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Staubig oder frisch? - «Renegade – Gnadenlose Jagd»

von   |  1 Kommentar

Eine Serie aus den 90ern im Stile der 80er Jahre mit Lorenzo Lamas als starkem Hauptdarsteller, aber eben nicht ohne Makel. Was also taugt das Format noch?

Welches Jahr?


«Renegade» wurde zwischen 1992 und 1997 produziert, wirkt aber wie von Mitte der 80er….

Wem zu verdanken?


….was vor allem an Schöpfer Steven J. Cannell liegt. Der umtriebige Autor, Produzent, Schauspieler und Regisseur war mit Produktionen wie «Trio mit vier Fäusten» oder «21 Jump Street» in wohl so ziemlich jedem Kinderzimmer des Commodore-Jahrzehnts zu Gast und wer sich bei «Renegade» an «Das A-Team» erinnert fühlt, fühlt nicht unrichtig, denn auch für die legendäre Söldnertruppe um John «Hannibal» Smith war der Allrounder verantwortlich.

Worum geht’s?


«A-Team» reloaded, dieses Mal allerdings mit nur einem super-kernigen Kerl im Mittelpunkt, nämlich dem ultra-toughen Biker-Cop Reno Raines. Der wird auf seinen korrupten Kollegen Buzzy Burrell aufmerksam, der in allerhand zappendustere Machenschaften verwickelt ist. Reno ist allerdings nicht nur unfassbar gut frisiert, sondern auch ein penibler Vertreter von Recht und Ordnung und will den schlimmen Finger vor Gericht zerren; da er genug Beweise hat, dürfte einer Verurteilung nichts im Wege stehen. Burrell ist aber nicht das eigentliche Übel, der Oberbösewicht ist Polizeichef Donald „Dutch“ Dixon. Der sorgt vor und lässt den verurteilten Mörder Hogg Adams aus dem Bau, als Gegenleistung soll er Raines abmurksen. Der Anschlag geht schief, Hogg erwischt nicht den eifrigen Gesetzeshüter, sondern dessen Verlobte. Reno hetzt mit ihr zum Krankenhaus, lässt aber seine Waffe am Tatort zurück. Als Burrell nachschaut, ob der Anschlag geglückt ist, wird er von Dixon mit Renos Waffe erschossen, was diesen natürlich schwer verdächtig macht.

Reno flieht, Dixon setzt den indianischen Kopfgeldjäger Bobby Sixkiller auf ihn an, doch der Flüchtige rettet seinem Jäger das Leben. Sixkiller dämmert nun so langsam, dass der angebliche Mörder eigentlich zu den Superguten gehört und arbeitet fortan mit ihm zusammen. Raines macht Straffällige dingfest, der Kopfgeldjäger übergibt sie der Behörde und kassiert die Belohnung, die dann brüderlich geteilt wird. Natürlich schwebt dabei immer die Gefahr einer Enttarnung und Verhaftung in der Luft, weswegen Raines sicherheitshalber eine neue Identität verpasst kriegt und sich fortan „Vincent Black“ nennt. Sein schon sehr hervorstechendes Aussehen wird aber nicht im Geringsten modifiziert und er fährt auch nach wie vor mit einem extrem auffälligen Motorrad durch die Gegend, aber hey, so waren sie nun mal, die unschuldigen TV-Serien der guten, alten Zeit….

Wer macht mit?


An dieser Stelle gleich mal ein Plädoyer für Hauptdarsteller Lorenzo Lamas. Der schöne Lorenzo wurde dank «Falcon Crest» (1981-1990) einem weltweiten Publikum bekannt, der Versuch mit «Body Rock» (1984) auf der großen Leinwand Fuß zu fassen, scheiterte allerdings erbärmlich, die goldene Himbeere war fällig, was rückblickend aber etwas unfair erscheint, denn Lamas schlägt sich durchaus wacker, vielmehr hat der Film so seine Probleme - es ist bezeichnend, dass Regisseur Marcelo Epstein nie wieder auf einen Kinofilm losgelassen wurde.

Jedenfalls folgte in den 1990er-Jahren eine Reihe von zum Teil durchaus sehenswerten B-Actionfilmen, bevor es dann ungefähr Anfang 2000 langsam, aber sicher in die C-Abteilung ging, heutzutage ist der agile Mime in Asylum-Schrottproduktionen zu sehen und sorgt unter anderem als Pleitegeier für Schlagzeilen.

Natürlich, Lamas ist kein Schauspieltitan, aber er ist bei weitem nicht so schlecht, wie gerne kolportiert wird, in der deutschen Version von «Renegade» zieht ihn leider auch der ansonsten sehr geschätzte Synchronsprecher Ekkehardt Belle, dessen knarzendes, irgendwie „altes“ Organ zwar beispielsweise zum brummig-massigen Steven Seagal, aber irgendwie so gar nicht zum drahtig-jugendlichen Lamas passt, deutlich runter (die bei 80-Jahren-TV-Serien üblich schlechte Tonmischung ist noch ein weiteres Problem). Englischkundige sollten daher definitiv zur amerikanischen Originalversion greifen.

Das Besondere an Lamas ist aber: Mit seinen schulterlangen Haaren, seinem Motorrad, den Jeans, seinen Cowboystiefeln, der offenbar selbst von führenden Fachärzten nur mühselig in Griff zu kriegenden Allergie gegen Oberbekleidung (man kann Wetten abschließen, dass sein von Michelangelo gemeißelter Stahlkörper in jeder Episode auf irgendeine Weise unauffällig auffällig präsentiert wird) und seiner absolute Überlegenheit ausstrahlende Chef-Attitüde wirkt der Mann, als ob er auf einer komplett anderen Zeitachse wandelt. Lamas - der auch bei seinen zahlreichen Actionfilmauftritten bis zum Ende des Jahrzehnts keinen Millimeter von dieser Linie abweichen sollte - riecht nach Whisky, Bar-Schlägereien, Komplettverweigerung von Gartenarbeit und anderen häuslichen Kleinkram, Legionen an willigen Verehrerinnen und, wenn man die glänzende Geschmeidigkeit seiner Haare in Betracht zieht, nach einer besonders teueren Pflegespülung.

Das Schöne ist aber: Er weiß dieses Auftreten mit viel, immer leicht rotzigem Charme zu verkaufen, der Mann ist einfach eine Marke, ein Typ - er kann sich seine Art leisten, eben weil er es kann.

Wer ist noch zu sehen?


Weiterhin am Start ist der in den 80ern und frühen 90ern allgegenwärtige Branscombe Richmond in seiner wohl bekanntesten Rolle als witzelnder Sidekick Bobby Sixkiller (passend gesprochen von einer weiteren Synchro-Legende, Arne Elsholtz). Sixkillers Reines anschmachtende Schwester Cheyenne wird gespielt von Kathleen Kinmont, die zwischen 1989 und 1993 mit Lamas verheiratet war und sich hier vor allem durch sparsame Oberbekleidung auszeichnet (was somit ja auch wieder passt). Als Dauerbösewicht Dixon gibt sich Serienerfinder Stephen J. Cannell die Ehre und stellt mit seiner Darbietung eindrucksvoll unter Beweis, wieso er hinter der Kamera weitaus erfolgreicher war als vor.

Anzumerken wäre noch, dass - wie bei so vielen Serien aus diesem Zeitraum - auch bei «Renegade» eine Menge bekannte oder in den folgenden Jahre bekannt werdende Gesichter ihre Gastauftritte haben, so tauchen in größeren und kleineren Rollen unter anderem Sam J. Jones, Charles Napier, Marshall R. Teague, Don Swayze, Anthony De Longis, John Vernon, Martin Kove, Jackie Earle Haley, Ed Lauter, Don Stroud, Cary-Hiroyuki Tagawa, Kelly Hu, Don Michael Paul, Leah Remini, Jan-Michael Vincent, Linda Blair, Johnny Cash, Charlotte Lewis, Michael Jai White, Tim Thomerson, Walton Goggins, Al Leong, Corey Michael Eubanks, Danny Trejo, Brion James, Ken Foree, Sugar Rey Leonard, Michael Clarke Duncan, Richard Roundtree, Fred Williamson und Kane Hodder auf.


Staubig oder frisch?


Natürlich ist da mittlerweile ordentlich Staub drübergerieselt, was vor allem an der typischen Cannell-Standardisierung liegt, sprich: Kennt man eine Episode, kennt man wirklich alle Serien aus seiner Werkstatt: Inhaltlich ist natürlich Flachland angesagt (auch wenn man eine gewisse, von Haus aus eingepflanzte Kurzweiligkeit nicht leugnen kann).

Sehenswert ist «Renegade» aber trotzdem und das vor allem dank dem einmaligen Hauptdarsteller und dem mit ihm verbundenen, oftmals vermutlich nicht ganz freiwilligen Humor: Wenn Lamas einer bedrohten Frau davon abrät, in ihr 08/15-Auto zu steigen, weil das zu „auffällig ist“, er sie dafür aber auf seinem nun wirklich alles andere als unsichtbaren Bike mitnimmt, sorgt das schon für ein Schmunzeln, dass noch breiter wird, wenn Sixkiller und Cheyenne auf der Suche nach ihrem dritten im Bunde mit einer jungen, hübschen Ladenbesitzerin telefonieren und sich folgendes Dialog-Gold auffächert: „Er soll `n Polizisten umgebracht haben, aber das glaub ich nicht, dass kann ich nicht glauben.“ - „Können Sie ihn beschreiben?“ - „Wissen sie, er sieht toll aus!“ - „Er ist es!“. Wer über feingeistige Dialoge dieser Art kichern kann, liegt bei „Renegade“ genau richtig, zumal auch der Cannell-typische Sexismus zumindestens etwas abgemildert wurde: Zwar sind auch hier die meisten Darstellerinnen hübsch und oftmals nicht allzu üppig bekleidet, aber der männliche Hauptdarsteller präsentiert sich ja ebenso alle naselang als überirdische Sexfantasie, so herrscht Gleichstand. Zumal gönnt sich «Renegade» vereinzelt tatsächlich einen Tick stärkere Frauenrollen und Lamas gibt - obwohl natürlich nicht mehr in Worte zu fassend gut aussehend und begehrter als ein Fass Wasser in der chilenischen Atacamawüste - Legionen von Frauen einen Korb, weil er immer noch seine verstorbene Frau liebt (im echten Leben ließ Lamas seine Gemahlin wegen einer Statistin, einem Playboy-Model, stehen). Hier merkt man dann doch ein wenig, dass die 90er angefangen haben.

Endabrechnung:


Taugt nicht gerade zum Serienmarathon, ist aber wirklich immer gut für einen kurzen, entspannten Absacker.

RTL Nitro zeigte die Serie letztens, derzeit aber pausiert sie im deutschen Fernsehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
07.06.2016 15:21 Uhr 1
War meine absolute Lieblings Serie in den 90ern!!!
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