Cast & Crew
- Produktion: Nightshade, Plattform, AMC Studios
- Schöpfer: Jim Mickle, Nick Damici
- Darsteller: Michael K. Williams, James Purefoy, Jimmi Simpson, Bill Sage
- Executive Producer: Nick Shumaker, Jeremy Platt
Klingt ein wenig nach Tarantino, oder? Durchaus, hat aber Unterschiede und war auch schon früher da, denn «Hap and Leonard» basiert auf einer Roman-Reihe des extrem produktiven Texaners Joe R. Lansdale (Freunden des Absurden vielleicht durch «Bubba Ho-Tep» bekannt), die 1990 mit dem Buch „Savage Season“, dessen Verfilmung diese Mini-Serie auch ist, an den Start ging.
Wie gewonnen, so zerronnen
Der Plot: 1988 verlieren die Feldarbeiter Hap (James Purefoy) und Leonard (Michael Kenneth Williams) ihre ohnehin schon schlecht bezahlten Jobs, da die Arbeitgeber noch billigere Angestellte gefunden haben. Nun ist guter Rat teuer, doch plötzlich schneit Haps Ex-Frau Trudy (Christina Hendricks), Typ femme fatale, rein, die 10 Kilometer gegen den Wind nach Ärger riecht, aber Hap kann - natürlich - trotzdem nicht von ihr ab und sagt ihrem Unheil versprechenden Job-Angebot, trotz aller Bedenken von Leonard, zu. Die Freunde sollen für eine Gruppe radikaler Linksaktivisten eine verloren gegangene Beute aus einem vor langer Zeit verübten Banküberfall suchen. Das Geld ist in einem Fluss im Wald gelandet, keiner weiß nur genau wo. Da Hap sich in diesem Areal gut auskennt, ist er der richtige Mann für die Aufgabe. Er spürt das Geld auch tatsächlich auf, nur leider befindet sich in dem Versteck nicht soviel wie erhofft, weswegen die Truppe plötzlich die Knarren zückt…..doch das tatsächliche Problem sind nicht die übermotivierten, im Grund eher harmlosen Weltverbesserer, sondern das völlig irre Pärchen Soldier (Jimmi Simpson) und Angel (Pollyanna McIntosh), die die Kohle ebenfalls wollen und keinerlei Probleme damit haben tatsächlich über Leichen gehen….
Irgendwie drüber, aber trotzdem down to earth
Die meisten Literaturverfilmungen sind seit jeher problembehaftet, da Bücher oft nicht unbedingt die dankbarsten Kandidaten für einen Transfer auf die Leinwand sind. Lansdales Vorlage macht’s in diesem Fall etwas einfacher, denn der Plot ist zweckmäßig, Protagonisten, Setting und Atmosphäre stehen im Vordergrund und so klebt die TV-Umsetzung recht nah am Geschriebenen, lediglich die erotische Komponente haben die Macher etwas runter gefahren und gegen Ende wurde ein bisschen Handlung angefügt um die zweite Staffel vorzubereiten.
Die sechs Folgen pendeln zwischen lässigen, oftmals extrem schwarzhumorigen Dialogen („Leonard! I taught your dogs to lie down! It’s a great trick. All you have to do is shoot them through the head.“) und brutaler Gewalt, aber - und hier liegt dann, abgesehen vom totalen Verzicht auf Referenzklimbim, auch der Unterschied zu Tarantino und seinen Epigonen – verkommen nie vollends zum Gewalt-Comic, sondern stellen ihre drei großartig gespielten Hauptcharaktere deutlich in den Mittelpunkt. Dementsprechend wird die Tonlage auch immer mal wieder komplett gewechselt und „Hap und Leonard“ erstaunt mit großer, geerdeter Sensibilität, die den Figuren deutlich über Pappkameraden-Status hinaus hilft und für eine emotionale Verankerung beim Zuschauer sorgt.
So hauen sich die beiden Freunde beim Kickboxing-Training mit Wonne auf die Mütze, haben aber größtmögliche Probleme mit einer simplen Umarmung. Ebenso ist man verblüfft, dass der durchaus charmant-witzige, aber immer auch etwas bedrohliche auftretende Leonard sich in einer sanften Minute als väterlicher Beschützer von Hap sieht, der in seinen Augen was von einem Kleinkind hat, dass umhegt werden muss. Hap wiederum ist gar nicht mal so sehr der lakonische Zyniker, sondern hat einst durchaus Ideale gehabt, diese im Lauf seines holprigen Lebens allerdings tief in sich vergraben. Trudy hat ebenso zwei Seiten: Es handelt es sich nur dem ersten Eindruck nach um eine klassische Ärgerverursacherin, mit zunehmender Laufzeit wird deutlich, dass die gut aussehende Frau im Grunde zutiefst verunsichert ist und lediglich so manipulativ agiert, weil sie Angst hat, zum Opfer zum werden.
Es sind jedenfalls die ruhigen, feinfühligen, mitunter dramatischen Momenten der großartig aufspielenden Darsteller, die weit eher im Gedächtnis zu bleiben als jeglicher (allerdings unterhaltsame) Exzess und auch mehr als wett machen, dass die um dieses Dreigestirn herumdrapierten Figuren (die hippieske Aktivistengruppe, Soldier, Angel…) völlig zweidimensional gezeichnet werden, beziehungsweise im Fall von Angel fast schon ein bisschen wie aus einem Marvel-Film herübergestolpert wirken.
Kantig, aber herzig
Es ist allerdings auch dieser krude, aber merkwürdigerweise tatsächlich irgendwie stimmige Kosmos aus Ernsthaftigkeit und grell-pulpiger Überzeichnung, der „Hap und Leonard“ vermutlich nicht das ganz große Publikum erreichen lassen wird: Für Thrillerfreunde gibt’s zu wenig Thrill, Liebhaber des Dramas werden vom ganzen Blut abgeschreckt, Fans grotesker Gewaltepen wird’s dann doch etwas zu geerdet zugehen. Eben eine Serie wie ihre Hauptfiguren: Cool, unkonventionell, etwa sperrig, aber mit ganz viel Herz!
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