Deutschland ist NICHT Europameister. Nicht mal der Herzen.
Die schlechteste Nachricht gleich zu Beginn: Nein, unsere heldenhaften Jungs haben uns nach dem WM-Titel im Jahr 2014 diesmal keine Beute heimgebracht. Und was haben wir gezittert! Was haben wir gelitten! Fünfmal haben wir unsere Mannschaft kollektiv über die Ziellinie geschrien – beim sechsten Mal aber sollte es nicht sein. Im Halbfinale war vollkommen emotionslos Schicht und Ende. Abreise. Schockstarre. Ein Land am Rande des Untergangs?
Nicht wirklich. Reichlich gefasst nahm man im Land der Erfolgsverwöhnten die schlechte Kunde auf. Sogar die Autofähnchen konnte man Tage später noch erblicken. Frust? Depression? Fehlanzeige. Nicht mal der obligatorische Ruf nach dem Europameister der Herzen kam ins Spiel. Wenn gar die BILD-Zeitung auf derartige Affektreaktionen verzichtet, kann die Sorge um die Psyche der Deutschen nicht allzu groß gewesen sein.
Was also hat diesmal gefehlt? Der Mannschaft eigentlich nichts – außer ein wenig mehr Durchschlagskraft in der Offensive. Vielleicht waren wir einfach noch nicht wieder bereit. Vielleicht war der Hunger nach dem großen Titel von 2014 auch noch gestillt – Deutschland, so schien es, musste nichts mehr beweisen. Wir waren ja schon wer. Aus dem Nichts in höchste Höhen zu fliegen ist reizvoll, nur Nachzulegen aber schien die Massen nicht mobilisieren zu können. Vielleicht war die Spielweise des Teams aber auch eine Spur zu abgeklärt. Einige sprachen von enttäuschendem Fußball, dabei war das, was Löw und sein Team auf den Rasen zauberten, eher Ausdruck eines genauen Planes und hoher Dominanz. Hätte Mario Gomez im Halbfinale gespielt oder wäre ein zweiter seines Kalibers in Form und dabei gewesen – hätte, hätte, Fahrradkette. Diesmal sollte es einfach nicht sein – nun müssen wir halt 2018 den WM-Titel verteidigen. Wenn das dann nicht auch wieder zu wenig reizvoll ist.
Jogi Löw: Von Klöten, Schweiß und Geruchsfreuden
Jogi Löw ist ein Mensch! Glaubt ihr nicht? Dann ist wohl einer der medialen Aufreger der EM völlig an euch vorbeigezogen. Es war das Spiel gegen die Ukraine, das nicht nur ausufernde Schweißflecken am Shirt des Bundestrainers offenbarte, sondern das ganz plötzlich und aus dem Nichts dafür sorgte, dass Deutschland kein anderes Thema mehr kannte. Zuerst griff der Bundestrainer sich gedankenverloren an die relevanten Teile südlich des Bauchnabels, setzte sich dann eilig auf die Bank und frönte den Geruchsfreuden dessen, was er da aus den Tiefen seiner Unterhose an Flavour mitgenommen hatte. Wunderbar.
Man hätte auch ganz langweilig argumentieren können, er habe sich wohl nur seinen verrutschten Designer-Schlüpfer zurechtgezupft um just darauf auf der Bank von einer Spielszene gefesselt worden zu sein – inklusive erschrockenem Griff mit der Hand vors Gesicht. Aber das wäre ja unspektakulär. Wer will sowas glauben?
Spätestens am Tag darauf hätte es ohnehin keiner mehr getan, als Maskottchen Lukas „Poldi“ Podolski auf der Pressekonferenz Löws Menschlichkeit pries und erklärte, dass sich 80% der Anwesenden sicher auch mal gerne „an den Eier kraulen“ würden. Übrigens mit Abstand sein bester Moment bei der ganzen Fußball-EM. Was seine Rechnung angeht, habe ich aber mal grob nachgerechnet: Zum Zeitpunkt der PK waren 32 Personen im Raum – aufgerundete 26 müsste Poldis Rechnung also einschließen. Blieben 6 übrig. Leider waren jedoch mindestens 8 Frauen anwesend. Oder sollen wir das vielleicht nur glauben? Weiß der Stürmer hier mehr, als wir je erfahren sollten? Oder handelt es sich um einen profanen Rechenfehler? Das wird wohl eines der großen ungeklärten Geheimnisse dieses Endturniers bleiben – so wie der Zettel von Jens Lehmann und Olli Kahn anno 2006. Ach nein, der wurde ja später sogar nachgedruckt.
Island und Wales zeigen: Nicht nur der Rest Europas kann nicht kicken
Erstmals waren bei einer Fußball-EM 24 Teams am Start. Was eine größere Vielfalt bringen sollte, sorgte besonders in der Vorrunde jedoch eher für eine Verwässerung von Spannung und Qualität. Da nun auch die besten Drittplatzierten eine Chance hatten, mit Hängen und Würgen das Achtelfinale zu erreichen (was Portugal sogar mit eiserner Konsequenz bis zum späteren Titelgewinn ausnutzte) wurde taktiert, abgetastet, abgewartet und einfach mal weniger als wenig getan.
Nun könnte man die ganze Schuld bei Michel Platini suchen (immer eine berechtigte Adresse) oder auf die sogenannten „Kleinen“ zeigen, die diesmal bei der Endrunde dabei waren. Sinnbildlich stehen hier sicher Island und Wales, denen man mit einer negativen Betrachtung jedoch böse Unrecht tun würde. Nicht nur, dass beide sich soverän und verdient direkt für die EM qualifiziert hatten (was an sich schon Sensationen waren), sie waren es auch, die zeigten, dass nicht sie das Niveau nach unten zogen, sondern dass alle anderen (teils hochgelobten) Nationen schlicht genau so gut oder schwach waren wie sie – oder gar noch schwächer. Island erreichte mit großen Emotionen und Brimborium völlig verdient das Viertelfinale, ehe gegen Frankreich unsanft Schluss war. Wales kam sogar klammheimlich bis ins Halbfinale und musste sich dort nur dem späteren Europameister ergeben.
Was lernen wir also? Irgendwie kann eben doch ganz Europa kicken. Das soll jedoch kein Plädoyer dafür sein, in Zukunft mit noch mehr Teams zu spielen. Wenn in vier Jahren in der Vorrunde Liechtenstein auf Färöer trifft, haben wir die Grenze vermutlich überschritten. Gut, dass Michel Platini nichts mehr zu sagen hat.
Claudia Neumann: Neue Feindbilder braucht der Mann
Frauen können alles – außer Fußball. Und das gilt natürlich ganz besonders für Claudia Neumann, die es bei dieser EM wagte, ganze Männerfußballspiele zu kommentieren. Zuerst einmal tat sie das mit einer irritierend hohen Stimme (frech!), dann wagte es diese Stimme auch noch, sich vor Begeisterung hier und da zu überschlagen. Verschiedene Sätze fanden inhaltlich nicht ins Ziel (Helge Schneider wäre stolz gewesen) und auch ein paar schwer bekömmliche Kreationen hatte sie am Start (man denke da alternativ an die männlichen Könner wie Bela „Sebastian Steinschweiger“ Réthy oder Fritz „Der ist quick, der ist schneeeell!“ von Thurn und Taxis). Nein, selbst Phrasen und Spielerverwechslungen waren nicht sicher vor ihr. Frau Neumann bot alles auf, was ihre männlichen Kollegen schon seit Jahrzehnten kompetent im Repertoire haben – und musste sich doch dafür beleidigen lassen, als hätte sie all das höchstpersönlich erst im Sommer 2016 erfunden.
Doch warum ist das so? Wie wir durch die verschiedenen Social Media-Kanäle gelernt haben, können Frauen nämlich heutzutage wirklich alles, was Männer auch können. Die Worte Ärztin, Juristin oder Autofahrerin stehen nicht nur im Duden – es gibt sie im wahren, realen Leben. Unter uns. Zunehmend wird uns somit klarer: Diese undefinierbaren Wesen sind einfach überall und scheinen nun, da sogar eine der ihren am Mikrofon ihr Unwesen treibt, nicht mehr aufzuhalten. Gut, dass es noch aufrechte Kämpfer für die männliche Sache wie den netten Herrn Fandel gibt, der Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus trotz starker Leistungen auch 2016/2017 nicht erlauben wird, in der deutschen Eliteliga zu pfeifen. Lieber weiterhin in Liga2 verstecken. Es könnte ja jemand einen Infarkt bekommen. Dabei ist es ja gar nicht nötig, direkt eine 50/50-Quote an Mikrofon und Pfeife einzuführen - so etwas gibt der Pool an potentiellen Kandidaten ehrlicherweise auch noch lange nicht her. Die Guten der Zunft völlig geschlechterunabhängig jedoch wie selbstverständlich an höchster Stelle einzusetzen, müsste aber eigentlich schon lange Standart sein.
Herr Clattenburg: Ein tätowierter Mann trotzt allen Vorurteilen
Das muss man sich mal vorstellen: Da muss die UEFA extra eine Sonderregelung schaffen, die es zwei englischen Schiedsrichtern erlaubt, bei der EM zu pfeifen. Und das nur, weil der englische Verband den vermutlich besten Vertreter des eigenen Landes aufgrund einiger skandalöser Eigenschaften nicht selber entsenden wollte. So habe er dem Vernehmen nach einmal auf dem Weg zu einem Ligaspiel einen Abstecher zu einem Musikkonzert gemacht – schändlich. Außerdem hatte er sich nach Einsätzen bei den Olympischen Spielen die Olympischen Ringe auf den Arm tätowieren lassen – und seitdem immer verschüchtert lange Ärmel getragen. Wetterunabhängig. Gut, dass die UEFA diese Skandalnudel trotzdem noch einfliegen ließ. Pfiff er doch dann beim Turnier derart gut, dass man ihn sogar im Finale einsetzte! Zwar durchgehend mit langen Ärmeln, aber immerhin nicht vergessen und verlassen aufgrund seiner Sünden nur am TV-Schirm im fernen England sitzend.
Bei derartigen Geschichten fragt man sich unweigerlich: Was brodelt da unter der Oberfläche der Schiedsrichterzunft wohl noch? Verheiratete Schiris? Geschiedene? Vielleicht sogar Singles? Oder homosexuelle? Hat vielleicht einer schon mal einen über den Durst getrunken oder eine Zigarette geraucht? Man mag es sich kaum vorstellen. Schade, dass man nicht jedes menschliche Problem unter langen Ärmeln verstecken kann.
Conclusio
Steckbrief
Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Wie gut war die EM? Wer hat positiv überrascht? Wer negativ? Was waren eure Highlights? Worauf hättet ihr verzichten können? War der Hype um Claudia Neumann, Clattenburg und Löw berechtigt? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.
In 14 Tagen sehen wir uns zur nächsten Ausgabe von «Sülters Sendepause».
Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.
Für konkrete Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
16.07.2016 12:25 Uhr 1
Was vielleicht die Stimmung auch noch vernebelt hat, diese vielen uninteressanten Ansetzungen on der Vorrunde....ich zumindest habe noch nie sowenig Vorrundenspiele gesehen!