angreifen würden.

Wiederkehrende Themen in diesen Filmen ist die Bestrafung dessen, was in weiten Teilen der Türkei gesellschaftlich verpönt ist, aber entweder gar nicht unter Strafe steht oder nur geringe rechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Wie im Film «Araf», in dem ein Paar heimgesucht wird, dass eine Abtreibung vollziehen ließ. Filmkritiker und Unidozent Kaya Özkaracalar gibt gegenüber 'Deutschlandfunk' zu Protokoll: „In einem großen Teil dieser Filme sind es ungläubige Charaktere, die von Geistern heimgesucht und bestraft werden. Oder eine verlorene Seele findet im Laufe der Geschichte zum rechten Glauben und wird dadurch frei. Einer der Guten ist außerdem immer ein Imam. Mit all dem tragen solche Filme als einer von vielen Bausteinen dazu bei, dass die kulturelle Hegemonie des Islam in der Türkei immer stärker wird.“

Auch wenn Özkaracalar glaubt, dass diese Filme wegen des Rucks der Türkei in den Konservativismus boomen, so stellen sie noch immer Nischenerfolge dar. Mehr als ein Dutzend islamisch unterfütterter Horrorfilme sind 2015 gestartet, und dies erfolgreich genug, um dieses Jahr eine noch höhere Anzahl solcher Produktionen zu rechtfertigen. Dennoch gelang keinem dieser Werke der Sprung in die Top Ten der türkischen Jahrescharts – diese werden von einheimischen Komödien, Romanzen und seichten Dramen dominiert (mit «Fast & Furious 7» sowie «Avengers: Age of Ultron» als die Regel bestätigenden Ausnahmen aus den USA).

Der amerikanische Weg: Die Ungläubigen sind es, die intolerant sind!


Ähnlich verhält es sich in den USA mit christlich unterfütterten Produktionen: Einen immensen Kassenschlager hat der dortige Schub an gläubig-konservativen Dramen noch nicht verursacht – für die Pole Position der Wochencharts reichte es hingegen zuweilen schon. «Den Himmel gibt’s echt» durchbrach sogar die 90-Millionen-Dollar-Marke, während «War Room» und «Gott ist nicht tot» immerhin mehr als 60 Millionen Dollar einspielten – all dies bei verschwindend kleinen Budgets.

Mit «Gott ist nicht tot 2» nahm der Boom an Christendramen sogar so große Formen an, dass nun auch frühere Stars wie «Sabrina – total verhext»-Frontfrau Melissa Joan Hart und «Dallas»-Mime Jesse Metcalfe dankend den Gehaltscheck einlösen und sich für diese Projekte vor die Kamera stellen. Was die meisten dieser Filme gemeinsam haben: Sie stammen von der Produktionsfirma Pure Flix Entertainment aus dem konservativen Arizona. Und: In diesen Filmen werden gottesgläubige, christliche Protagonisten von ihrem liberalen, atheistischen Umfeld verlacht und gepiesackt. So muss ein gläubiger Student in «Gott ist nicht tot» einem herrischen Professor gegenüber beweisen, dass Gott existiert. Atheisten sind in diesen Filmen nicht nur zumeist unhöflich und gehässig, sondern zumeist auch Menschen, die neidisch darauf sind, dass Christen dank ihrer Religion noch einen Silberstreifen am Horizont haben.

Andere Religionen werden in diesen Filmen entweder ausgeklammert oder aber ihre Anhänger werden in einem negativen Licht gezeichnet – wie der islamische Vater einer «Gott ist nicht tot»-Nebenfigur, die in ihrer Freizeit gerne Aufzeichnungen von christlichen Gottesdiensten hört, und daher verstoßen wird. Anders als die wegen ihrer teils beachtlichen handwerklichen Umsetzung mitunter gelobten Islam-Horrorfilme werden diese Filme allerdings gemeinhin von Kritikern verrissen – zuweilen auch von Journalisten, die sich als Christen sehen. So wurde «Gott ist nicht tot 2» von Roger Patterson, einem Mitglied der Organisation 'Answers in Genesis', als „Bündelung christlicher Klischees“ verrissen.

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