Es ist einfach, zu resignieren und über Menschen zu urteilen, die sich regelmäßig ihre diversen Fernsehprogramme ansehen. Ebenso leicht ist es, den Untergang deutscher TV-Kultur (falls es so etwas gibt) zu deklarieren, wenn man sich ihre Erfolgszahlen ansieht: Gerade erst Anfang Mai holte die Reality-TV-Sendung «Daniela Katzenberger - Mit Lucas im Hochzeitsfieber», in der so spannende Dinge geschehen, wie Eheringe designen und Hochzeitsanzüge anprobieren, einen Marktanteil von 9,9 Prozent bei der Zielgruppe, war damit die erfolgreichste Katzenberger-Sendung auf RTL II bisher und überflügelte die Geissens, die ähnlich spannende Themen behandelt. Die Stars sind eben doch so wie wir, mitsamt banalem, langweiligem Alltag.
Zahme Anfänge, große Konsequenzen
Seit ihren Anfängen in der Dokusoap «Auf und davon - Mein Auslandstagebuch» ist viel passiert und VOX hat damals schlauerweise, zumindest von einem quotentechnischen Standpunkt aus gesehen, das (nennen wir es einfach) Potential der gelernten Kosmetikerin erkannt. Schnell avancierte Katzenberger, oder kurz „die Katze“ genannt, zur Kultfigur des „Die ist gar nicht so dumm, wie sie tut“-Publikums, die sich aber hauptsächlich schlau genug zu vermarkten weiß, so dass man solche Sachen ohne Bedenken sagen kann. Eine Projektionsfläche, welche anscheinend ungefragt die Lücke füllt, die Verona Feldbusch hinterlassen hat und somit eine Nische bedient, für die offensichtlich immer Bedarf besteht.
In den USA sind es eben die Kardashians und hier sind es die Katzenbergers, denn auch Katzenberger-Schwestern und Eltern besitzen eigene, diverse Reality-TV-Ambitionen. Allerdings kann man fast schon dankbar sein, dass sich die Explosion des Reality-Sternchen nicht so atomar gestaltete, keine privaten Sexvideos, sondern nur zahme Aktbilder für den Playboy und eine recht eingeschränkte, kontrollierte Vermarktung involviert sind. Dies alles setzt sich natürlich ins durchproduzierte und plastizide Privatleben fort: Im letzten Oktober wurde die Verlobung zu Costa Codalles - Sprössling Lucas im Fernsehen gezeigt und die ersten Tage der gemeinsamen Tochter durfte der gewillte Fernsehzuschauer auch miterleben. Seit April befinden sich die Verlobten bei RTL II «Im Hochzeitsglück», das am Samstag, dem 4. Juni mit der Live-Hochzeit und mit einem Vokuhila-Hochzeitskleid abgeschlossen werden soll. Was danach kommt? Wer weiß. Nach oben, oder je nach Standpunkt, nach unten hin ist alles offen, so lange die Quote stimmt. Katzenberger bleibt erst einmal. Man kann sie ignorieren oder ihr bei der Verhökerung ihres Privatlebens zusehen. Eines steht jedenfalls fest: Rum meckern im Internet hilft nicht viel, sondern einfach nur umschalten.
Umschalten erlaubt
Hier eines der Programme, das vermutlich auch als Katzenberger-Cross-Promotionplattform dient, bei dem man getrost die Fernbedienung zur Hand nehmen kann: «Oberaffengeil! Die tierischste Talentshow der Welt». Katzenberger sitzt in der Jury zusammen mit Comedy-Jungstar Chris Tull und Sonja Zietlow, moderiert wird die Show von Amiaz Habtu. Und nachdem wir alle Menschen nach den „besten“ Sängern, Models, Jonglierern, Synchronschwimmern etc. durchgecastet haben (ja, es gab sogar mal eine Castingshow, die nach den besten Celebrity-Imitatoren suchte), war es nur eine Frage der Zeit, bis Tiere an der Reihe sind. Wenig verwunderlich, aber dafür umso verständlicher wäre es, wenn die Tierwelt sich an diesem Punkt «Planet der Affen»-Style gegen die Menschheit auflehnen würde.
Wofür werden diese Tiere gecastet? Winkt ihnen eine großartige Film-, Model- oder eine Art Tiergesangskarriere? Oder vielleicht ein Leben, in denen sie von Frauchen und Herrchen nicht mehr vorgeführt werden? Und warum um alles in der Welt, muss diese sogenannten Talentshow drei Stunden andauern? Fragen, die man sich schon im Vorhinein stellt, aber nicht unbedingt stellen sollte, um die bevorstehenden Stunden zu überstehen. Sonia Zietlow darf sich als Tierschützerin hervortuen und auch die beiden anderen Jurymitglieder heben hervor, dass sie große Tierliebhaber sind, um sich auch in dieser Richtung abzusichern. Katzenberger wurde als Kind oft von einem Schwan gebissen, die Begründung hat man schnell wieder vergessen. Chris Tull hat zwei „Muschis“ zu Hause (Witz des Moderators), die Art von Witz, die man heute neben dem gönnerhaften Lila Laune Bär-Moderationsstil zu erwarten hat und wahrscheinlich der Albernheit der kindischen Show angemessen ist. Die Tiere werden allesamt als „Rampensäue“ beschrieben, bei denen der Spaß im Vordergrund steht und die natürlich ganz heiß darauf sind, im Fernsehen aufzutreten.
Tiere oder Rampensäue?
Sazzou und Muxx, die Hunde von zwei Hundetrainerinnen, treten als erste auf und werden im einführenden Vorstellungsclip noch einmal ganz süß synchronisiert. In einer ungelenken Tanzchoreographie tanzen die Trainerinnen umher während Hunde um sie herum springen. Es wird geklatscht, Jurymitglieder sind teilweise erstaunt, aber es ist fraglich, wie viel von der Publikumsbegeisterung von den Studioanimateuren initiiert wird und wie viel davon wahre Freude am Geschehen ist. Die Kriterien, nach denen die Performance bewertet wird, bleiben genauso schwammig wie Sinn, Motivation oder gar Zweck der Sendung selbst. Lebensfreude, Spaß, Süße sind die abstrakten Begriffe, mit denen man um sich wirft. Katzenbergers Gedanken zu diesem Schauspiel sind anscheinend noch nicht einmal für RTL II relevant genug, denn sie werden mittels Werbung unterbrochen.
Peter und seine Hündin Nelly können einem dagegen schon fast Leid tun. Er präsentiert sich mit seinem Terrier im Schlafanzug auf der Bühne und spricht mit dem Tier wie mit einem kleinem Kind, ruft immerzu „Jaaaaaaaa, Supaaaaa!“. Nach anfänglicher Weigerung tut auch Nelly endlich, das was Herrchen ihr sagt. Zietlow findet das Schauspiel herzallerliebst, aber erkennt zumindest an, dass alle Nicht-Hundebesitzer bestenfalls ungläubig mit dem Kopf schütteln werden. Überraschend kritisch kommt der Kandidat Peter nicht weiter, aber an Sentimentalität spart man trotzdem nicht, denn Hund und Mensch haben sich ja gefunden. Morderationsstil, Gespräche über Pferde und was sie alles können, verständlicherweise nervöse Kandidaten, ein Erzähler aus dem Off, der alles Offensichtliche noch einmal offensichtlicher machen muss, alles an dieser Sendung bleibt unangenehm ungelenk und ambitionsfrei. Das Wort „Fremdschämen“ kommt in den Sinn, wenn es nicht selbst mittlerweile abgenutzt und somit bedeutungslos wäre. Zur Abwechslung fiebert man den Werbeunterbrechungen entgegen und die „Pause“ in „Werbepause“ ist in diesem Fall tatsächlich eine willkommene. Und nur weil das Frauchen sagt, dass ihr Pferd ein echtes Beethoven-Stück auf einem Keyboard spielt oder ein echtes Bild malt, ist das noch lange nicht so.
Das Pferd und das Pony dürfen immerhin im Finale auftreten. Der Autor dieses Artikels wird nie erfahren, was das genau bedeutet, wofür diese Tiere letztendlich diese Talente benötigen und warum. Denn nach einer Stunde hat er die Erlaubnis, Feierabend zu machen, und trotz eines unerlässlichen Ehrgeizes, als Medienjournalist so gründlich wie möglich zu arbeiten, sollte man sich nicht selbst quälen. Denn etwas anderes als das schon Dagewesene wird auch das Zukünftige nicht bieten. Nur weitere Tiere, von denen uns versichert wird, dass sie es gar nicht erwarten können, endlich vor die Kamera zu treten, deren Frauchen und Herrchen sich und ihre Schützlinge allerdings nicht so erfolgreich und überzeugend vermarkten können, wie es Frau Katzenberger bei sich selbst schafft.
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