Die Kino-Kritiker

«Seitenwechsel»

von

Ein großartiger Cast versackt in einer ausgelutschten, auf unterstem Sitcom-Niveau verwirklichten Geschlechterklischee-Story.

Filmfacts «Seitenwechsel»

  • Regie: Vivian Naefe
  • Drehbuch: Kati Eyssen, Andrea Sixt
  • Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Ruby O. Fee, Frederick Lau, Steve Windolf, Mina Tander, Ludger Pistor, Axel Stein, Lisa Tomaschewsky, Paula Riemann, Friederike Kempter, Jimi Blue Ochsenknecht
  • Musik: Johannes Repka
  • Kamera: Hagen Bogdanski
  • Schnitt: Robert Rzesacz
  • Laufzeit: 101 Minuten
  • FSK: ab 12 Jahren
Wenn eine Kinoproduktion erst zwei Jahre nach dem Dreh auf die Leinwand gelangt, ist oftmals Vorsicht geboten. Insbesondere, wenn es sich um eine Geschichte handelt, die angesichts ihres Verzichts auf aufwändige Digitaleffekte nicht gerade nach einer ellenlangen Postproduktion schreit. Im Falle der deutschen Körpertauschkomödie «Seitenwechsel» kommt sogar noch ein Warnsignal hinzu: Der Verleih Warner Bros. versteckt Vivian Naefes Regiearbeit trotz eines namhaften Ensembles in der EM-Saison. Womöglich ist dies aber die beste Taktik, die Warner Bros. mit «Seitenwechsel» fahren konnte. Denn «Seitenwechsel» ist einer dieser Filme, die am uralten (und insgesamt ziemlich unsinnigen) Vorurteil Schuld tragen, Deutsche hätten kein Gespür für Komik.

15 Jahre Ehe haben die Beziehung zwischen Fußballtrainer Alex (Wotan Wilke Möhring) und Psychotherapeutin Teresa (Mina Tander) zugrunde gerichtet: Er ist ihr zu passiv, sie redet ihm zu viel. Ihre jeweils grundverschiedenen Ansichten, wie mit der derzeit schwer pubertierenden Tochter (Ruby O. Fee) umzugehen ist, erschweren das Miteinander ungemein. Als wäre dies noch nicht genug an Problemen, steht Alex‘ Verein kurz vor dem Abstieg, was Fußballhasserin Teresa nicht weniger interessieren könnte. Die überforderten Paartherapeuten der Eheleute schüren unterdessen Alex‘ Hass auf Psychologen – eine Scheidung steht deswegen kurz bevor, erst recht, da selbst im Bett nur noch Funkstille herrscht. Eines Morgens wachen Alex und Teresa jedoch im Körper des jeweils anderen auf, so dass sie gezwungenermaßen lernen, die Welt mit den Augen des Noch-Ehepartners zu betrachten …

Ein Foul am Zuschauer


Um sich kurz der Fußballsprache zu bedienen: Die Komödie der «Obendrüber, da schneit es»-Regisseurin erleidet auf inhaltlicher Ebene bereits in den ersten Minuten einen schweren Bänderriss. Daher ist es leider nicht überraschend, dass sich «Seitenwechsel» mühselig durch seine gesamte Laufzeit humpelt. Die Geschichte beginnt mit dem unglamourösen Kennenlernen des zentralen Pärchens: Alex und Teresa begegnen einander auf der Schwelle des neuen Jahrtausends und finden sich trotz peinlicher Frisur und abgeschmackter Klamotten ziemlich heiß. Was noch subversiv unromantisch beginnt und so die Hoffnung einer außerhalb des Rahmens denkenden, der abgehobenen Körpertauschprämisse zum Trotz authentischen Geschlechterkomödie schürt, nimmt bald eine schädliche Wende:

Schon der erste Wortwechsel zwischen Alex und Teresa macht überdeutlich klar, dass diese beiden Figuren nicht zusammengehören. Sie haben keinerlei gemeinsame Interessen (was daran liegen könnte, dass sie derart flache Pappfiguren sind, dass eine kleine Meinungsverschiedenheit allein genügt, um sie zu wandelnden Gegensätzen zu machen). Sie haben vollkommen unvereinbare Persönlichkeiten. Zu allem Übel verinnerlichen «Tatort»-Kommissar Wotan Wilke Möhring sowie «Buddy»-Hauptdarstellerin Mina Tander die Diskrepanzen zwischen ihren Figuren derart, dass keinerlei glaubwürdige romantische Spannung entsteht. Die Folge dessen: Alex und Teresa kommen wie zwei Menschen rüber, die bestenfalls für einen One-Night-Stand geeignet sind.

Das Drehbuch der Autorinnen Kati Eyssen & Andrea Sixt vollzieht jedoch keine zu dieser Figurenzeichnung passende Übung: «Seitenwechsel» ist nicht etwa die Geschichte einer notgedrungen geschlossenen Ehe, die Jahre später endlich mit Liebe erfüllt wird. Und noch viel weniger handelt der Film davon, dass zwei Menschen, die nicht zusammengehören, diesen Fakt endlich erkennen. Frei nach Schema F wird stattdessen die alte Masche durchgezogen, dass ein Paar, bei dem der Alltagstrott Überhand genommen hat, wieder zusammenfindet. Angesichts dessen, dass sich die Protagonisten aber nicht nur in romantischen, sondern sogar in grundlegenden zwischenmenschlichen Fragen abstoßen, ist die Frage „Finden sie wieder zueinander?“ ungefähr so spannend wie der Gedanke, dabei zuzuschauen, wie der Stadionrasen wächst.

Kein Esprit, keine Ideen


Mit dieser Figurendynamik eine Romantikkomödie zu erzählen, ist so, als würde eine Fußballmannschaft mit der falschen Sportausrüstung auf den Bolzplatz schreiten. In Eishockey-Kluft, möglicherweise. Bloß, dass diese Vorstellung einer ganz und gar danebengreifenden Mannschaft wesentlich lustiger ist, als das, was «Seitenwechsel» abliefert. Denn das gebotene Material reicht maximal für eine dürftige Durchhänger-Episode einer miesen Sitcom – aber niemals für eine Kinokomödie mit über 90 Minuten Laufzeit.

Alternativ: Nahezu durchweg bleiben die Spielzüge dieser Komödie durchschaubar und so rudimentär, dass es bestenfalls für die Kreisklasse genügt: Alex liebt Fußball und beißt dabei bei Teresa auf Granit. Teresa in Alex‘ Körper darf sich das nicht anmerken lassen. Und bekommt dauernd Erektionen. Alex in Teresas Körper missachtet derweil die Patienten seiner Frau (darunter ein verschenkter Frederick Lau). Das war’s schon. Den grundlegenden Trickspielzug einer jeden Körpertauschkomödie, nämlich die gegenseitige Imitation des zentralen Darstellerduos, verhaut «Seitenwechsel» derweil ein ums andere Mal: Während Mina Tander ihre Teresa als geradlinige Businessfrau anlegt, übt sich Wotan Wilke Möhring als Teresa in Alex‘ Körper in anstrengend weibischen Gesten und Gesichtszügen. Und während Möhrings Alex bereits kaum weniger ist als eine langweilige Fußballnarr-Karikatur, holpert Tander als Alex in Teresas Körper von A nach B als hätte sie zwei Kokosnüsse im Schritt. Übertreibung mag ein komödiantisches Stilmittel sein, das Element der Überraschung ist jedoch die Initialzündung praktisch jeder guten Pointe. Und wenn sowohl Möhring als auch Tander durchweg gleich aufgesetzt das jeweils andere Geschlecht nachäffen, ohne irgendwie das Spiel ihres Gegenübers aufzugreifen, so ist das bloß ermüdend, statt komisch.

Ähnlich grobschlächtig greifen Naefe und das Autorenduo die uralten Geschlechtervorurteile der zickig-sensiblen Frau und des chauvinistisch-störrischen Mannes auf, ohne sie je mit gewitzten Einfällen zu brechen oder wenigstens zu aktualisieren. Wenn der vorgestrige, erschreckend spröde inszenierte Klamauk eben doch mal neue Akzente setzt, zeigt sich, welches Talent hier vergeudet wird: Wenn Alex und Teresa miteinander schlafen, obwohl sie noch im Körper des jeweils anderen stecken, bringt eine teils sinnliche, teils kess-alberne Inszenierung «Seitenwechsel» kurzfristig so etwas wie eine eigene Identität ein. Auch Tanders Versuche als Alex erstmals ein Tampon zu benutzen, ist in seiner juvenilen Frivolität gewitzt – was die zahlreichen Nebenfiguren von der Stange (notgeile Assistentin, bisexuelle Spielerfrau, aggressiver Rüpelfußballer, schmieriger Lokaljournalist …) nicht von sich behaupten können.

Angesichts dessen, dass selbst die Songauswahl lieblos erscheint, immerhin werden gleich zwei Songs zwei Mal verwendet, und dies zu sehr überschaubarem dramatischen oder komödiantischen Effekt, lässt sich «Seitenwechsel» vielleicht auch einfach als gewaltiger Ausrutscher abtun. Oder als misslungene Schwalbe. Oder doch eher als unnötige Blutgrätsche ins angeknackste Komikzentrum. So oder so: Alle Beteiligten haben bereits viel, viel Besseres geleistet. Also Staub abklopfen, weitermachen. Und den «Seitenwechsel» schnell aus dem Gedächtnis verbannen.

Fazit: Dafür gibt es die rote Karte: «Seitenwechsel» ist eine einfallslose Komödie voller uralter Klischees, durch die unsympathische, einseitige Figuren stolpern. Das hat dieser Cast nicht verdient!

«Seitenwechsel» ist ab sofort in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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