Filmfacts: «Conjuring 2»
- Kinostart: 16. Juni 2016
- Genre: Horror
- FSK: 16
- Laufzeit: 133 Min.
- Kamera: Don Burgess
- Musik: Joseph Bishara
- Buch: Carey Hayes, Chad Hayes, James Wan, David Leslie Johnson
- Regie: James Wan
- Darsteller: Vera Farmiga, Patrick Wilson, Madison Wolfe, Frances O'Connor, Lauren Esposito, Franka Potente, Bob Adrian
- OT: The Conjuring 2 (USA 2016)
Die Geisterjäger Ed und Lorraine Warren (Patrick Wilson du Vera Farmiga) haben sich in den USA als Berater für übernatürliche Phänomene etabliert. Als ein weiterer Einsatz Lorraine an die Grenzen des Aushaltbaren führt, beschließt das Ehepaar, ihre Arbeit für eine Weile ruhen zu lassen. Doch dieses Vorhaben lässt sich nicht lange in die Tat umsetzen. Sie hören von rätselhaften Vorkommnissen in London, die einer alleinerziehenden Mutter und ihren vier Kindern das Blut in den Adern gefrieren lassen. Ein Dämon in Gestalt eines alten Mannes scheint sie aus dem Haus vertreiben zu wollen, der schon bald von Tochter Janet (Madison Wolfe) Besitz ergreift. Immer wieder wendet er sich mit aller Gewalt gegen die Familie, die in Ed und Lorraine Warren die letzte Möglichkeit sieht, heil aus dieser Sache herauszukommen. Doch nicht nur ortsansässige Skeptiker zweifeln an der Echtheit der Vorfälle, auch die Warrens können nicht leugnen, dass es Beweise gibt, die gegen die Familie sprechen…
Ein wenig übereuphorisch ist Vera Farmiga («Der Richter – Recht oder Ehre») zwar tatsächlich; zumindest wir glauben kaum daran, dass wir in der kommenden Saison mit «Conjuring 2» als Frontrunner bei den Oscars rechnen müssen. Das liegt allerdings weniger daran, dass der Film nicht tatsächlich äußerst stark, in gewissen Aspekten sogar besser als der erste Teil geworden ist, sondern daran, dass James Wan («Insidious») das Horrorgenre auch diesmal nicht neu erfindet. Das hat er bereits in «Conjuring – Die Heimsuchung» nicht getan. Dass der Film im Jahr 2013 dennoch rund um den Globus gefeiert wurde, lag daran, dass James Wan aktuell einer der wenigen Regisseure ist, die begriffen haben, wie das Publikum funktioniert.
- © Warner Bros.
Ist Janet (Madison Wolfe) besessen, oder spielt sie den Geisterjägern und ihrer Familie nur etwas vor?
Wan beherrscht nicht nur das gängige Repertoire der Gruselfilminszenierung, er versteht es, den Zuschauer zu manipulieren, indem er weiß, wann der Puls wie hoch ist und an welcher Stelle welche Erwartungen zutage treten. In einer Szene innerhalb des DJ-Dramas «We Are Your Friends» veranschaulicht Zac Efron dem Publikum, wie er mithilfe der Beats Einfluss auf den Pulsschlag, den Blutkreislauf und somit auch die geistige Verfassung der Partybesucher nimmt; James Wan hat das professionalisiert, sodass es ihm gelingt, die Balance zwischen bedrückender Atmosphäre und schnellem Adrenalinkick so hervorragend zu halten, dass sowohl «Conjuring» als auch «Conjuring 2» gar nicht mit spektakulären Twists und vermeintlichen Neuerfindungen gängiger Strukturen aufwarten müssen, um ihre volle Wucht zu entfalten.
Man braucht überhaupt nicht zu leugnen, dass es natürlich auch in «Conjuring 2» Elemente gibt, die sich so auch in so ziemlich jedem anderen Haunted-House-Movie finden lassen. Gruselige Schatten, wehende Vorhänge, knarrende Türen und der gleißende Lichtkegel von Taschenlampen bilden die Klaviatur des zeitlosen Gruselkinos, das hier angenehmerweise ohne viel Blut daherkommt. Wan, der mithilfe der bewährten Autoren Chad und Carey Hayes («Conjuring») sowie David Leslie Johnson («Orphan – Das Waisenkind») auch das Drehbuch verfasste, wirft seine beiden Protagonisten direkt ins Geschehen. Schon vor der einmal mehr eindrucksvollen Titeleinblendung, die sogleich auch die realen Hintergründe des hier für die Leinwand adaptierten Enfield-Poltergeist-Falles erläutert, werden wir Zeuge, wie Ed und Lorraine Warren hinter die Geschehnisse der berühmten Amityville-Morde kommen; ein niederschmetterndes Ereignis für Lorraine, das sie für den weiteren Verlauf des Films prägen wird. Wie schon der erste Teil erzählt auch «Conjuring 2» zwei Geschichten in einem. Auf der einen Seite stehen die Spukerscheinungen im Haus der Familie Hodgson, auf der anderen Seite widmet sich das Skript verstärkt den zwischenmenschlichen Entwicklungen innerhalb der Warren-Ehe. Die Ankündigung Vera Farmigas, «Conjuring 2» würde vor allem auch romantische Elemente beinhalten, lässt sich also bestätigen. Wans neuester Streich konzentriert sich mitnichten ausschließlich auf den Horror innerhalb der Erzählung, sondern widmet sich auch auch der Entwicklung innerhalb der Beziehung zwischen Ed und Lorraine. Auch Galgenhumor gibt es zu sehen und zumindest eine Szene gibt es, die wir mit viel Wohlwollen so als Musical durchgehen lassen können.
Abgesehen von den sich bewährten Mitteln zur Spannungssteigerung ist «Conjuring 2» recht untypisch aufgebaut. Nach dem atmosphärischen Intro folgt der Umschnitt in die britische Hauptstadt London, wo zum beschwingten „London Calling“ die Lebensumstände der Familie Hodgson etabliert werden. Wüsste man es nicht besser, könnte man auf die Idee kommen, es hier gar nicht mit einem Horrorfilm zu tun zu haben. Der Tonfall ist angenehm leichtfüßig, erinnert an aktuelle Coming-of-Age-Produktionen der Marke «Sing Street» und das Drehbuch nimmt sich viel Zeit, uns die Charaktere näher zu bringen. Die Figurenzeichnung selbst ist zwar nicht sonderlich innovativ – der Eine ist zurückhaltend, die Andere tough, die Mutter besorgt, aber insgesamt kommen alle, erst recht nach dem Fortgang des Vaters, gut miteinander aus –, doch aufgrund der durchgehend sehr starken Schauspielleistungen ist das nicht sonderlich relevant. Insbesondere Madison Wolfe («Joy – Alles außer gewöhnlich») liefert eine in ihrer Intensität unter die Haut gehende Performance ab, die von einem Mädchen ihres Alters nicht selbstverständlich ist. Kein Wunder also, dass sich James Wan, Vera Farmiga und Patrick Wilson in ihren Presseinterviews vor Euphorie im Hinblick auf ihre junge Kollegin nahezu überschlagen. Auch Franka Potente («American Horror Story: Asylum») gibt sich in der Rolle als Skeptikerin die Ehre eines Kurzauftritts. Frances O’Connor («Mr. Selfridge») als verzweifelte Mutter beweist sich indes als angenehm uneitel. Die Leiden, die sie hier durchleben muss, kombiniert sie mit stiller Hoffnung, die sie mit jeder Faser ihres Körpers spürbar macht.
Inszenatorisch setzt James Wan – natürlich – wieder einmal auf eine altbewährte Form der Nostalgie. Ein paar handgemachte Effekte und wenig CGI, quälend schleichende Kamerafahrten, mithilfe derer Kameramann Don Burgess («Flight») phänomenale Bilder gelingen und ein minimalistischer, dafür nicht weniger in die Magengrube treffender Score mit quietschenden Streichern von Joseph Bishara («Annabelle») bilden das technische Grundgerüst für eine eigentlich recht standardisierte Geschichte, bei der jedoch schon die stattliche Laufzeit von 133 Minuten verrät, dass hier vor allem erzählerisch weitaus mehr drin ist. James Wan hakt nicht einfach nur ab, was den Zuschauern Angst macht. Er unterfüttert die Atmosphäre von «Conjuring 2» mit einer sich spürbar steigernden Intensität, denkt sich faszinierende Versionen für seine Jumpscares aus (eines von unzähligen, hier zu nennenden Stichworten: Gemälde) und lässt all das in einen Schlussakt gipfeln, der visuell zwar Erinnerungen an «Poltergeist» wach werden lässt, sich aufgrund des ekstatischen Erscheinungsbildes aber auch wunderbar allein stehend genießen lässt. Nein, «Conjuring 2» ist sicherlich keine Neuerfindung des Rades; stattdessen ist dieser Film der Beweis dafür, dass es nicht darauf ankommt, eine solche abzuliefern, um den Zuschauer zu überraschen. James Wan perfektioniert lieber all das, was er bereits in seinen Filmen wie dem ersten «Conjuring»-Teil, «Insidious» und «Dead Silence» abgeliefert hat, um sich selbst innerhalb des Schlussaktes noch einmal zu übertreffen. Mit dieser ganz und gar furiosen, einer dem Spukexzess frönenden Symphonie des Grauens übertrifft Wan auf den letzten Metern sogar noch den zwar atmosphärischen, aber auch vorhersehbaren Schlussakt des Vorgängers, der lediglich einen handelsüblichen Exorzismus zu bieten hatte, und bringt uns dazu, anschließend erst einmal ganz tief Luft zu holen. Wenn sich das alles tatsächlich einmal so zugetragen hat, wollen wir auf gar keinen Fall in der Haut der Warrens stecken.
Fazit
Wer dachte, mit «Conjuring» hätte James Wan den qualitativen Gipfel seiner Vita erreicht, der irrt. Die Fortsetzung liefert mehr Story, mehr Grusel, mehr Emotionen und damit einfach noch mehr Spaß. Eine Neuerfindung des Genres ist das zwar nicht, aber es ist die ultimative Perfektion dessen, was wir sehen wollen, wenn wir ein Kinoticket für einen Horrorfilm lösen.
«Conjuring 2» ist ab dem 16. Juni bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.
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