All-American Girl
1994, also schon vor über 20 Jahren existierte eine Comedyserie, die eine asiatische Familie im Mittelpunkt stehen hatte. In der Hauptrolle war Komödiantin Magaret Cho zu sehen, die auch eine der beiden Erfinder der Serie war. Der Plot erzählt von der konfliktreichen Beziehung zu ihrer koreanischen Mutter, die immerzu versucht Margeret mit koreanischen Männern zu verkuppeln. Die Serie wurde vor allem wegen ihrer klischeehaften Umsetzung und ihrer Stereotypisierung asiatischer Amerikaner sehr kritisch aufgenommen und nach 19 Episode abgesetzt.Deswegen muss man sich nicht unbedingt schlecht fühlen, dennoch sollten vor allem diejenigen, die immer wieder erneut Originalität von Film und Fernsehen fordern, darüber nachdenken. Denn Originalität lässt sich nicht hervorzaubern, indem die immer gleichen Menschen mit dem gleichen ethnischen Hintergrund die immer gleichen Geschichten mit den immer gleichen Hauptfiguren erzählen, welche die immer gleichen Kämpfe ausfechten müssen. Es ist auch sicherlich nicht verkehrt, die nächste Tim Allen-, Kevin James- oder Matt LeBlanc-Sitcom zu genießen, die ergründen, was es heißt ein mittelständischer Weißer zu sein (optional: auch gern Familienvater, nicht optional: die attraktive Frau) mit den Mittelständer-Job und den ewig gleichen Mittelstandsproblemen (wie z.B.: meine Ehefrau will mich nicht Sport schauen lassen, sondern über Gefühle reden, die ich sowieso nicht verstehe… Witzig, oder?). Auch wenn die Trailer zu eben diesen neuen Matt Le Blanc- und Kevin James-Fernsehserien furchtbar generisch und beliebig aussehen, ist daran nichts Verwerfliches. Allerdings findet sich darin auch nicht viel Neues, was es sich wieder einmal zu erkunden lohnt oder gar für überraschende, komödiantische Effekte sorgt.
Neue Geschichten entstehen durch Produzenten, Autoren, Regisseure und eben auch Schauspieler, die andere Lebenserfahrungen gesammelt haben und deswegen eine andere Perspektive einnehmen, weil sie die Welt und die Gesellschaft anders erleben, und ihnen die Welt und die Gesellschaft anders begegnet. «Fresh off the Boat» ist eine dieser Serien bzw. könnte sich zu einer dieser Serien entwickeln, wenn ihr Potential weiterhin ausgeschöpft wird. Allerdings hat sie ein paar Anlaufschwierigkeiten, was wiederum nicht verwunderlich oder neu ist. Denn Sitcoms brauchen immer eine gewisse Zeit, um ihre Charaktere auszuprägen und den individuellen Humor zu finden. Nahnatchka Khan, die Erfinderin der Serie, musste sich dennoch leider schon in der ersten Staffel mit Problemen hinter der Kamera beschäftigen: Eddie Huang, auf dessen gleichnamige Autobiographie die Serie basiert, war nämlich gar nicht begeistert von Khans Herangehensweise an sein Ausgangsmaterial und scheute auch nicht davor zurück, seine harsche Kritik öffentlich zu äußern.
Der Name Eddie Huang ist hierzulande wahrscheinlich wenig bekannt. Aber Menschen, die in Amerika quasi professionelle Persönlichkeiten sind, schaffen es international nicht unbedingt zu großer Berühmtheit, wenn sie nicht gerade Kardashian heißen. Huang, Sohn zweier taiwanesischer Einwanderer arbeitete bis 2008 als Anwalt, wurde aber entlassen nachdem die Finanzkrise ihre Tribute forderte. Danach verdingte er sich als Stand Up Comedian und Marihuana-Dealer, produzierte seine eigene Modelinie, eröffnete mehrere Restaurants - eines war erfolgreich, ein anderes weniger und musste wieder schließen. Trotzdem machte er sich als TV-Persönlichkeit auf dem Cooking Channel und auf Viceland einen Namen. Nach diesem Auf und Ab schrieb er seine Memoiren, die vor allem seine Kindheit im Fokus hatte.
Und das ist schon der Knackpunkt: In seinem Buch beschreibt er nicht nur das friedliche Familienleben einer Immigrantenfamilie, die von Washington D.C. in die extrem weiße Vorstadt von Orlando/Florida zog, um dort ein Restaurant zu eröffnen. Die Memoiren erzählen von einem tyrannischen Vater und dem hartem Leben unter Vorurteilen, den sich asiatische Amerikaner stellen müssen. Huang hoffte, diese Tragikomödie auch als eine Art Anti-Helden-Geschichte auf die Fernsehschirme transportieren zu können. Man kann sich vorstellen, dass der familienfreundliche Sender ABC kaum der richtige Ort für solche Experimente ist. Stattdessen passierte, was zu erwarten war, denn das Buch «Fresh off the Boat» wurde ziemlich schnell zur netten Familienkomödie, die oftmals leider mit etwas zu süßen Albernheiten aufwartet, sowie mit zu breiten Pinselstrichen und konventioneller Erzählweise arbeitet.
Trotz all seiner wahrscheinlich teils berechtigten Kritik, ließ sich Huang immerhin für 13 Episoden als Erzähler gewinnen, der wie im Serienklassiker „Wunderbare Jahre“ in Nostalgie schwelgen darf, nur eben nicht in den 60ern, sondern in den 90er Jahren. Ein zeitliches Setting, welches «Fresh off the Boat» aber wunderbar akkurat einfängt. Die Hauptfigur, Eddie Huangs 11jähriges Alter Ego, ist der älteste der drei Söhne der beiden Einwanderer Louis («The Interview»-Star Randall Park) und Jessica (großartig: Constance Wu). Eltern wie Kinder versuchen ihren Platz in einer weitestgehend homogenen Vorstadtgesellschaft zu finden. Während sich aber seine beiden strebsamen und braven Brüder Emery (Forrest Wheeler) und Evan (Ian Chen) wunderbar in der neuen Umgebung einfinden, hat vor allem Eddie zu kämpfen: In der Schule wird er von den weißen Mitschülern gemobbt, auch die hohen Ansprüche und Erwartungen seiner Mutter, die auf eine strenge Erziehung pocht, kann er nur schwerlich und mit viel Murren erfüllen. Sogar in der ersten Episode traut sich die Familiensitcom jedoch gesellschaftlich komplizierter zu werden, als der einzige afroamerikanischer Mitschüler Eddie aus dem Affekt heraus mit einer rassistischen Bezeichnung beleidigt.
Die beiden Eltern befinden sich in ähnlich verfahrenen Situationen: Anstatt ein taiwanesisches Restaurant zu eröffnen, zieht Louis lieber ein Western Style Restaurant ganz im amerikanischen Klischeestil auf. Um vor allem eine weiße Klientel anzulocken, beschäftigt er natürlich auch hauptsächlich weiße Mitarbeiter. Jessica versucht dagegen ihren Kindern, traditionelle Werte und Disziplin einzutrichtern, um sie für konkurrenzstarke Gesellschaft fit zu machen. Gleichzeitig möchte sie ihren eigenen Weg gehen und ein Leben für sich aufbauen. Besonders amüsant sind hier Szenen, in denen Jessica mit völligem Unverständnis auf die aus ihrer Sicht lasche Disziplin in der amerikanischen Gesellschaft und vor allem der Schule ihrer Kinder trifft. Die Mutter dreier Kinder ist aber auch aufgrund ihrer Herkunft Außenseiterin unter den reichen Vorstadt-Ehefrauen und freundet sich einerseits deswegen, aber insbesondere wegen der gemeinsamen Liebe zum Horrormeister Stephen King mit der Nachbarin Honey an. Diese wird wiederum in der Nachbarschaft als Familienzerstörerin verschrien, weil sie mit einem wesentlich älteren, geschiedenen Zahnarzt verheiratet ist. Grund genug für das konservative Umfeld, die sogenannte Trophäen-Ehefrau auszugrenzen.
«Fresh off the Boat» ist in den Momenten am interessantesten, wenn es den Humor in diesen spezifischen Situationen erkunden kann. Hier geht es vor allem um Anpassung, Bewahrung der eigenen Identität und kulturellen Herkunft, aber auch um neue Identitätsfindung in einem fremden Land und in einer fremden Kultur. Das mag sich wie ein trockener Aspekt in einer Comedy anhören, sorgt aber doch für reichlich Humor, Abwechslung, Frische und Facettenreichtum in einer ansonsten sehr braven Serie, die gelegentlich auch reichlich überzogen wirken kann. Insbesondere die beiden jüngeren Kinder und die nur Mandarin sprechende und im Rollstuhl sitzende Großmutter werden oftmals für die alberneren Sitcom-Aspekte der Serie missbraucht. Wenn die Show dagegen auf dem Boden bleibt, ist hier einiges zu finden. Aber es ist kein Wunder, dass ProSieben diese Serie im Samstagmittag vergräbt, denn eine Sitcom, die sich so spezifisch auf die Erlebnisse und verschiedenen Perspektiven einer taiwanesischen Einwandererfamilie in den USA fokussiert, wird es schwer haben, beim deutschen Publikum Anklang zu finden. Ja, die erste Show die sich seit 20 Jahren mit einer asiatische Familie beschäftigt, ist gewissermaßen eine Sensation, wenn auch längst überfällig, selbst wenn sie gelegentlich in Klischees verfällt und die ein oder andere Problematik verniedlicht. Revolutionär ist die Serie in ihrer Herangehensweise vielleicht nicht bzw. jetzt noch nicht. Aber die Tür für weitere Serien dieser Art hat «Fresh off the Boat» immerhin einen Spalt weit offen gehalten.
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